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1986

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Systematische Theologie: Ethik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

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doch noch gestellt werden. Es entspricht nicht dem Stand der heutigen
ethischen Diskussion, wenn hier katholische und protestantische
Position zu den ein/einen ethischen Themenbereichen unabhängig
voneinander vorgestellt und ihre starken Querverbindungen und
gegenseitigen Annäherungen nicht deutlich gemacht werden. Das
liegt an der Anlage des Ganzen, weil Katholizismus und Protestantismus
wie verschiedene Religionen behandelt werden. Gerade bei
einem Band, der als ..Handreichung für den Religionsunterricht der
Oberstufe und für die Erwachsenenbildung" empfohlen wird, ist es
verwirrend, wenn die konfessionellen Besonderheiten im Christentum
in den Rang von Unterschieden zwischen religiösen Traditionen erhoben
werden. Angesichts der vielen Gemeinsamkeiten, die katholische
und evangelische Ethik heute im Gespräch entdecken, wäre es sachgemäßer
, jeweils die christliche Tradition in einem einzigen Kapitel zu
behandein und in diesem größeren Zusammenhang auf die konfessionellen
Abweichungen hinzuweisen, wie das z. B. in den Abschnitten
über den Buddhismus geschieht.

Es ist sehr zu begrüßen, daß in den Bänden dieser Reihe den
Wechselbeziehungen zwischen ethischen Normen und religiösen Traditionen
nachgegangen wird. Dadurch kann die Einsicht in die Bedingungen
ethischer Theoriebildung wie in die Folgen religiöser Sozialisation
vertieft werden.

Leipzig Joachim Wiebering

Bonhocffer. Thomas: (ieschlechtlichkcit in der Ciottcslehrc (WzM 37. 1985,
295-298).

Daecke. Sigurd: Friede mit der Natur. Zur theologischen Begründung der
Umwcltethik(F.vKomm 19, 1986.8-11).

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Enteis, Dieter: Jesus Christus - Lehrer des Lebens. Katechetische
Christologic. Frciburg-Basel-Wien: Herder 1985. 197 S. 8°. Kart.
DM 19,80.

Dieter Emcis' „Katechetische Christologic" ist in der gegenwärtigen
Situation von Kirche und Theologie ein wichtiges und notwendiges
Buch. Angesichts der fortschreitenden religiösen Pluralisierung
unserer Gesellschaft, die sich einerseits im Aufkommen von immer
neuen Religionen und Sinn-Angeboten, andererseits in fortlaufenden
Kirchenaustritten und einem Rückgang der Kindertaufen dokumentiert
, ist es für das Überleben des christlichen Glaubens entscheidend
wichtig, sich auf das Fundament zu besinnen, das ihm in der Jesusgestalt
gegeben ist.1 Mit diesem Fundament und aus diesem Fundament
heraus konnte sieh einst - in einer ebenso religiös-pluralen Welt
und Gesellsehalt - der christliche Glaube entfalten und seine Kraft bezeugen
; auch eine Erneuerung christlichen Denkens und Lebens
heute kann nur von diesem Fundament aus erfolgen. Die Enzyklika
Papst Johannes Paul II. „Über die Katechese heute"2, die sich in besonderer
Weise der Aufgabe zuwendet, wie unter den Bedingungen
der gegenwärtigen Welt und Gesellschaft der christliche Glaube weitergegeben
werden kann, übersehreibt ihr erstes Kapitel mit dem Satz
„Unser einziger Lehrer ist Jesus Christus", wovon Dieter Emcis den
Titel seines Buches genommen hat (S. I I).

Allerdings greift Dieter Emcis die in der Enzyklika enthaltene
Unterscheidung zwischen einer „Evangelisation", die den noch nicht
zum Glauben gekommenen Menschen „für ein umfassendes Ja zu
Jesus Christus" aufzuschließen sucht, und der „Katechese", die den
zum Glauben Gekommenen dazu „anleiten" soll, „das Geheimnis
Christi in all seinen Dimensionen zu erforschen"4, nicht auf. Sie wäre
gerade Für die Situation des schulischen Religionsunterrichts in der
Bundesrepublik Deutsehland, der heute weitgehend „Evangelisation"
sein muß. bedeutsam gewesen. Von ihr aus wäre eine missions- und
religionspädagogische Christologic in den Blick gekommen, die sich

zwar in vielen Punkten mit der Emeis'schen „Katechetischen Christologic
" berührt, aber doch (von der anderen Zielsetzung her) andere
Akzente setzt und keineswegs mit ihr identisch ist.

In einer längeren „Begründung und Einführung" stellt Emeis die für
seine „Katechetisehe Christologic" theoretisch wichtigen Prinzipien
dar. Zuerst wird das schon genannte Prinzip entfaltet, daß die Person
Jesu Christi die eigentliche „Lehre" der Katechese ist, daß deren
Wahrheit in der Wahrheit des Lebens besteht, das dieser Jesus
erschlossen hat und daß „Reichtum" darin besteht, die eine Botschaft
von diesem wahren Leben zu entfalten und im katechetischen Lehren
und Lernen eine Begegnung mit dem Geheimnis dieser Person und
dieses Lebens zu ermöglichen. Das zweite ebenso grundlegende Prinzip
einer „Katechetischen Christologie" besteht in der Zielsetzung
dieser Katechese, dem je einzelnen Menschen durch die Christusbegegnung
eine Hilfestellung dafür zu geben, daß sein Leben gelingt
(S. 19f in Anlehnungan das Arbeitspapier „Das katechetische Wirken
der Kirche" der Würzburger Synode). Katechese, die in ihrem Kern
immer Christuskatechesc ist, ist eine „Hilfe zur Wahrnehmung, Annahme
und Bewältigung" von Lebenssituationen (S. 24t) und ruft den
einzelnen Menschen von seiner je eigenen Lebensgcschichtc her in
Erfahrungen mit jenem Gott, den Jesus ihnen ersehließt, hinein.
Dadurch, daß Menschen „Jesus seinen Gott und Vater glauben"
(S. 44) und sich wie Jesus und in der Nachfolge Jesu auf eine Geschichte
mit diesem ihnen durch Jesus erschlossenen Gott einlassen,
werden sie zu Christen. Sich (unter sachkundiger Anleitung) auf dem
Weg dieser Geschichte, die ihre Lebensgeschichte ist, miteinander
auszutauschen und dadurch den durch Jesus vermittelten Gott als
ihnen allen gemeinsam und in je größerer Dichte und Tiefe zu erfahren
, heißt Katechese. Das aus der Sympathie mit den Menschen eines
bestimmten Lebenskreises (Hauptschüler, Senioren, Brautleute usw.)
entspringende gemeinsame Nachdenken ist der „zentrale katechetische
Impuls" (S. 400-

In einem zweiten größeren Kapitel wird dann „die Katechese Jesu"
entfaltet. „Christen glauben Jesus seinen Gott und Vater" ist die
schon genannte ..Grundstruktur des christlichen Glaubens" (S. 43IT),
die es in der heutigen Glaubenssituation neu zu sehen und zu realisieren
gilt. Sie ergibt sich aus dem „Inhalt der Katechese Jesu" (S. 55fT).
die in der Zusage der (in seinem Wirken anbrechenden) Gottesherrschaft
an Israel als ein „Volk der .Armen', der .Hungernden' und der
.Weinenden'" besteht. Auf unsere heutige Situation übertragen ist
dies die Zusage, daß menschliches Leben erneuert, geheilt und aufgerichtet
wird (S. 64). Diese Zusage trifft auf die in jedem Menschen
angelegte Sehnsucht nach umfassendem Heil. Die katechetische
Grundfrage ist, wo und wie wir heute Erfahrungen mit dieser in uns
angelegten Sehnsucht und anfanghaft auch schon Erfahrungen mit der
Erneuerung, Heilung und Aufrichtung menschlichen Lebens machen.
Dieser katechese-didaktischen Grundsatzfrage entsprechend gilt es an
individuellen Lebenssituationen, an der Situation einer Familie.
Gruppe oder Gemeinde (S. 67) anzusetzen. Von daher müßte eigentlich
„eine katechetische Christologic für eine bestimmte katechetische
Gruppe (oder sogar mit einer Gruppe) eines bestimmten Alters, mit
bestimmten sozio-kulturellen Voraussetzungen, mit einer bestimmten
bisherigen Glaubensgeschichte und mit bestimmten Begabungen
und Schwierigkeiten entworfen werden.

Eine solche katechetische Christologie muß narrativen Charakter
haben: „Die Lehre, die die Katechese zu vermitteln hat, besteht nicht
in einem von der Person Jesu Christi abtrennbaren System von Sätzen
über Gott, die Welt und den Menschen, sondern im erzählenden
Zeugnis davon, wie uns in einem Menschenleben mitgeteilt wird, was
das Geheimnis unseres Lebens ist" (S. 12) . Zum Inhalt der Katechese
Jesu gehören auch Kreuz und Auferweckung. Sie bilden gleichzeitig
die Krise und die Bestätigung der Katechese Jesu (S. 79IT). In der
Annahme seines Geschicks und im vertrauensvollen Durchleiden des
Todes, das zur Auferweckung führt, lehrt Jesus den Menschen an
einen Gott und Vater glauben, der „seine machtvoll rettende Nähe"
(S. 81) im Leiden und Sterben Jesu verbarg, aber in der Auferweckung