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Ausgabe:

1986

Spalte:

340-341

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hauth, Rüdiger

Titel/Untertitel:

Tempelkult und Totentaufe 1986

Rezensent:

Räisänen, Heikki

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 5

340

jüdischen Toraverständnisses. Dort, wo die Christologie nicht in alt-
testamentliche Verheißungen eingebettet ist, wird das Christentum
leicht zur Ideologie, die sich heidnischen Kategorien öffnet. Friedrich-
Wilhelm Marquardt analysiert den Begriff „Theopolitik" von Martin
Buber (S. 1970). Von diesem Begriffner ist auch Bubers Zionismus zu
verstehen (vgl. das Buber-Zitat: „Es geht darum, die Idee da zu wahren
, wo es am schwersten ist, in der Vermengung ..."). Wolfram Liebster
beschreibt mit der Position von Franz Rosenzweig, die Miskotte
der holländischen Theologie und Kirche vermittelte, die Situation des
christlich-jüdischen Gesprächs in den Niederlanden (S. 209ff). Heinz
Kremers Studie „Juden und Christen sind Zeugen Gottes voreinander
" (S. 237fT) stellt sich dem Problem einer nicht-antijüdischen Christologie
, u. a. mit der Frage. Wie soll das Zeugnis aussehen, das an die
Stelle der Judenmission tritt?

Weitere Studien des Teils II: Wolfgang Schräge: Israel nach dem Fleisch
(IKor 10, 18, S. I43IT), Hans-Joachim Barkenings: Und wenn mein Kampf -
mein Sieg wird? L. Ragaz und M. Rade als Leser von Hitlers „Mein Kampf
(S. 223fT). Kurt Scharf: „Woistdein Bruder Abel?" (S. 247ff).

Teil III enthält „Reflexionen theologischer Tradition". Jürgen
Moltmann parallelisiert kabbalistische Aussagen zur Selbstverschrän-
kung Gottes (zimzum) mit der Selbsterniedrigung Gottes am Kreuz
(S. 2591T). Dietrich Neuhaus stellt vom jungen Barth ausgehend die
Frage: „Ist prophetische Kritik instituiionalisierbar?" Nach Neuhaus
hat Barth die Institutionalisierbarkeit mit Kirchenkritik zu erreichen
versucht, und darum ist es konsequent, wenn der prophetische Barth
zum Dogmatiker wurde: Dogmatik ist kirchliche Aufgabe, die aber
Kritik impliziert (S. 305flf). Christian Links Bemerkungen zur Frage
der Theodizee (S. 339ff) setzen mit einem Kraus-Zitat ein: „Unter der
Verheißung wird nicht mehr zurückgeschaut. Überwunden ist die
Theodizee". Nach Link ist die objektiv gestellte Theodizeefrage
unlösbar. Dadurch aber, daß der biblische Gott (Hiob, Kreuz) in die
Situation des Menschen hineinkommt, „... haben wir nur die Möglichkeit
zu fragen, wie seine Nähe sich in dieser Situation auswirkt,
wie die Situation selbst sich über dieser Nähe wandelt". Bertold Klappert
analysiert Barths Stellung zu den Massenvernichtungsmitteln
(„Der Aufstand gegen das Nichtige", S. 365IT). Nach Barth können
solche Vernichtungsmittel kein Instrument eines Rechtsstaates sein.
Diese Position wäre auch als Aktualisierung von Barmen zu verstehen
.

Weitere Studien des Teils III: Hans Helmut Esser: Zur Anthropologie Calvins
. Menschenwürde - Imago Dei zwischen humanistischem und theologischem
Ansatz (S. 269 fT), Hans-Georg Geyer: Luthers Auslegung der Bergpredigt
(S. 283 fT), Helmut Gollwitzer: Die Bergpredigt in der Sicht Luthers
(S. 2951T), Helmut Thielicke: Was ist Theologie? (S. 319fT), Michael Weinrich:
Grenzen der Erinnerung. Historische Kritik und Dogmatik im Horizont Biblischer
Theologie (S. 327fT), Werner Schneider: Staats- und Gesellschaftskritik
als politische Verantwortung der christlichen Gemeinde. Überlegungen zum
Verhältnis von Kirche und Staat im Anschluß an Karl Barth (S. 353 IT).

Noch Hinweise auf Teil IV: Zeugnisse in Kirche und Gesellschaft.
Manfred Josuttis schreibt über die „Bibel als Basis der Predigt"
(S. 385fT). Er sieht in der Predigt ein Grundmuster menschlicher
Kommunikation, und darum kann er sie mit der themenzentrierten
Interaktion von Ruth Cohn vergleichen. Diese Methode bringt die
drei Pole Ich-Gruppe-Thema in eine Balance und arbeitet die Störungen
dieser Balance auf. Meine Frage: Müßte dann eine Predigt nicht
auch in einer Gruppe erarbeitet werden? Joachim Guhrts Thema lautet
: „Situationsbezogenes Bekennen der Kirche. Der Status confessio-
nis am Beispiel der Südafrika-Entscheidungen des Reformierten Weltbundes
" (S. 441 ff). Der Autor zeigt den Übergang vom Bekenntnis der
reinen Lehre zum Bekennen im Rahmen kirchlicher und gesellschaftlicher
Praxis. Seine Beispiele: Bonhoeffer zur Judenfrage, das Nein zur
Atombewaffnung um 1950, die Erklärung des Moderamens des
Reformierten Bundes von 1982 zur Friedensfrage, die Erklärung des
Reformierten Weltbundes zum Rassismus (Ottawa), die zur Suspendierung
von zwei reformierten Mitgliedskirchen in Südafrika führte.

Solches Bekennen ist kein Verdammen, sondern Ruf zur konkreten
Anwendung des Evangeliums in bestimmten Situationen!

Weitere Studien in Teil IV: Helmut Tacke: „Verheißung" in den Predigtmeditationen
H. J. Iwands (S. 395fT). Karl Halaski: Unordentliche Anmerkungen
zur Ordnung des Gottesdienstes (S. 405ff). Manfred Wichelhaus: Kirchengemeinden
und Bürgergemeinden in Wuppertal (S. 415IT), Alasdair Heron: Das
reformierte Zeugnis: Erbe oder Herausforderung? Gedanken aus der Confessio
Scoticana (1560, S. 431 fT), Samuel Amirtham: Theological education in an ecu-
menical perspective (S. 453fT), Walter Kreck: Politische Stellungnahmen in
Theologie und Kirche. Bemerkungen zu einem umstrittenen Thema (S. 463ff),
Johannes Rau: Anmerkungen zur politischen Diskussion in der christlichen
Gemeinde (S. 489fT), Wolfram Braselmann: Predigt über Matthäus 20,1-16
(S. 49311), Martin Stöhr: Gottesrecht - Menschenrechte (S. 497 IT). Helmut
Hild: Die Botschaft vom Kreuz - eine Kraft für die Zukunft (S. 50711), Hans-
Rudolf Müller-Schwefe: „Nicht widerstreben dem Übel" - was heißt das?
(S. 517fT). Lothar Steiger: Das Leben wählen. Predigt über 5Mosc 30,15-20
(S. 52311).

Wien KurtLüthi

Religionswissenschaft

Hauth, Rüdiger: Tempelkult und Totentaufe. Die geheimen Rituale
der Mormonen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
1985. 176 S. 8° = Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern, 777.
Kart. DM 14,80.

In diesem klar geschriebenen, für ein breiteres Publikum bestimmten
Band wird erstmalig der Wortlaut der mormonischen Tempelrituale
(in einer deutschen Übersetzung des Vf.) veröffentlicht. Es handelt
sich um die Totentaufe, das "Endowment" (Begabung bzw. Ausstattung
, u. a. mit gewissen Kleidungsstücken im Rahmen zeremonieller
Handlungen, wozu auch Belehrungen und geheime Zeichen
gehören), die Siegelung der Tempelehe und die Siegelung der Kinder
an die Eltern. Für Mormonen gilt in diesen Sachen ein strenges Geheimhaltungsgebot
; vieles, was im Tempel geschieht, darf außerhalb
des Tempels nicht besprochen werden. Das Material in diesem Buch
stammt von ehemaligen Tempelarbeitern (Amtierende beim Ritual)
der Tempel in Salt Lake City und in Los Angeles, die die vorliegenden
Dokumente in ihrer Urform als Tonbandkassetten dem Autor zugänglich
machten und in Gesprächen erläuterten.

Nach einer kurzen geschichtlichen Orientierung über den Mormonismus
(1 1-45) folgt der eigentliche Hauptteil des Buches, der den
Text der Rituale umfaßt (46-108). Es liegt in der Natur der Sache, daß
dabei die meisten Seiten dem "Endowment" gewidmet sind, wo der
Text zu einem Film über die Schöpfung Adams durch Elohim Jehova
und Michael einen breiten Raum einnimmt. Vom Gesichtspunkt
eines Außenstehenden enthalten die geheimen Rituale nichts Sensationelles
, geschweige denn Anstößiges. Dagegen gewähren sie einen
dramatischen Einblick in Aspekte mormonischer Theologie.

Der Schlußteil besteht aus einem „Kommentar zu den Ritualen"
(109-172). Hier unternimmt der Vf. eine kritische Besprechung der
mormonischen Tempelinstitution im allgemeinen und der Rituale im
besonderen. Als Maßstab seiner Kritik gilt die Bibel, wobei auch
historische Exegese zu Wort kommt. Zum Schluß charakterisiert er
den Mormonismus treffend als eine „eigenständige, amerikanische
Mischreligion". Außer den „patriotisch-amerikanischen" Zügen lassen
sich als Bestandteile Elemente erkennen, die folgende Eigenschaften
aufweisen: Neuoffenbarung, „altjüdisch", gnostisch, Science-
fiction, esoterisch, freimaurerisch (u. a. die Erkennungszeichen),
okkult-magisch (das im Ritual des "Endowment" erhaltene „Priester-
tumsgewand" als Amulett gegen böse Mächte) (170f). Als evangelischer
Christ stellt der Vf. verständlicherweise fest, daß es ihm kaum
möglich ist, eine positive Stellung zu einem System zu gewinnen, das
„auf unbiblischrunchristlichen Elementen und wild wuchernder
menschlicher Phantasie basiert" (172). Trotzdem ist seine Darstellung
keineswegs durch bloße Polemik bestimmt, sondern zielt durchaus