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Ausgabe:

1986

Spalte:

361-362

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Snodgrass, Klyne

Titel/Untertitel:

The parable of the wicked tenants 1986

Rezensent:

Haufe, Günter

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Seite 1

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361

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 5

362

kleine Kaufleute (3011). Sie konnten jedoch nicht alle Anspielungen
des Verfassers begreifen. Die hat er in einem engeren Kreis gedeutet.
Das Markusevangelium ist also im Grunde ein Midrasch neuer Art.
Soweit D.

D.s Hypothese, wonach die Struktur des Markusevangeliums vom
Hexateuch abgeleitet ist, wird durch weitere Hypothesen (über die
doppelte Hörerschaft, über die konsequente Anwendung der allegorischen
und typologischen Auslegungsmethode) gestützt; das aber
macht sie unglaubwürdig.

Die mündliche Phase der Überlieferung wird zwar vorausgesetzt,
aber in ihrer Bedeutung für die Gestaltung des Stoffes unterschätzt. Im
Grunde hängt es mit D.s Auffassung von der Auferstehung Jesu
zusammen, die er in seinem Buch The Anastasis, 1982 zum Ausdruck
bringt. Der Kreuzestod Jesu war danach ein Scheintod und die Auferstehung
eine Wiederbelebung. Bei der Auferstehungsverkündigung
handelt es sich demzufolge um ein Thcologumenon. das die esehato-
logisehe Autorität Jesu unterstreichen soll (s. die Rez. von G. Haufe in
ThLZ 110, 1985.2861). Jesus war zwar kein politischer Messias, aber
. er mußte sterben, weil er durch seine ganze Lcbenseinstellung subversiv
wirkte. Im Unterschied zu den übrigen Märtyrern hat er keine fest
geprägte Gruppe von Sympathisanten gehabt und ist für eine noch
nicht bestehende Wirklichkeit gestorben. Deshalb mußte der Evangelist
seine Person und sein Werk deuten und dadurch annehmbar
machen. So urteilt D. in seinen Einleitungs- und Schlußsätzen.

Dem Leser begegnen in dem vorliegenden Buch mehrere interessante
Einzelbeobachtungcn, besonders in der Motivgeschichte. Als
Ganzes zeigt das Buch a) zu welchen Konsequenzen eine Unterschätzung
des Ostergeschchcns führen kann (auch im Rahmen der
Saehe-Jesu-Christologien) und b) wie die Deutung der Evangelien,
auch im Rahmen eines im Grunde positivistischen Weltbildes, voreingenommen
sein kann. Der Theologe darf diese Deutung der Evangelien
nicht grundsätzlich ignorieren, aber wenn sie die Entstehung
des Christentums aus der Wirkung der Persönlichkeit Jesu und der
Propaganda seiner späteren Anhänger, d. h. im Grunde ungeschichtlich
erklärt, kann er nur wenig von ihr lernen.

Prag PctrPokorny

Snodgrass. Klyne: The Parable of the Wicked Tenants. An Inquiry
into Parable Interpretation. Tübingen: Mohr 1983. X, 140 S. gr. 8*
= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament,
27. Kart. DM 72.-.

Ursprung und litcrarkritische Beurteilung des Winzergleichnisses
Mk 12.1 — 12 parr sind nach wie vor umstritten. Einerseits sieht man in
der Parabel eine aus der Frühkirche stammende Allegorie (Jülicher.
Kümmel u. a.). andrerseits ein zur Allegorie erweitertes ursprüngliches
Jesus-Gleichnis (Dodd, Jeremias. Weder u. a.). Unentschieden
tsl damit auch die Frage, ob und eventuell in welchem Maße bereits in
Jesus-Gleichnissen mit allegorisiercnden Zügen gerechnet werden
darf In d ieser Forsehungssituation lag es nahe, die fragliche Parabel
erstmals monographisch zu untersuchen. Für/den in Chicago lehrenden
Autor mochte das um so reizvoller sein, als er sich bereits in seiner
lungedruckten) Dissertation von 1973 mit den Christological Testi-
monia in the New Testament beschäftigt hatte. Mit gutem Grund setzt
er nach einem kurzen forsehungsgcsehiehtlichen Überblick (3-11)
mit methodologischen Überlegungen ein, speziell bei der Frage: "Can
a Parable be an Allegory?" (12-30). Im Anschluß an verschiedene,
über Jüliehcr hinausgehende Untersuchungen gelangt er zu dem überzeugenden
Ergebnis, daß man weder die Echtheit der Parabel allein
äuf Grund allegorisiercndcr Züge bestreiten noch ihre totale De-Alle-
gorisierung rechtfertigen kann. Die mehrfach vertretene Favorisierung
des vom Thomas-Evangelium gebotenen Kurztextes ist damit
ebenso abgewiesen wie die Illusion, zu einer "Urform of the ipsissima
verha of Jesus" vorstoßen zu können. Umgekehrt haben neuere Arbeiten
nachgewiesen, daß sieh die Parabelgesehiehtc durchaus in den

zeitgesehiehtlichen kulturellen Kontext einfügt (31 -40). Das alles bedeutet
, daß die wesentlichen Entscheidungen bei der litcrarkritisehen
Analyse fallen, die "the development of the tradition" aufzuzeigen hat
(41-71). Hier überrascht nun der Autor seine Leser mit der These,
daß gerade Matthäus (21,33-46) "the earliest aeeount of this parable"
bzw. ihre "basic story" autbewahrt hat (70). Das gilt einschließlich der
Anspielung auf Jes 5 zu Beginn und der Zitierung von Ps I 18.221'am
Ende. Selbst die auf Dan 2,44f anspielenden Verse (21,430 könnten
schon immer zu der Parabel gehört haben. S. ist überzeugt, daß sich
von der vermutlich aus ,,Q" stammenden und von Mt nur leicht bearbeiteten
Textfassung die beiden anderen synoptischen Fassungen im
Sinne von Vereinfachung und Christologisierung am leichtesten ableiten
lassen. Die von den meisten Auslegern bestrittene Ursprünglichkeit
des Psalm-Zitates sieht S. durch den Hinweis gesichert, daß
zwischen dem „Sohn" Um) der Erzählung und dem „Stein" (7m) des
Zitates offensichtlich ein gewolltes semitisches Wortspiel vorliegt.

Auf dem Hintergrund dieser litcrarkritisehen Analyse werden sodann
Ursprung und Bedeutung der Parabel exegetisch bestimmt
(72-110). S. zweifelt nicht daran, daß sie auf Jesus selbst zurückgeht.
Als Rede Jesu wendet sie sich anklagend und drohend gegen die religiösen
Autoritäten des Judentums, indem sie gleichzeitig indirekt den
Vollmachtsanspruch Jesu proklamiert. Sachlich vertritt sie die gleiche
Botschaft wie Jesu Klage über Jerusalem (Mt 23,37fpar) und Jesu
Leidensankündigungen (Mk 8,31 parr). die beide ebenfalls auf
Ps I 18.22 anspielen. S. sieht richtig, daß deren Bestreitung im Munde
Jesu unweigerlich auch die Echtheit der Parabel in Frage stellt.
Methodisch ist das in der Tat nächst der litcrarkritisehen Analyse die
wichtigste Frage: Wo hat die mutmaßlieh älteste Textgestalt ihren
sachlich nächstliegenden Kontext? Natürlich bestreitet auch S. nicht
einen „Sit: im Lehen der Kirche", hält aber an einem dahinter liegenden
„Sit: im Leben Jesu" fest. Ursprünglicher Kontext ist Jesu Konflikt
mit den jüdischen Autoritäten gegen Ende seiner Wirksamkeit
(III).

Ob der zweifellos geistvolle Rekonstruktionsversuch breitere Zustimmung
finden wird, bleibt abzuwarten. Der Autor setzt sich leider
nicht ausdrücklieh mit jenen Argumenten auseinander, die schon
mehrfach (zuletzt von Weder) zugunsten einer dem Mk-Text zugrundeliegenden
Jesus-Parabel angeführt worden sind. Die auch von S.
nicht bestrittene Vielschichtigkeit des Textes dürfte nach wie vor
durch eine stärker traditionsgcsehiehtlieh differenzierende Analyse
überzeugender erklärt werden. Will man überhaupt mit einem jesua-
nischen Ursprung rechnen, so kann dafür wohl nur eine hypothetisch
zu erschließende Urgestalt in Frage kommen.

Greifswald Günter Haufe

Patte, Daniel: Paul's Faith and the Power of the Gospcl. A Struetural
Introduetion to the Pauline Letters. Philadelphia, Pa.: Fortress
Press 1983. XXIV, 408 S. 8°. Kart. $21.95.

P. hat bereits eine Reihe von Arbeiten zur strukturalistischen Exegese
vorgelegt. Von diesen Arbeiten (und vom herkömmlichen lin-
guistisch-strukturalistischen Vorgehen insgesamt) unterscheidet sich
sein neues Buch in bemerkenswerter Weise. P„ der weiß, daß der Begriff
"struktural" folgende Assoziationen weckt: "complieated and
abstraet figures, technical vocabulary . . . and a disinterest in historical
questions" (XIII), versucht hier zum einen, verständlich zu schreiben,
und zum anderen, über die Textebene hinaus die historische Ebene zu
erreichen. Das Vokabular des Strukturalismus beschränkt P. auf
wenige Ausdrücke, die gut erklärt werden. Das Buch ist somit auch für
denjenigen, der (noch) nicht in die neuen literaturwissenschaftlichen
Methoden der Exegese eingeweiht ist. ohne weiteres lesbar und könnte
sich als Einsticgslektüre in dieses Gebiet eignen. Die Verständlichkeit
des Buches »«• um so erstaunlicher, als der literaturwissensehaftliehc
Haupt-Gewährsmann des Autors Greimas heißt, der sehr schwer zu