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Ausgabe:

1986

Spalte:

391-392

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Zeichen und Wunder 1986

Rezensent:

Josuttis, Manfred

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 5

392

nisse anerkennt und stabilisiert. Es droht die Gefahr, daß christlicher
Glaube zu einer fromm getarnten Ideologie entartet, zu einem dogmatischen
Denken ohne Bezug zur Wirklichkeit unserer Welt und zu der
Provokation ihrer geschichtlichen Situationen." (ebd.) Der reformatorische
Impetus wird vollends deutlich, wenn sich diese Theologie als
eine im Gebet zu leistende Arbeit versteht (14). Damit wird die biblische
Verwurzelung dieser Radikalität vollendet.

In solcher Verwurzelung ist die Gemeinde beauftragt, in der Gesellschaft
als „im Vorläufigen in der Kraft und Krisis des Endgültigen
tätig zu sein." (544) So erweist sich erneut, daß diese Haltung aus
Protologie und Eschatologie genährt wird und „Anpassung" ein Vorwurf
ist, der in seiner Ferne zur biblischen Dynamik in sich selbst
zusammenbricht. In biblischer Klarheit stellt Vf. diese Anfrage vielmehr
an die Kirche als Institution: „Die institutionelle Kirche
existiert im Medium der Religion; sie ist geübter Sachwalter des Religiösen
und dient der Befriedigung aller religiösen Bedürfnisse in reibungsloser
Geschäftigkeit. Sic paßt sich an und paßt sich ein: dem
Volk, dem Staat, dem Strom der Zeit, den herrschenden Ideen. Sie
bietet jedermann das religiöse Mehr der Lebenserhöhung, das er
wünscht, und verkraftet auch Zeiten, in denen das Schwert des Heiligen
Geistes in ihr aufblitzt, ohne jede Infragestellung ihrer organisierten
Gesamtgestalt. Die Kirche integriert Reformation und Kirchenkämpfe
zur höheren Ehre ihres ungebrochenen Selbstbewußtseins
und zur Verfestigung ihrer institutionellen Gestalt. Die neutestament-
liche ekklesia aber, als Vorhut des Reiches Gottes, ist der Maßstab
und die Krisis der organisierten Kirche. Damit wird keine Urgestalt
idealisiert, sondern das Wirken des Heiligen Geistes und die Wirklichkeit
seiner Schöpfung gegen das religiöse Machwerk der Institution
zum Zeugen aufgerufen. Doch steht das Nein zur organisierten Kirche
im Zeichen des Ja zur ekklesia und der Schmerz über die Mißgestalt
der sich selbst feiernden Hcilsanstalt unter dem Vorzeichen der Liebe
und des Verlangens nach einem neuen Gottesvolk. Aber Reform und
Reformation sind zu schalen Begriffen geworden. Die Revolution des
Reiches Gottes ist ausgerufen über die Kirche. Im Zeichen dieses
Geschehens steht alles das, was zum Thema .Gemeindeautbau in der
Volkskirche' an systematischer Grundlegung vorgetragen werden soll.
Das Kommen des Reiches Gottes ist die große Beunruhigung der
institutionellen Kirche in ihrem Dasein und Sosein." (501 0

Gottes Geschichte mit seinem Volk, Basilcia und Eschatologie
geben dieser Systematischen Theologie ihre Spannkraft: „Christen
gehen dem Licht entgegen, nicht der Finsternis. In dem allen wird stets
zu bedenken sein, daß das Alte Testament diese Perspektive aufgerissen
und die Prophetie der Erde Zukunft verheißen und zugesagt hat.
Das Judentum weist unablässig auf diese Tatsache hin. Die Synagoge
begleitet die Kirche mit dem Hinweis auf das Ende. Sie ruft zum
.konkreten Messianismus' (M. Buber)." In allen seinen Teilen handelt
das Buch von der Ankunft des biblisch bezeugten Gottes, wie es der
Titel verspricht: Nach dem Prolegomena folgt „Der Gott Israels in der
Bezeugung seines Kommens". Daran schließt sich an „Jesus Christus
in der Proklamation seiner Sendung". „Der Heilige Geist in seinem
Wirken in Kirche und Welt" vollendet das Werk. Dazu kommen
einige hilfreiche Register.

Gegenüber der Erstfassung haben wir es hier insgesamt nicht mit
Zurücknahmen, sondern mit Präzisierung und Vertiefung aus biblischen
Dimensionen zu tun. So werden auch die Leser des Bandes von
1975 durch dieses Buch von 1983 beschenkt.

Rostock Jens Langer

Praktische Theologie: Homiletik

Nitschke, Horst [Hg.]: Zeichen und Wunder. Predigten über Wundergeschichten
des Alten und Neuen Testaments. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 144 S.8". Kart. DM 22,80.

Die Wunder-Frage hat einmal im Zentrum der weltanschaulichen
Auseinandersetzung um den christlichen Glauben gestanden. Gegen
eine kritische Naturwissenschaft mußte die Kirche sich auch auf der
Kanzel apologetisch zur Wehr setzen. Das ist. folgt man den Beiträgen
dieses Bandes, lange her.

Aus den „Wundern" sind auch in der gegenwärtigen Predigtpraxis
„Zeichen" geworden. An den entscheidenden Stellen ist in fast allen
Predigten vom „Glauben" bzw. vom „Vertrauen" die Rede. Der
Glaube hat die Epiphanie der heiligen Macht in sich aufgesogen. Auf
durchweg homiletisch vorbildliche Weise zeigen die 26 Predigten, die
H. Nitschke gesammelt hat und die von namhaften Exegeten kommentiert
werden, wie sich das Wunder in der Innenwelt manifestiert.
Der „Hauptmann von Kapernaum" lernt seine Ängste entdecken
(von Mehring, 19ff). Fünf individuelle Untergangs-Gesehichten erzählt
H. Siegel zur „Stillung des Sturms" (lOOff). Durch den „Fischzug
des Petrus" vermittelt H.-D. Knigge in seiner Konfirmations-
Predigt Lebensmut, auf der dunklen Folie von Hemingways „Der alte
Mann und das Meer" (105ff). Die Christus-Bilder des Glaubens
thematisiert G. Kugler bei der „Hochzeit zu Kana" (128ff). Gegen die
bedrohliche Sprachverwirrung in der Öffentlichkeit setzen H. D.
Osenberg (650 und P. Beier (12303 das freimütige Vertrauen aus der
Kraft Jesu.

Die Wunderberichte der Bibel sichern den materialistischen Sinn
der christlichen Religion. Es geht um Leiblichkeit, um Verteidigung
von Gottes Schöpfung gegen die Chaoswelt der Dämonen. Daß Naturwissenschaft
und Glaube heute zusammenarbeiten müssen, damit das
Wunder der Lebenserhaltung gelingen soll, davon ist in diesen Predigten
nur andeutungsweise die Rede.

Friedland Manfred Josuttis

Zwanzger, Walter: Christus Für uns gestorben. Die evangelische
Passionspredigt. Stuttgart: Calwer 1985. 296 S. gr. 8" = Calwer
Theologische Monographien. Reihe C: Praktische Theologie und
Missionswissenschaft. 1 I. Kart. DM 38,-.

Der Titel des Buches „Christus für uns gestorben. Die evangelische
Passionspredigt" ist ungenau, da es sich bei der vorliegenden Untersuchung
nicht um eine Besinnung auf die mit der Predigt der Passion
Jesu Christi grundsätzlich gegebenen homiletischen Probleme, sondern
um eine predigtgeschichtliche Arbeit handelt. So beschreibt der
ursprüngliche Titel der Erlanger Dissertation von 1975 wesentlich
präziser, was geboten wird: „Die evangelische Passionspredigt im
19. Jahrhundert. Eine typologische Untersuchung nach systematischen
, homiletischen und hermeneutischen Gesichtspunkten".

Der erste Abschnitt des Einleitungsteils beschreibt zunächst die
Probleme und die Zielsetzung der Untersuchung (19-27). Mit Recht
weist Z. daraufhin, daß die predigtgeschichtliche Arbeit an Passionspredigten
sich weder darin erschöpfen darf, den Umgang mit den
Predigt/exten zu beschreiben, noch darin, die Behandlung der zentralen
dogmatischen Probleme nachzuzeichnen. Beide Vorgehensweisen
würden eine methodische Engführung bedeuten. Statt dessen
fragt Z. nach den jeweiligen Prediglinteniionen: „Erst durch solche
Art der Betrachtung werden die verschiedenen Möglichkeiten der
Leidensverkündigung unter spezifisch homiletisch-kerygmatischem
Aspekt erfaßt und verdeutlicht" (20). Es ist allerdings zu fragen, ob Z.
dieser seiner Vorgabe bei der Durchführung der Untersuchung treu
bleibt.

Im zweiten Abschnitt des einleitenden Teils (28-45) stellt Z. dar,
wie die Aufgabe der Passioq^predigt von den wichtigsten homiletischen
Theoretikern des 19. Jh. begriffen wurde. Er bezieht sich auf die
homiletischen Arbeiten von v. Amnion. Hüffell, AI. Schweizer,
Nitzsch, Palmcr, Th. Harnack, Christlieb, Krauß. Achelis. Hering
Gottschick und Baumgarten. Die Dcskription dieser unterschiedlichen
Ansätze soll nach Z. als „Einstieg" (25) in die* mit der Passionspredigt
sich stellende Problematik dienen und wird im weiteren
Verlauf der Untersuchung auch nicht wieder aufgegriffen.