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Ausgabe:

1986

Spalte:

374-376

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Lies, Lothar

Titel/Untertitel:

Wort und Eucharistie bei Origenes 1986

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 5

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der Provinzialverwaltung. Ein Beitrag zur Durchsetzung der nationalsozialistischen
Herrschaft in Schleswig-Holstein 1932-1934; Reimer Möller: Der
Volkssturm im Kreis Steinburg (423-439). Der Vortrag von Uwe Barschcl: Legalität
und Legitimität (443-451) ist als 7. Teil unter der Überschrift „Zu allgemeinen
Fragen des Rechts" angefügt. Dem gehaltvollen Bd. sind 26 Abbildungen und
ein Personenregister beigegeben (Strindbcrg. August 259 ist übersehen worden).

Verständlicherweise gehen die meisten Beiträge vorwiegend auf
lokale Details ein. Sie basieren teilweise auf archivalischem Material.
Die Autoren scheuen auch nicht eine gewisse Breite in der Anlage
(z. B. Stokes, Möller, Groth, Hauschildt). Dadurch ist allerdings auch
mancher Vorgang von allgemeiner Bedeutung in seiner Entwicklung
besser zu verfolgen als bei überlokalen Aufgabenstellungen, z. B. zunehmende
Gewalttätigkeiten durch NS-Formationen in der Weimarer
Republik und Rechtstrcnd breiter Kreise des Bürgertums. Der prozessuale
Vorgang des wachsenden NS-Einflusses in einer vom Mittelstand
geprägten Kleinstadt wie I lusum ist im Beitrag von Sörcnsen gut
zu beobachten. Wie überall waren das „Aufbegehren des kleinen Mittelstandes
gegen die fortschreitende Industrialisierung und Konzentrierung
im Spätkapitalismus" wirksam wie der „Kampf gegen den
Parlamentarismus" und „der Kampf gegen den Kommunismus"
(112). Fördernde Faktoren waren die Wirtschaftskrise, verbunden mit
der Angst vor dem sozialen Abstieg. Nicht zu unterschätzen ist die
dynamische Demagogie der NSDAP und ihr Bestreben, „mit ihren
vielfältigen Gliederungen die jungen Leute an sich zu binden" (113).
Rictzlers Untersuchung über die erste Gau-Zeitung der NSDAP gibt
ergänzend Einblicke in die regionale propagandistische Strategie der
NSDAP, die von der Münchner Zentrale unterstützt und gesteuert
wurde. An einzelnen Stellen wäre es möglich gewesen, die Beobachtungen
noch deutlicher in die allgemeinen Bestrebungen einzubinden.
Punktuell sei hierfür auf Strindbergs Lutherschauspiel hingewiesen
, das nicht nur vom Flensburger Grenzlandthcater für die
nazistische Rezeption in Anspruch genommen wurde (259), sondern
sclurn 1933 in Wittenberg, Göltingen und anderen zahlreichen Orten
das Bild vom „deutschen Luther" verbreiten half. Ähnlich verhält es
sich mit dem weit ausholenden Rückgriff auf Luther des Flensburgcr
DC-Pastors Gerhard Meyer und die Deutung der NS-Machtergreifung
als .zweite deutsche Reformation' (379). Die Rolle der Kirche kommt,
abgesehen vom Beitrag Rcumanns, nur marginal ins Bild. Die sonst
sehr detaillierten Darlegungen Stokes sparen aus, was der Eutiner
Propst Wilhelm Kieckbusch bei der Trauerfeier für den SS-Mann
Karl Radke gesagt hat (53). Für Husum werden die nationalistisch
eingestellten Bürger unter den NS fördernden Faktoren genannt (75
and 86). zugleich auf noch ausstehende notwendige Untersuchungen
verwiesen (124). Auch an anderer Stelle wird auf Forschungsdesiderate
hinsichtlich des Wirkens von Pfarrern aufmerksam gemacht (z. B.
192 Anm. 192.: Johannes Schmidt-Wodder). Die Aktivitäten des
extrem deutsch-christlichen Pastors Johannes Pcperkorn jr. können
jeweils nur unter der gegebenen Fragestellung (vor allem Oktobersturm
1933) erwähnt werden. In dem interessanten Beitrag von
Howoldt über die Aktion „Entartete Kunst im Lübecker Museum"
werden im Dokumentenanhang u. a. die peinlichen Schreiben des
Lübecker ITC-Bischofs Balzer an Goebbels und die Münchner Ausstel-
'ungsleitung vom 28. August 1937 in Sachen Entfernung des Kruzifixes
von Ludwig Gies im vollen Wortlaut wiedergegeben (221 f). Wenn man
sich auch eine umfassendere Einbeziehung der Kirche wünschen würde,
tst auf der Rolle der Pfarrer immerhin hingewiesen worden. Andere einflußreiche
Gruppierungen und Institutionen sind völlig übergangen
worden, so die Landesuniversität Kiel oderdic Rolle der Schule. Gleichfalls
hätte man gern etwas mehr erfahren, welche Rolle Th. Storms
Werk über den Schimmclrciter (Abdruck in der NSDAP-Gau-Tages-
zeitung) hinaus) 126) in Schleswig-Holstein gespielt hat.

Die Hg. weisen aber eingangs darauf hin, daß „der vorliegende Bd.
ein Anfang" sein soll (16). Für diesen Anfang und der bei aller Offenheit
der Standpunkte der Mitarbeiter doch klaren Gesamtposition
gegenüber diesem „dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte" (10) gebührt
den Hg. Dank.

Corrigenda: Das geschlossene Anhören einer Hitlcrrcdc war bereits für den
10. November 1933 verordnet worden (420); Karikatur (245); der Hinweis
(Abb. 26) ist zu streichen (377).

Berlin Siegfried Bräuer

Dogmen- und Theologiegeschichte

Lies, Lothar: Wort und Eucharistie bei Origenes. Zur Spiritualisic-
rungstendenz des Eucharistieverständnisses. 2. Aufl. Innsbruck-
Wien-München: Tyrolia-Verlag 1982. 363 S. 8" = Innsbrucker
theologische Studien, 1. Kart. ÖS 480,-.

Es kommt selten vor. daß eine Monographie über ein patristisches
Spczialthema innerhalb kurzer Zeit in 2. Auflage erscheint. Daß es bei
dieser Untersuchung, einer Würzburger Dissertation von 1976/77,
geschah, ist ein Urteil über ihre Güte und Aktualität.

Vom formalen Vorstcllungsinhalt des Begriffs „eucharistia" im
Profangriechischen und in vororigenisch-christlicher Zeit (dabei die
Wurzeln in LXX berücksichtigend) ausgehend, gelingt es L„ den ori-
genischen Begriff herauszuarbeiten (11-36). „Neben der profangriechischen
Bedeutung .dankbar sein' bezeichnet also der origenische Begriff
auch liturgisches Tun und liturgisch-kultische Speise" (14). Daß
der Begriff Eucharistie (=E.)ein Kultbcgriff ist und damit die „spezifisch
christliche Kultspeise, in der der Herrsich austeilt" (21) bzw. das
kultische Segenswort über die Gaben (33) bezeichnet, darin stimmt
Origenes (=0.)mit seinen christlichen Vorgängern überein.

Im 1. Kapitel behandelt L. „Eucharistie als Wortgeschehen und
dessen Vorstcllungsinhalte" (38-63) und macht deutlich, daß das
Wortgeschehen „eucharistia" den Gaben ihre spezifische Bedeutung
gibt. Was Brot und Wein theologisch bedeuten, muß also aus dem
..Wortgeschehen Eucharistie erhoben werden" (38), wobei E. mit
„eulogia" synonym ist.

„Nicht die Materie des Brotes, sondern das über dasselbe gesprochene
(epi ... legein) Wort ist es, welches dem nützt, der es nicht unwürdig
des Herrn genießt" (48; zit. Mt. Korn. XI 14; GCS X/1 -6; daß
O. die manducatio impiorum lehrt, zeigt L. S. 219; Mt.Kom. X 25:
GCS X 34/20). „. . . der bleibende Nutzen des Brotes wird konstituiert
durch das darüber gesprochene Wort" (48). O. setzt die saneta
verba der Verkündigung in Beziehung zum „panis mysticus", den er
als „dominici corporis sacramenta" bezeichnet. Als Epiklese kennt O.
die Logoscpiklese; der Name des Logos wird über Brot und Wein angerufen
(52 f).

Kap. 2 behandelt „Der Vorstellungsinhalt des Begriffes .eucharistia
' = Kultspeise, seine Beziehung zum Begriff .eucharistia' = Wortgeschehen
" (64-148). „Mit der realpräsentischen Bezeichnung .Herrenleib
' für den .sachhaften' Vorstcllungsinhalt des Begriffes .eucharistia
' steht Origenes in der kirchlichen Tradition", wobei er fordert,
daß kein Stückchen auf den Boden fällt (82 0. Christus ist „der Vermittler
des eucharistischen Wortgeschehens an Gott und zugleich der
Hersteller und Geber der eucharistischen Speise" (89).

Neben der traditionellen Sicht hat aber O. auch noch eine neue
Sicht von der E. Diese geht vom Logos-Gedanken aus, der Logos wird
Nahrung. So kommt nicht dem Brot eucharistische Bedeutung zu,
sondern dem Wort im Brot (Rez. wird an KK 1V/3 und V/3 erinnert);
die Brote sind Vehikel. O. unterscheidet „zwischen denen, die die
Abendmahlsbrote als realen Leib Christi deuten, und denen, ,die tiefer
zu hören' verstehen" (102). O. kennt die Realpräsenz, aber „die wahre
Eucharistie im Brot ist das nährende Wort der Wahrheit" (106). Diese
worthafte Aktualpräsenz ist ihm aber die primäre, O. „verwortet" das
sakramentale Geschehen (113). Inwieweit es sich hier um „pneumatische
Empfangsweisen" (115) handelt, wird Rez. nicht deutlich. Aber
in seiner Spiritualisierungstendenz. wird bei O. platonischer Einfluß
erkennbar: Göttliches kann nur durch Hinweis, durch tieferes Hören
vermittelt werden; „die göttliche Wirklichkeit der Eucharistie kann
nur im Hinweis des Abcndmahlsbrotes gegenwärtig werden" (116;