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Ausgabe:

1986

Spalte:

365-367

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Rorem, Paul

Titel/Untertitel:

Biblical and liturgical symbols within the Pseudo-Dionysian synthesis 1986

Rezensent:

Mühlenberg, Ekkehard

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Theologische Litcraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 5

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noch ausstehendes Gottesreich ein. Auf dem Wege dahin muß der
Christ die Rechtfertigung durch den Glauben als Anfang des Christseins
ergänzen durch das Halten der Gesetze, um so in die Gemeinschalt
mit den Engeln und mit den höheren Mächten des Kosmos eintreten
zu können. Dementsprechend korrespondiert der Taufe die
Beschneidung. Sind für Paulus Taufe und Rechtfertigung aus Glauben
das ganze Leben des Christen total bestimmende Zuwendungen
Gottes, so wird bei den Gegnern die Rechtfertigung aus Glauben als
Einstieg in das Christentum ergänzt durch die notwendigerweise
nachfolgende Rechtfertigung aus Werken und die Taufe durch die Be-
schneidung.

B. erreicht sein geschlossenes Bild der Gegner, indem er zu manchen
Stellen desGal recht neue Thesen aufstellt: So soll 2.16 gemeinsamer
Punkt der Übereinstimmung sein, den Paulus bewußt voranstellt
und den die Judaisten auf dem Hintergrund qumrannaher Denkweise
auch vertreten (S. 700. Oder: Die Gegner werden so gekennzeichnet
, daß sie in Distanz zu den Jerusalemer Christen stehen und
an diesem judenchristlichen Typ ähnlich Kritik üben wie Qumran
am Pharisäertum (S. 62.87). Weiter soll sieh aus 1.6-9; 4.16; 6-.I2
ergeben, daß die Gegner apostolische Rechte für sich beanspruchen
(S. 9.3). und himmlischen Visionen darum dabei Vorrang einräumen,
weil Paulus seine eigene herausstellt (S. 990- Ähnlieh wird Gal 3
benutzt: Weil Paulus die Abrahamtradition neu auslegt, müssen die
Gegner die genau analog konträre Position zu Abraham eingenommen
haben (S. I07IT). Aus .3.1-5 wird erschlossen, daß die Eremd-
missionarc in eigentümlicher Weise Pneumatiker sind (S. 1 I 5). Wenn
lerncr Paulus (in pharisäischer Tradition) den Gegnern vorwirft, man
müsse das ganze Gesetz halten, sie aber hielten es nur begrenzt
(Gal 6.13; 5.5), so läßt das auf eine Position schließen, nach der die
Eindringlinge das Gesetz, tendenziell selektieren und dabei die Kalendervorschriften
und das Gesetz als kosmische Ordnung in den Vordergrund
rücken (S. I I9IJ.

Diese vermehrbaren Beispiele mögen andeuten, worum es geht:
Durch unmittelbare direkte Spiegelung der paulinischen Aüssagen-
seite auf die Position der Gegner, erhält B. ein umfassendes, vom
ganzen Gal her gestütztes und sehr konkretes Detailwissen über die
Gegner. Dabei gelangt er nicht selten zu nachdenkenswerten Einzel-
missagcn. erhärtet auf seine Weise nochmals, daß Gal gegen eine einheitliche
und judaistischc Eront kämpf), aber gibt auch oft Anlaß,
diese unmittelbare Umsetzung paulinischer Aussagen in eine gegnerische
Position zu hinterfragen. Selbst wer bereit ist. den Gal mit der
Textsorte der rhetorischen Apologie in Beziehung zu bringen, kann
durchaus im Unterschied zu B. bei der Rekonstruktion der gegnerischen
Position zurückhaltender verfahren. Die zwingende Kral), von
der Struktur des ganzen Briefes auf die Ergebnisse von B. zu den Gegnern
zu kommen, ist geringer, als B. sie wahrhaben will.

Kief Jürgen Hecker

Kirchengeschichte: Mittelalter

Rorem, Paul: Bihlical and liturgical Symbols within the Pseudo-
Dionysian Synthesis. Toronto. Ont.: Pontifical Institute ofMediac-
valStudies 1984. XI. 177 S. gr. 8" = Studiesand Texts. 71.

Als Ergebnis seiner Dissertation, die Karlfried Eroehlich (Princeton
Theological Seminary) betreut hat. legt Vf. eine angenehm lesbare
Studie vor. Im Unterschied zu bisherigen Untersuchungen über das
Werk des Pseudo-Dionysius liegt der Schwerpunkt nicht auf den neu-
Phttonischen Abhängigkeiten und nicht auf den ontologischen Strukturen
, sondern auf der werkimmanenten Interpretationsmethode von
'übel und Liturgie. Konsequent durchgeführt ist die These, daß die
Auslegung der biblischen Symbole und die Auslegung der liturgischen
Symbole miteinander verbunden sind einerseits durch die gleiche
Methode und andererseits durch ihre Abfolge. Die grundlegende
'Laibachtung dieser Studie ist ein bisher nicht beachteter Akzent: zur

Einordnung in ein umfassenderes Verständnis greift Vf. natürlich auf
vorangehende Arbeiten zurück. Ein neues Gesamtbild vom C orpus
Dionysiacum legt Vf. nicht vor. aber diesen Pauschalanspruch stellt
sein Beitrag auch nicht.

I )as Einleitungskapitel (S. 3-10) versucht den (legenstand der eigenen
Beobachtung gegen die Eorsehungsliteratur abzugrenzen. Das geschieht
in jugendlichem Überschwang, an dem nur soviel richtig ist.
daß der Zusammenhang von biblischer und liturgischer Auslegung
bisher nicht thematisiert wurde. Denn Vf. gibt S. 64 selbst zu. daß
seine (irundthese sich in einem Zitat von R. Roques (= L'univers dio-
nysien, 1954, S. 209) vorformuliert findet. Und den analysierenden
l 'i teilen von B. Brems (Gott und die Seienden. 1976) weicht Vf. zu seinem
Nachteil aus. Auf den wenigen Seiten der Einleitung ist verhältnismäßig
viel Raum J. Vanneste (Le Mystcre de Dieu, 1959) gewidmet
, ein Hinweis, daß dem Vf. mit seiner eigenen Arbeit an einer Weiterbestimmung
der dionysischen Mystik gelegen ist. Kap. 2 (S. 11-26)
führt das Thema ..Bibel" bei Ps. Dionysius vor und sammelt die Materialien
zu Kanon, biblische Autoren und Autorität des Bibelwortes in
Verbindung mit seiner immer notwendigen Auslegung. Kap. 3
(S. 27-46) leistet Gleiches für die Liturgie, führt aber weiter, da auf die
Interpretation der liturgischen Symbole hingewiesen wird, deren
Methode zu erhellen sei. Die Akzentuierung gewinnt Bekanntem eine
neue Einsicht ab, insofern die Auslegung der Symbole eine Bewegung
vom sinnlich Wahrnehmbaren zum Intclligiblen ist. Der Beleg ist die
Stelle De ecelesiastiea hierarchia [=EH]2 (Migne PG 3.397
C 27-33).

Die Kap. 3-6 formen einen zweiten Teil mit dem Titel "The
Downward Proccssion". Zuerst wird an dem grundlegenden Text
I pistula 9 (I 105 C 45-1 108 A 7) gezeigt, daß Auslegung der Bibel
und Auslegung der Liturgie ein gleicher Vorgang sind, dann werden
zusätzliche Texte dazu analysiert (De coelestia hierarchia
[=CH] 4,1 77 BD 3-8 und EH 4,472 D 9-12; ausführlich leider nicht
De divinis nominibus [= DN] 1.592 B 17 sqq) und zu der These zusammengefaßt
: "In the Pseudo-Dionysian corpus, the scriptures and
the liturgy are viewed as the divine proccssion into the world ofsenses;
their spiritual interpretation. correspondingly. is part of the divine
return which uplills the läithlül" (S. 63). Kap. 5 (S. 66-83) stellt
schön heraus, daß in der Bibel das sinnlich Wahrnehmbare der
Raum ist. in der Liturgie dagegen die Zeit, so daß nur die Abläufe der
Sakrantentshandlungen und nicht die sakramentalen Gegenstände
Basis der Auslegung sind. Zu Fehlurteilen kann die Feststellung Anlaß
geben, daß sich bei Ps. Dionysius keine besondere Begründung für
das Hineingeben Gottes in die sinnlich wahrnehmbaren Symbole
finde (S. 82). Denn man sollte dann die werkinterne Analyse auch auf
die Qualität von Aussagen befragen, also die grundsätzliche Übernahme
einer nicht mehr zu begründenden Wahrheit. Der Ausflug in die
Fragen von affirmativer und negativer Theologie am Beispiel biblischer
Absurditäten (Kap. 6) bringt keinen gedanklichen Fortschritt.

Der letzte Teil "The Upward Return" beginnt richtig mit dem
Nachweis, daß das neuplatonische Motiv der Rückkehr identisch ist
mit dem Aufsteigen zum Göttlichen. In einem Vergleich mit Jamblich
ergibt sich präzisierend, daß die Aufwärtsbewegung sich in der Auslegung
der Liturgie ereignet (Kap. 7. S. 99-116). nicht wie bei
Jamblich im theurgischen Vollzug der Riten. Die Bedeutung der liturgischen
Riten für den Menschen, von dem sie vollzogen werden, wird
vom Vf. nicht weiter erörtert. Die „Synthese" (Kap. 8, S. 117-131)
versucht - m. E. überzeugend - die Abfolge Sehriftauslegung -
liturgische Auslegung zu begründen. Textbasis sind die Einlcitungs-
kapitcl von CH und EH. Folglich hat die Schriftlesung in der Liturgie
propädeutischen C harakter und entsprechend die Sehriftauslegung
eine propädeutische Aufgabe für die Interpretation „unserer Hierarchie
". Vf. will diese Zuordnung auch als die Struktur des ganzen
Corpus nachweisen und beruft sich dafür auf die Selbstverwcisc
im Corpus, wie sie zuletzt von R. Roques nachgewiesen wurden. Zentrale
Bedeutung hat in der Tat (vgl. S. 127) das 3. Kapitel der Theolo-
gia mystica (= MTh). Diese Abfolge bedeutet DN. MTh, CH. EH mit