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Ausgabe:

1986

Spalte:

342-344

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Miles, John Russiano

Titel/Untertitel:

Retroversion and text criticism 1986

Rezensent:

Aejmelaeus, Anneli

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 5

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auf Sachlichkeit. Ob dieses Streben ihm freilich immer gelingt, ist eine
andere Sache.

Vf. bemerkt, daß mormonische Autoren zum Thema „Totentaufe
" im Wesentlichen drei Bibelstellen heranziehen (IKor 15,29;
IPetr 3.18f. 4,6; Mal 4,50- Hier hätte er auch Joh 3,5 erwähnen sollen
, denn dieser Vers spielt eine große Rolle. Zwar ist es klar, daß die
Totentaufe im Urchristentum eine Randerscheinung war, von der wir
nurim Zusammenhang des korinthischen Sakramentalismus und später
bei Gnostikern hören. Aber es läßt sich kaum leugnen, daß der
Mormonismus hier ein echtes heilsgeschichtliches Problem aufgegriffen
hat, das im NT so gut wie übergangen wird: Können die vor Christus
Gestorbenen des Heils teilhaftig werden und wie? Mormonische
Autoren gehen von der absoluten Notwendigkeit der Wassertaufe
aus, wie sie in Joh 3,5 tatsächlich geltend gemacht wird, und kombinieren
damit in erlinderischcr Weise die ntl. Erwähnung der Totentaufe
1 Kor 15.29. Interessanterweise kam schon Hermas (sim. IX 16)
unter ausdrücklichem Hinweis auf Joh 3,5 zu einer verwandten
Lösung: Auch die alttestamcntlichen Gerechten können erst dann des
Heils teilhaftig werden, wenn sie getauft worden sind. Zu diesem
Zweck hätten die Apostel und Lehrer nach ihrem Tode in der Unterwelt
gepredigt und getauft. Nur wird hier nicht an 1 Kor 15 angeknüpft
, sondern an das Vorbild Jesu in IPetr. Auch wenn mormonische
Theologie befremdlich vorkommen sollte, kann auch ein
anders Denkender hin und wieder die dahinter stehenden Fragen als
dringend anerkennen und sich so zum Weiterdenken anregen
lassen.

Helsinki Heikki Räisäncn

Rolston, Holmes III: Religious Inquiry - Participation and Detach-
ment. New York: Philosophical Library 1985. XIV, 309 S. 8*. Lw.
$22.50.

Vier große Gelehrte in-je ihrer Religion werden verglichen: Augustin
, Ghazali, Nagarjuna und Shankara. Daraus wird so etwas wie eine
allgemein-religiöse Erkenntnistheorie entwickelt, die sich stellenweise
wie ein Erbauungsbuch liest.

Das Interesse, das den Menschen des Westens meist leitet, wenn er
andere Religionen zur Kenntnis nimmt, ist vergleichender Natur.
Man fragt, was andere Religionen zu bestimmten Themen sagen: zur
Sexualität, zur Arbeit, zum Menschenbild, zum Weltfrieden, und gewinnt
so Material und Kontraste für die eigene Meinung, sei sie religionskritisch
oder religionsfreundlich.

Und nur in so einer „versachlichenden" Distanz ist es im amerikanischen
staatlichen Bildungssystem wegen der Trennung von Staat
und Kirche möglich. Religion wissenschaftlich zu thematisieren.

Roistons Werk hebt sich durch seine Fragestellung und die Qualität
der Durchführung weit über den Durchschnitt gegenwärtiger vergleichender
Studien heraus, so daß es sich lohnt, darauf einzugchen.

Die Fragestellung sucht Gemeinsamkeiten des Weges zur religiösen
Erkenntnis und zur religiösen Zielverwirklichung. Mit Bedacht sind
nicht die Texte von und über die Gründer der vier Religionen (Christentum
. Islam. Buddhismus und Hinduismus) gewählt, sondern herausragende
Gestalten, die ebenso sehr Reformer wie Theoretiker
waren; Gestalten, die in einer Geschichte der Philosophie ebenso
'hren Ort haben wie in einer Geschichte der Religionen. Zugleich
auch Personen, deren Reflexion auch ihre eigene Suche und Pilgerfahrt
existentiell durchscheinen läßt.

Kapitel 1 skizziert den Pilgerpfad (ein typischer Ausdruck) der vier
Gestalten und betont, daß religiöse Erkenntnis nur durch Partizipation
zu gewinnen ist. Kapitel II sucht die Art dieser Partizipation
näher zu bestimmen. Die Tugenden der Liebe, des Vertrauens, der
Reinheit und der Demut finden sich bei allen vier Gestalten als
wesentlich für den Fortschritt, genauer das Fortschreiten in religiöser
Erkenntnis. Dabei zeigt sich, daß zur Teilhabe eine scheinbar entgegengesetzte
Haltung kommen muß: Detachment - das von sich
selbst absehen. Kapitel III geht der Bedeutung der Sprache nach; ein
wahrnehmendes und ein einordnend-benennendes Element: (pereep-
tual and conceptual) stehen in Spannung zueinander, sind unverzichtbar
und doch begrenzt. Hier zeigt sich, daß der Vf. der religiösen Erfahrung
(vornehmlich des Einzelnen) Realitätscharakter zuerkennt.
Kapitel IV behandelt die subjektive Seite und die objektive Seite des
religiösen Such-weges. Hier wird deutlich, daß der Vf. die Religionen
deshalb in dieser Weise vergleichen kann, weil er die mystische Komponente
herausstellt: Der Sucher verbindet sich mit. verliert sich in
dem Gesuchten.

Kapitel V wendet sich der Frage des interreligiösen Verstehens zu.
"Understanding and undergoing", verstehen und erfahren sind die
Stichworte, von denen aus eine Art Stufenleiter der Annäherung entworfen
wird, je nachdem, ob der Fragesteller ohne eigene Religiosität
bleibt, seine eigene Religion erforscht oder eine ihm fremde. Die
Grenzen des Urteilens und Verstehens werden im sechsten Kapitel
markiert, das aufzeigt, wie das Verständnis von außen oder durch
Kontakt von dem Verständnis des Anhängers sich abhebt; Grenzen
möglichen Dialogs werden sichtbar; dazu auch die Tatsache, daß das
inzwischen erworbene säkulare Wissen die Religionen zur Reinter-
pretation nötigt. Das abschließende Kapitel behandelt die Thematik
des Lernens und Lehrens von Religion, wiederum abgestuft von
außen nach innen. Jedes redliche Lernen, das eigene Veränderung auf
sich nimmt und die existentielle Dimension nicht ausklammert, ist
religiös; und so habe z. B. eine Universität dieser Dimension Raum zu
geben, ohne daß sie dabei zu einer konfessionellen oder religiösen Einrichtung
werden müsse.

Die Sprache des Vf. nutzt kunstvoll die Möglichkeiten des Englischen
(und Lateinischen) zur nuancenreichen Begriffsbildung aus;
der Abstraktionsgrad ist erheblich. Das macht die Lektüre mühsam;
aber sie ist ergiebiger als viele andere zum Thema Dialog der Religionen
. Die methodische Grenze des Buches liegt in seinem Abstand von
den Sozialwissenschaften; der Mensch, den er vor Augen hat, ist weniger
Sozialwesen als Einzelner.

Erlangen Niels-Peter Moritzen

Bibelwissenschaft

Mliles, John Russiano: Retroversion and Text Criticism. The Predict-
ability of Syntax in an Ancient Translation from Greek to Ethiopic.
Chico. CA: Scholars Press 1985. XI, 212 S. 8" = SBL. Septuagint
and Cognate Studies Series, 17. Kart. $ 10.95; Lw. $ 16.50.

Rückübersetzung und Textkritik ist ein Begriffspaar, das man gewohnt
ist. mit der heutigen LXX-Forschung und ihrer Bemühung um
die hebräische Vorlage der LXX zu verbinden. Obwohl das vorliegende
Werk von J. R. Miles - eine Harvard-Dissertation aus dem
Jahre 1971 - gerade an dieser Diskussion teilzunehmen beabsichtigt,
handelt es sich hier um die äthiopische Übersetzung (= Aeth) des
Buches Est, also um eine Tochterübersetzung der LXX. Es geht zunächst
darum, die theoretische Grundlage einer Rückübersetzung zu
überprüfen. Die Arbeit könnte am besten als Übung in Übersetzungstechnik
und Rückübersetzung bezeichnet werden.

Der Vf. geht von der richtigen Feststellung aus. daß die erfolgreiche
Verwendung eines Übersetzungstextes zur Textkritik am Original
immer eine genaue Kenntnis der Übersetzungstechnik der betr. Übersetzung
voraussetzt. Nur soweit man den Weg des Übersetzers vom
Original zur Übersetzung kennt, kann man denselben Weg in die umgekehrte
Richtung gehen und somit die Vorlage zu erreichen hoffen.
Diesen Weg wünscht der Vf. zu systematisieren, indem er "syntac-
tion", d. h. ein syntaktisches Lexikon der verschiedenen Übersetzungsweisen
aufzustellen versucht.

Die syntaktischen Äquivalenzen einer alten Übersetzung sind in
vielerlei Hinsicht interessant. Im Bereich der Syntax sind ja Unter-