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Ausgabe:

1986

Spalte:

344-345

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Salomo Israel, König

Titel/Untertitel:

Sapientia Salomonis 1986

Rezensent:

Haendler, Gert

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343

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 5

344

schiede zwischen den Sprachen, besonders zwischen den indogermanischen
(Griechisch) und semitischen Sprachen (Hebräisch und
Äthiopisch), groß, und deshalb kommt gerade hier der Charakter der
Übersetzung am ehesten zum Vorschein. In der Wortwahl und Formlehre
bietet die Übersetzung vielleicht wenige Besonderheiten, in der
Syntax aber manifestiert sich die Übersetzungssprache. Je genauer
dem Original gefolgt worden ist, desto fremder wird die Gestalt der
Übersetzungssprache, aber desto bessere Möglichkeiten gibt es auch
zur Rückübersetzung. Diese Möglichkeiten, meint der Vf., soll der
Wissenschaftler bewußt ausnutzen und sich nicht allein auf seine
Intuition verlassen.

Der wichtigste Teil der Untersuchung besteht aus der Analyse der
Acth von Est 1-8, die dann den weiteren Proben zugrunde liegt. Obwohl
nur ein Nebenprodukt in diesem Zusammenhang, ist die Beschreibung
der Übersetzungstechnik der Aeth, die bis heute wenig
untersucht worden ist, willkommen zu heißen. Es ist besonders interessant
zu beobachten, wie die Aeth, ohne irgendeinen Kontakt mit
dem hebräischen Urtext der LXX gehabt zu haben, jedoch oft zur originalen
semitischen Form zurückkehrt, z. B. hebräische Parataxe -
griechisches pari. coni. - äthiopische Parataxe; hebräische Präpositionen
b'Vl'' - griechischer Dativ - äthiopische Präposition ba/la. In der
Textkritik der LXX darf man natürlich nicht diese rückkehrenden
Semitismen als Beweismaterial für hebraisierende Varianten in der
griechischen Vorlage der Aeth interpretieren. Die Statistiken und Beispiele
der syntaktischen Analyse bieten wichtige Einsichten in die
Aeth, obwohl man denkt, der Vf. hätte auch mehr zu sagen gehabt.
Weitere Beispiele und ein wenigstens bei selteneren Erscheinungen
vollständiges Stellenregister hätten das Gesamtbild in einer nützlichen
Weise ergänzt.

Die Analyse ist jedoch nicht in jeder Hinsicht gelungen. Es ist kaum
sinnvoll, syntaktische Erscheinungen nach den Wortklassen zu klassifizieren
, die je miteinander verbunden und einander subordiniert
erscheinen, nämlich Verb zu Verb, Verb zu Substantiv, Substantiv zu
Substantiv usw. Solche Kategorien haben nichts mit der Arbeitsweise
eines Übersetzers zu tun und sind auch sonst unpraktisch. Erstaunlich
viele Einzelheiten werden ignoriert, z. B. wird gar nicht zwischen den
verschiedenen Präpositionen und deren syntaktischen Funktionen
(S. 36) und nur teilweise zwischen den verschiedenen Konjunktionen
(S. 20-24, 68) differenziert. Andererseits werden zusammengehörende
Fälle in der Klassifizierung unnötig voneinander getrennt, z. B.
werden Fälle, wo ein Infinitiv mit einem kama-SatZ wiedergegeben
ist, an mehreren Stellen behandelt, je nachdem ob sie nach Verb oder
Substantiv vorkommen (S. 15-18, 27-28, 37); Dative werden in
mehrere Untergruppen unterteilt, zugleich aber werden Dative mit
verschiedenen Funktionen zusammen behandelt (S. 41-54). Die Erklärung
der Übersetzungsalternative ist nicht überall sachgemäß, z. B.
ist m. E. die Wiedergabe eines Partizips durch einen Relativsatz eher
von der Zufügung von Bestimmungen zum Partizip als von seiner
lexikalischen Bedeutung abhängig (S. 25-26); daß das griechische
aksioma mit einem Relativsatz wiedergegeben ist, hat m. E. wenig mit
dem darauffolgenden Genitiv zu tun, obwohl das Beispiel unter den
Wiedergaben des Genitiv erscheint (S. 35); als formelhafte Wiedergaben
werden Fälle vorgestellt, die eher wortgetreu nach dem Original
als nach unabhängigen Mustern gestaltet sind (S. 69-80).

Das größte Problem liegt in den vielen Einzelfällen. Obwohl eine
sachgemäßere Klassifizierung wenigstens einige von ihnen miteinander
verbunden hätte (z. B. emna als Wiedergabe von gen. pari. S. 28 u.
34), ist es jedoch nicht möglich, in einer übersetzungstechnischen
Analyse Einzelfälle völlig zu vermeiden, wie immer das Material auch
geordnet sei. Es wäre aber nicht erlaubt, sie mit den besser bezeugten
Äquivalenzen als Grundlage für die generelle Beschreibung der Übersetzungstechnik
und das hieraus erarbeitete System der Rückübersetzung
zu benutzen. Wenn der Vf. in den folgenden Kapiteln seines
Werkes die Übersetzungstechnik und Rückübersetzung demonstriert,
indem er das äthiopische Est 9 aus dem Original und das griechische
Est 10 aus der Übersetzung vorauszusagen versucht, notiert er auch

selbst schwache Punkte in seinem System gerade da, wo das Material
zu spärlich oder nicht korrekt analysiert war (z. B. S. 149 enza. 1 53
Wortfolge). Um mit der Sache weiterzukommen, schlägt der Vf. vor,
man sollte mit einem Computer arbeiten.

Welche Gültigkeit haben dann die Flrgebnissc dieses Werkes muta-
tis mutandis für die Rückübersetzung der LXX ins Hebräische? Wenn
es im großen ganzen bestätigt wird, daß die Rückübersetzung mit einiger
Wahrscheinlichkeit möglich ist, muß man es wohl glauben! In
Einzelheiten ist aber die Beziehung der beiden Übersetzungen zu
ihrem Original sehr unterschiedlich. Nicht zuletzt sollte man hier die
unterschiedlichen Charaktere der betr. Sprache beachten. Wenn die
Originalsprache (Hebräisch) über einfachere syntaktische Mittel verfügt
, ist die geschmeidigere Sprache der Übersetzung (Griechisch)
wohl imstande, variierende Wiedergaben zu bieten, bei der Rückübersetzung
aber werden die begrenzten Möglichkeiten der Originalsprache
die Arbeit erleichtern. Die Voraussetzungen für die Rückübersetzung
ins Hebräische dürfen dann wohl günstiger sein als für die
ins Griechische. Davon ist die Rez. jedoch immer stärker überzeugt,
daß übersetzungstechnische Studien und Rückübersetzung nicht
mechanisch nach gegebenen Regeln zu betreiben sind. Auf diesem
Gebiet muß der Wissenschaftler ständig bereit sein, sich aufs neue zu
orientieren und vielseitig alle Möglichkeiten zu erwägen. Die zahlreichen
Einzelfalle und die vielen unterschiedlichen Faktoren, die auf
die Entscheidung des Übersetzers haben einwirken können, erlauben
einem nicht, nur statistisch zu arbeiten. Man muß versuchen, so zu
denken wie der Übersetzer.

Hyvinkää Anneli Aejmclaeus

Vetus Latina. Die Reste deraltlatcinischen Bibel nach Petrus Sabatier
neu gesammelt und in Verbindung mit der Heidelberger Akademie
der Wissenschaften hg. von der Erzabtei Beuron. 11/1: Sapientia
Salomonis, hg. von W. Thiele. 7. Lfg.: Sap 13,1 -18,18. S. 481 -560.
Freiburg/ Br.: Herder 1984. gr. 8°.

Über den Stand der Vetus Latina informierte zuletzt ThLZ 110,
1985, 29. Mit der genannten Lieferung erscheint der 28. Arbeitsbericht
der Stiftung (= 17. Bericht des Instituts). Das Vctus-Latina-
Institut wurde in zweifacher Weise zusätzlich abgesichert: Am
1.1. 1984 wurde es in das Forschungsprogramm der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften einbezogen. Ein neu gegründetes Cen-
tre de recherches sur la Bible latinc an der Katholischen Universität
Löwen wurde der Vetus Latina assoziiert. „Damit ist eine wesentlich
breitere Arbeitsbasis für die Erforschung und Darstellung der Vetus
Latina geschaffen, deren Bedeutung als einzigartiges kulturelles Erbe
schon wegen der ungewöhnlichen Dimension ihrer Materialien europäische
Zusammenarbeit notwendig macht" (Arbeitsbericht, S. 32).

Die vorgelegte 7. Lieferung von Sap 13-18 umfaßt mit 137 z. T.
recht langen Versen einen relativ großen Abschnitt. Es ergibt sich der
Tatbestand, „daß von den Kirchcnschrirtstcllcrn nur selten einmal ein
Vers aus dem letzten Drittel des Buches zitiert wird: Der Zeugenapparat
der Ausgabe kann für die 6 Kapitel der Lieferung kaum 450 Zitate
und Anspielungen namhaft machen . . ." (Arbeitsbericht, S. 28). Die
späteren Kapitel des Weisheitsbuches sind also weniger zitiert worden
als die früheren. Über die Gründe werden Vermutungen angestellt:
Offenbar „bildet die in diesen Abschnitten nicht einfache und in Einzelzügen
oft nur mit Mühe verständliche Gedankenführung das entscheidende
Hemmnis gegen eine häufige Anführungdes Textes; hinzu
mag kommen, daß die gleichen Themen aus anderen biblischen
Büchern .leichter' zu entnehmen waren" (Arbeitsbericht, S. 28). An
der lateinischen Übersetzung der Sapientia Salomonis wird herbe Kritik
geübt: Einzelworte wurden nicht erläßt, ganze Sätze wurden falsch
verstanden. „Manchmal wird die lateinische Formulierungeines Verses
nur dann verständlich, wenn man auch den zugrundeliegenden
griechischen Text kennt" (Arbeitsbericht. S. 29). Mit der abschließenden
Lieferung 8 der Weisheit Salomos soll Band 11/1 vollendet werden
. Daran soll sich nahtlos Band I 112 anschließen, für den das Buch