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Ausgabe:

1986

Spalte:

355-357

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schürmann, Heinz

Titel/Untertitel:

Gottes Reich - Jesu Geschick 1986

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Lileralurzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 5

356

Der Autor verschweigt nicht manche aus seiner Sicht problematischen
Eletttente in Person und Lebenslauf Edith Steins. Leitend ist
dabei das geistliche Anliegen, den Aufstieg eines suchenden Men-,
sehen zu Gott all denen nahezubringen, die selbst Suchende sind.
Neben vielen betrachtend-medilativen Passagen, die das Werk zu
einem Andachtsbuch höherer Ordnung werden lassen, linden sich
zahlreiche Sachinformationen. Besonders bemüht ist der Autor um
Klärung der Stellung Edith Steins zur Husserlsehen Phänomenologie.
Ersieht hierein Ringen zwischen phänomenologischer Methode und
einem naiven Realismus, das von Edith Stein zugunsten eines kritisch
geläuterten Objektivitätsdenkens entschieden wurde. Die Vertiefung
in die Theologie des Aquinalen erscheint als folgerichtige Konsequenz
dieses Weges. Besondere Aufmerksamkeit findet auch die
Struktur der Steinschen Anthropologie. In Verbindung mit diesen die
Stein-Forschung bereichernden Beobachtungen skizziert der Vf. die
Bedeutung Edith Steins für das katholische Deutschland während der
Lehrerinnenjahre in Speyer (1922-1931) und der Dozentur in Mün-
ster(l932/33).

Den Schwerpunkt des Buches bilden die Jahre im Kölner Karmel
(1933-1938). im Karmel von Echt (1938-1942) und die Deportation
nach Auschwitz (August 1942). Edith Steins Tod in der Ciaskammer
wirdals ..Brandopfer" verstanden (186). In der geistlichen Perspektive
des Autors gilt Edith Stein mit dem Ordensnamen Teresia Benedicta
a Cruce als Teilhaberin am Leidensweg Christi. Die sozial- und gesellschaftsgeschichtliche
Dimension der Vernichtung des europäischen
Judentums, gleichviel, ob es sich (wie im Lalle Edith Steins) um C hristen
jüdischer Herkunft oder um Juden handelte, tritt demgegenüber
in den Hintergrund. So legitim geistliche Biographien sind, so wirkt es
doch auf jenen Leser, der nicht selber in der Frömmigkeit der Karmeliter
steht, etwas irritierend, wenn Auschwitz in erster Linie als Heiligungsstation
auf dem Weg einer Braut des Lammes erseheint. Hier
treten ein Verständnis von Geschichte im neuzeitlich-kritischen Sinn
und das literarische Genre der geistlichen Biographie in ein spannungsvolles
Verhältnis zueinander. Es wäre jedoch eine einseitige
Akzentsetzung, wollte man das Buch nur von dieser Spannung her
rezipieren und bewerten. Der meditativ ansprechbare Leser wird in
ihm viele schöne und bedenkenswerte Stellen linden. Ob es dem
Autor allerdings durchgängig gelungen ist. das Bild Edith Steins in der
ganzen Härte der für das Märtyrerturn des 20. Jh. typischen Konturen
zu zeichnen, bleibt ollen.

Leipzig Kurt Nowak

Neues Testament

Schürmann, Heinz: Gottes Reich - Jesu Geschick. Jesu ureigener
Tod im Licht seiner Basileia-Verkündigung. Freiburg—Basel-
Wien: Herder 1983. 296 S. 8°= Kart. DM 38,-.

-: Gottes Reich - Jesu Geschick. Jesu ureigener Tod im Lieht seiner
Basileia-Verkündigung (Teildruck). Leipzig: St. Benno-Verlag
1985. 134 S.87

Der Band läßt Arbeiten der letzten Jahre zusammen, die sieh mit
den zentralen Fragen des Verständnisses Jesu und der Überlieferung
der fundamentalen Begriffe der Jesustradition ..Reich Gottes" und
..Menschensohn" belassen. Sie sind für den Abdruck zum Teil neu
durchgesehen bzw. leicht überarbeitet sowie durch eine Hinlührung
..Jesu ureigener Tod im Lichte seiner Basileia-Verkündigung" und
einen Ausblick ..Jesu Basileia-Verkündigung und das christologische
Kerygma als Mitte der Schrift" gerahmt. Die Einzelbciträgc sind
durchaus unterschiedlicher Art. Am stärksten unterscheiden sich die
..Beobachtungen zum Mcnschensohn-Titel in der Redequelle"
sowohl formal als auch thematisch von den übrigen Kapiteln. Die
minutiös exegetisch-traditionskritisch arbeitende Untersuchung will
nicht zum Menschensohn-Problcm als solchem Stellung nehmen,
sondern zeigen, daß in 0 al'e Menschensohn-Eogien erst sekundär als

„ZusattWOtte" kommentierend an vorstehende oder nachfolgende
Einzcllogicn angelagert sind. Das ist in der untersten, der ersten
Schicht von Q (s. dazu genauer S. 74111 geschehen, die nachfolgenden
Schichten einschließlich der letzten, der Endredaktion, haben kein
eigenes Interesse an dem Eitel. Auch wenn sich das. wie Sch. betont
(S. 1730. aus der begrenzten Analyse selbst nicht ergibt, rechnet er
(auch sonst) damit, daß der Gebrauch des Titels nicht auf Jesus
zurückgeht. Mithin reflektiert für den gesamten Traditionsbereich
von Q allein ihre erste Schicht das nachöstcrlichc Aufkommen und
den kreativen Gebrauch des Titels ..Menschensohn", danach ist er
hier bereits nur noch Relikt. Geschichtlich ist das nicht leicht zu realisieren
.

Exegetisch fundamental für Sch. ist der Aufsatz über „das Zeugnis
der Redequelle für die Basileia-Verkündigung Jesu"2. Als Eckpfeiler
stellt sich die Bitte des Vaterunser ..es komme vlein Reich" (Ek I 1.2).
verbunden mit vier Oebetsatvrede ..Abba" (die freilich nicht in Q bezeugt
ist), dar. Die Wahrheit des als kommend erbetenen Reiches
erschließt sich von dem Abba her. die Wirklichkeit des Abba ist die
des zukommenden Reiches. Verbunden mit anderen Basileia-Wortcn.
die wahrscheinlich ein ipsissimum verbum Jesu wiedergeben oder
doch die vox Jesu erkennen lassen, ergibt sich für die Verkündigung
Jesu: ..Die zukünftige Basileia" ist ,.das(l.) in den Worten und Wirken
Jesu, besonders aber in seinem Beten (2.) bereits zu-kommende
und an-stehende (3.)eschatologische I [eil des Vaters" (S. 152).

Die anderen Beiträge sind nicht so speziell exegetisch angelegt
(obwohl natürlich von intensiver exegetischer Arbeit getragen), vielmehr
stärker und direkter Auseinandersetzungen über die f rage, oh
und wie Jesus den Tod als Möglichkeit und Wirklichkeit seinem Wirken
hat cinlügen können. Der erste. ..Jesu ureigenes Basileia-Verständnis
" , beschäftigt sich mit der in der gegenwärtigen (katholischen
) Diskussion heftig umstrittenen Frage, ob die Basileia-Verkündigung
Jesu überhaupt Raum für die Erwartung eines möglichen
Todes im Dienste dieser Verkündigung freigab. In tiefgrabenden, zum
Teil ungewohnte Bereiche einbeziehenden Überlegungen erweist Seh.
das Basileia-Verständnis Jesu (das nach ihm ..im eigentlichen . . .
eigenständig im Ursprung und eigentümlich in seiner Ausprägung"
ist. S. 31) als ollen für die Möglichkeit, daß ihr Repräsentant das Mißgeschick
der Basileia in der Welt zu teilen, für dieses selbst einzutreten
hätte. Entscheidend ist dabei die gegenseitig determinierende Verbindung
, in der nach Sch. für Jesus Reit h Gottes und Abba stehen, die in
Wahrheit eine Identität ist. In diese Identität ist übrigens offenbar
auch Jesus selbst als der gegenwärtige Wirker der Basileia einbezogen
gesehen; hier dürfte der eigentliche Grund liegen, warum Sch. für
Jesus den Gebrauch irgendeines ..messianischen" Hoheitstitels nicht
zulassen möchte (und statt dessen ihn ..eine - vielleicht vorstellungsmäßig
gar nicht prädeterminierte und .gefaßte' - Erwartung einer
.Erhöhung' in eine eschatologisehe Hcilbringerslellung" zuspricht.
S. 212). Man kann nicht übersehen, daß Jesus dadurch sehr weit der
religionsgeschichtlichen Welt entrückt wird, in der er wirkt, so sehr
man andererseits dem eigentlichen Ergebnis, daß Jesus die Möglichkeit
des Todes seiner Verkündigung cinlügen konnte, zustimmen
wird.

Der vierte Beitrag. ..Jesu ureigenes Todesverständnis" . nimmt
dieses Problem noch einmal auf. Das. was Sch. zunächst als Möglichkeit
aufgewiesen hatte, wird nun an dem Wirken Jesu, besonders an
seiner proexistenten Grundhaltung, verdichtet in seinem Handeln in
Zeichen und Wort beim letzten Mahl, als Wirklichkeit aufgewiesen.
Jesus hat seinem bevorstehenden Tod einen Heilsbezug gegeben. Hinsichtlieh
des Geschehens beim Abschicdsmahl interpretiert Sch..
Jesus habe ..die Grundbitte seines Lebens: .Abba ... es komme dem
Reich'", in Zusage übersetzt: ..Unser Vater wird euch nunmehr aufgrund
meines Todesdienstes das Heil seines Reiches geben. Anteil an
der Gabe des eschatologischen Mahles" (S. 222). ..Das proexistentc
Verhalten Jesu ist bei aller Diskontinuität das Kontinuum vom verkündigenden
Jesus zum verkündigten Christus" (S. 222).

Der letzte Aulsatz stellt ..Jesu Todesversländnis int Verstehen«-