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Ausgabe:

1986

Spalte:

381-383

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Aurelius, Carl Axel

Titel/Untertitel:

Verborgene Kirche 1986

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 5

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fane». über Philo als Jude (Sp. 1354-1356) und über seine Spiritualität
(Sp. 1356IT). Dabei erscheint Philo vornehmlich als Jude, mag er
noch so viel von Philosophie sprechen. Der Pcntatcuch enthält die
wahre Philosophie, das Gesetz ist der Philosophie überlegen. Philos
Werke erwachsen aus der Exegese der Synagoge (Sp. 1362). In der
«conclusion» (Sp. 1364) stellt er der Philo-Erforsehung eine Reihe
neuer Aufgaben, denn es gibt bisher keine Monographie, die diesem
Alexandriner gerecht würde, wie es etwas selbstbewußt heißt.

Ein Musterbeispiel für eine knappe, alles Wesentliche sagende Darstellung
ist der Beitrag über Pachomius (Sp. 7-16), der aus der Feder
von H. Bacht stammt. Es wird zunächst unter Verwertung eines reichen
Quellcnmatcrials ein Überblick über sein Leben und seine Berufung
zum Mönchtum geliefert, die Gründung von Tabennisi erzählt,
die erste Mönchsrcgel feinsinnig charakterisiert, und ihr Autor vornehmlich
als Charismatikcr gewürdigt, dem hohe mystische Gnaden
geschenkt waren.

Zum Abschluß möchte ich noch auf den glänzend geschriebenen
Artikel über Palamas hinweisen (Sp. 81-107), der von Meyendorff,
dem größten Sachkenner auf diesem Gebiete, verfaßt ist. Gleich zu
Beginn lenkt er die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche: Das reiche
Werk des Palamas ist auf den Inhalt des christlichen Glaubens konzentriert
, auf die «idee de deification» (Sp. 81). Eine eingehende Beschreibung
des Lebenslaufes unter ausgiebiger Benutzung der Quellen
(Sp. 81-85) schließt sich an, es folgt eine Übersicht über die einzelnen
Werke (Sp. 85-90), wobei die Charakteristik des Palamas als Prediger,
der am täglichen Leben seiner Gemeinde interessiert und alles andere
als ein bloßer Intellektualist ist (Sp. 90), besonders auffallt. Das Wesentliche
der Darstellung ist aber die Schilderung von dessen Lehre,
die freilich nicht in ihrem ganzen Umfang dargeboten werden kann,
sondern nur in der Beschränkung auf die einzelnen Etappen, die sein
Gedanke in den verschiedenen Kämpfen gewonnen hat. Eingehend
beschrieben wird die Auseinandersetzung mit Barlaam, bei der näheren
Bestimmung der apophatischen Theologie wird auf die Quellen
hingewiesen, auf Gregor von Nyssa und den Areopagiten, der aber
umgedeutet wird (Sp. 92). Auch daß die Erkenntnis Gottes ein
Wachsen ohne Ende ist, ist bereits in der ine.xxaaiQ des Gregor von
Nyssa vorgebildet. In Verfolgung von Gedanken des Maximus und des
Johannes von Damascus ist die Vergöttlichung immer auf christologi-
sche Tatsachen gegründet, auf die Inkarnation. Seine Gegenwart
macht die Menschen fähig zur Schau, wozu aber auch der Synergismus
von Seiten des Menschen erforderlich ist (Sp. 950- Auch bei der
Bestimmung des Verhältnisses von «essence» und «energie» ist der
Anschluß an Gregor von Nyssa und Maximus deutlich. Wichtig ist die
Definition der Energie: «le mode par lequel la nature divine exterio-
fise son existence, tout demeurant transcendante, mais cet acte
d' exteriorisation est personel et trinitaire» (Sp. 980- Dies ist eine zentrale
Idee des Palamas, die jede ncuplatonische Deutung ausschließt
und behauptet «1c caractere immedial de l'experience chretienne de
Dicu»(Sp. 100). Einige summarische Ausführungen über die Schicksale
des Palamismus in der orthodoxen Kirche runden das Bild ab
(Sp. 100-105).

Und doch kann man mit allem nur einen schwachen Eindruck von
dem Reichtum theologischer Einsichten erwecken, die dieser umfängliche
Band enthält. Welche Fülle von Fleiß ist aufgeboten, um diese
Stoffmasse zu durchdringen und zu gestalten! Welch feines Verständnis
für die inneren Vorgänge des geistlichen Lebens! Welches sichere
Urteil für die jeweils leitenden und gestaltenden Gedanken! Man wird
den Band nicht ohne Gewinn studieren und sich auf die Lektüre des
kommenden freuen.

Mainz Walter Völker

Aurelius. Carl Axel: Verborgene Kirche. Luthers Kirchen Verständnis
in Strcitschritlen und Exegese 1519-1521. Hannover: Lutherisches
Verlagshaus 1983. I32S. gr. 8' = Arbeiten zur Geschichte und
Theologie des Luthertums, N. F. 4.

Der letzte Satz des Buches hält das Ergebnis fest: ..Luthers Lehre
von der Kirche ist also nichts anderes als eine von den Weisen, wie er
von Kreuz und Auferstehung Christi redet. Wir können sogar sagen:
Die Kirche, das ist Christi - und unser - Tod und Auferstehung"
(123).

Es ist ein im Mitvollzug anstrengender, aber lohnender Erkenntnisgang
, den der Vf. in seiner Lundenser Dissertation dem Leser abverlangt
. Er stellt nicht den Erstansatz, sondern ein Stück ausgereifter
Theologie Luthers vor, das sofort in die Mitte jeder reformatorischen
Theologie führt. Man kann fragen, warum der Vf. auf dem Hintergrund
des sehr deutlich und präzis abgeschrittenen Feldes von Luthers
Aussagen zum Kirchenverständnis in den wichtigen Jahren
1519-1521, d. h. im Bewußtsein der durchgehaltenen Spannung in
Luthers Bemerkungen zur unsichtbaren und sichtbaren Kirche, zu
dem Kurztitel „Verborgene Kirche" kommt, so daß wirkungsgeschichtliche
Assoziationen geweckt werden, die von der Ergebnis-
findung des Buches her gar nicht naheliegen. In der Streitschriften und
Exegesen einbeziehenden Untersuchung zeigt Aurelius jedoch sachgemäß
Luthers Ringen um das richtige Verstehen von „sichtbar" und
„verborgen" im Kirchenbegriff(z. B. 116).

Die im langjährigen Gespräch mit Bengt Hägglund entstandene Arbeit
wählt methodisch einen sehr glücklichen Weg. Der Vf. untersucht
das Genre der Streitschriften in den oben genannten Jahren, besonders
an die Adressen von Johannes Eck, Augustinus Alveld, Thomas
Murner und Ambrosius Catharinus (Kapitel 2 in seinen Untergliederungen
, 21-59) und danach Luthers exegetische Vorlesungen
1519-1521, also die „Operationes in psalmos" (Kapitel 3 mit seinen
wichtige Leitbegriffe thematisierenden und damit festhaltenden Einzelabschnitten
, 61-102). Kapitel 4 faßt die Aussagen zum Bild von
der Kirche in beiden Gestalten literarischer Äußerungen des Reformators
zusammen (103-116). Ein ausführlicher Abschluß (Kapital 5)
zieht Schlüsse von „Luthers Ekklesiologie ... im Blick auf die Einheit
in Luthers Theologie" (117-123).

Im besten Sinne auffallend ist bei dieser Dissertation ganz vordergründig
zweierlei:

1. Aurelius führt von Anfang bis Ende das Gespräch mit der schwedischen
Lutherforschung, besonders mit dem im außerschwedischen
Europa zu Unrecht fast vergessenen Einar Billing und mit Gustaf
Aulen, dann aber auch mit Ragnar Bring und Gustaf Wingren. Fast
das ganze h Kapitel (9-20) dient sorgfältiger Darstellung der auf
Luthers Ekklesiologie bezogenen Hauptthesen der Genannten. Somit
stellt Aurelius, der sich seinen Vor-Denkern dankbar verbunden
weiß, einen wichtigen Teil schwedischer Lutherforschung vor, der in
vergangenen Jahrzehnten das Bild des Reformators für die europäischen
Theologen stärker geprägt hat, als das heute bewußt gemacht
wird und ist. Im Blick auf Karl Holl und Wilhelm Maurer formuliert
Aurelius völlig zu Recht: „Richten wir den Blick nun auf die kontinentale
Lutherforschung dieses Jahrhunderts, können wir feststellen,
daß die Frage nach der Einheit in Luthers Theologie von Anfang an
im Zentrum des Interesses stand und daß ähnliche Gedanken wie bei
Billing zum Ausdruck kamen." (11) Wie nahe Aurelius in seinen oben
eingangs zitierten Ergebnissätzen Einar Billing ist, geht aus der
Wiedergabe einer charakteristischen Billing-These hervor: „Die Kirche
ist die Vergebung der Sünden." (12) Wenn hier reformatorischer
Fortschritt über mittelalterliches Denken hinaus signalisiert werden
soll, dann liegt alles bei der Definition des Kirchenbegriffs!

2. Aurelius, der bei dem theologiegeschichtlich arbeitenden Systematiker
Hägglund in die Schule gegangen ist, hängt in vorteilhaftester
Weise das Interesse seines systematischen Erkenntniseifers in die biographische
Einzelheit, in das auch gegnerbezogene Umfeld der Aussagen
Luthersein.

Der Vf. ist bescheiden genug, nicht die ganze Ekklesiologie des Reformators
vortragen zu wollen. In der Tat brächten die Spätaussagen
zum Kirchenverständnis weitere Aspekte. Aurelius möchte primär
„zwei Texttypen, Streitschriften und exegetische Schriften aus derselben
Zeit" (20) vorstellen. Und zu dieser in allem hilfreichen und inter-