Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

307-308

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Lange, Dietz

Titel/Untertitel:

Erfahrung und die Glaubwürdigkeit des Glaubens 1986

Rezensent:

Mildenberger, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

307

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 4

308

dem Vf. übereinzustimmen, um sagen zu können, daß dieses weit aus- er das dem Leser freilich so oft und ohne weitere Begründung mitholende
Lehrbuch der Dogmatik Theologie wie Kirche zu neuer teilen muß, ist mir nicht klargeworden.

Erlangen Friedrich Miklenherger

Gesprächsfahigkeit angesichts einer außerordentlich selbstbewußt
gewordenen Zeitgenossenschaft verhelfen wird.

Berlin (West) Johannes Wirsching

Gicrtz, Bo: Die Kirche Jesu Christ. Ubers, von G. Ruprecht. 2. Aull. Erlangen
: Martin-Luther-Verlag 1985.239 S. 8". geb. DM 22,-.

Kahner. Karl: Bilanz des Glaubens. Antworten des Theologen auf Fragen
Lange, Dietz: Erfahrung und die Glaubwürdigkeit des Glaubens. unserer Zcit hg von ,, Imhof München: Deutseher Taschenbuch Verlag
Tübingen: Mohr 1984. XIV, IIIS. gr. 8° = Hermeneutische Unter- |9g5 354 s u g. Kar( DM ]4 gn
suchungen zur Theologie, 18. Kart. DM 39,-.

Die Abhandlung Langes geht auf einen Vortrag zurück. Der Vf. hat

in der Veröffentlichung sorgfältig alle Abhängigkeiten, Beziehungen, Sj/StematiSChe Theologie: Ethik

Anspielungen und polemischen Abgrenzungen seines Gedankenganges
nachgewiesen und zusätzlich durch ein Namens- und Sachregister Klöcker, Michael, u. Udo Tworuschka [Hg.]: Ethik der Religionen -
erschlossen. Trotzdem frage ich mich, ob eine Veröffentlichung in der Lehre und Leben. Bd. I: Sexualität. Unter Mitarb. von B. Datta,
ursprünglichen Form des Vortrags dem Entwurfscharaklerder Darlc- P. Gertitz, P. Nave, M. Levinson, F. Trzaskalik, M. Tworuschka.
gungen nicht angemessener gewesen wäre. Denn eine zureichende D. Zilleßen. 219 S. Bd. 2: Arbeit. Unter Mitarb. von A. v. Dijk.
Begründung der Position wie der Polemik kann in dem schmalen P- Gerlilz< R- Kramer, F. Trzaskalik, M. Tworuschka, M. Ubelhör.

I. Wachten. 158 S. München: Kösel; Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1985. Kart, je DM 19,80.

Band nicht gegeben werden; andererseits aber besteht die Gefahr, daß
die vielfältigen Nachweise den Leser eher ablenken und die Aufgabe

des Nachdenkens unangemessen erschweren. Mit dieser Reihe, in der weitere Bände folgen sollen, ist beabsich-

Das Ziel lautet, als Frage formuliert: „Kann man von einer Gottes- tigt, an konkreten Themenbereichen die konstitutive Bedeutung der
erfahrung sprechen, die weder mit einer menschlichen Erfahrung-sei - Religionen für die Ethik zu erläutern. Die Hg. sind Leiter des „Inter-

es einem Ausnahmezustand oder der gewöhnlichen Lebenserfahrung disziplinären Instituts für Rcligionsgcschichtc" in Bad Münstereifel

- identisch ist noch als dogmatische Abstraktion ohne wirkliche und wollen durch den Vergleich der großen religiösen Traditionen

Berührung mit ihr bleibt, sondern in einem konkreten, lebensprakti- Vorurteile abbauen und „Lernbereitschaft gegenüber anderen religiö-

schen Sinn als der eine Grund der immer zweideutig bleibenden sen Traditionen fördern" (8). Denn Religionen „bieten ein Potential

Selbst- und Welterfahrung des Menschen angesehen werden kann?" an menschlichen Möglichkeiten, das dazu einlädt, die eigene religiöse

(78) Zur Beantwortung dieser Frage muß menschliche Erfahrung auf Orientierung zu vertiefen" (9).

ihre Einheit hin bedacht werden. Seinserfahrung wie Gcwissenserfah- Im Sinne dieser Intention werden hier von verschiedenen Mitarbci-

rung tendieren auf solche Einheit hin, ohne sie doch erreichen zu tern die einschlägigen Aussagen im Judentum, Katholizismus, Protc-

können. Bleibt die metaphysisch gedachte Einheit der Wirklichkeit stantismus, Islam, Buddhismus, Hinduismus sowie (nur im 2. Band)

formal, weil durch Erfahrung nie einzuholen, so kann umgekehrt die des Konfuzianismus vorgestellt. Das geschieht in meistens historisch

individuelle Entscheidung in der Ethik die allgemeine Zielvorstellung aufgebauten Überblicken, die sich auf die offiziellen theologischen

nicht erreichen. oder auch juristischen Aussagen konzentrieren. Die Aufteilung der

An dieser Stelle vollzieht Lange freilich noch nicht den Überschritt christlichen Position auf Katholizismus und Protestantismus führt zu

in die religiöse bzw. Gotteserfahrung als Aufhebung dieser Aporie. Überschneidungen (z. B. wird der „Arbeitsbegriff der Bibel" eben

Das unterscheidet seinen Versuch von der transzendentalen Thcolo- zweimal dargestellt). Interessant wird die Lektüre, wenn die Ebene des

gie des Katholizismus, K. Rahner und J. B. Lötz, gegen die ersieh aus- Referats von Lehrmeinungen verlassen wird und stattdessen Anfragen

drücklich abgrenzt (82). Vielmehr verschärft er die metaphysische und Einwände ins Gespräch gebracht werden, wie das in dem von

Problematik durch den Hinweis auf Übel und Schuld als die Bedro- Dietrich Zilleßen verfaßten Abschnitt „Sexualität im Protestantis-

hung der Seins- wie der Gewissenserfahrung. Nur wenn die Gottes- mus" der Fall ist (1, 65-118). Zusätzlich erweist es sich dabei als hilf-

erfahrung diese Bedrohung, die Vf. als „Anfechtung" interpretiert reich, daß auf sehr verschieden geartete Quellen (Leserbrief, kirch-

(890, zu überwinden vermag, kann sie als glaubwürdig gelten. Die liehe Denkschrift, Appell freier Gruppen) zurückgegriffen und ihr

christliche Gotteserfahrung, an nichtchristliche religiöse Erfahrungs- Gegensatz diskutiert wird. Sicher ist es auch kein Zufall, daß der Band

weisen anknüpfend, aber auch in fundamentalem Gegensatz zu ihnen über „Arbeit" wesentlich kürzere Beiträge enthält (obwohl das Spek-

stehend, kann das dort leisten, wo sie an dem Gottesverhältnis Jesu trum der Religionen erweitert ist), weil durchweg in den religiösen

teilgewinnt. „Dadurch, daß der mich in der Anfechtung erschütternde Traditionen dieses Thema weniger reflektiert worden ist als die

Gott mir in Jesus als der mich Liebende begegnet, ist meine Anfech- Sexualität und ihre Konsequenzen.

tung in ihm selbst aufgehoben" (91). Solche Erfahrung, die auf den Für den Lesertragen nach meinem Eindruck die Bände mehr reli-
angefochtenen Jesus als ihren letzten Bürgen verweist, sei trotz ihrer gionswissenschaftliche Information als ethische Orientierung aus.
Unausweisbarkeit die einzig sachgemäße Verbürgung der Glaubwür- Manche Vorurteile etwa gegenüber dem Islam werden ausgeräumt,
digkeit des Glaubens. und die Vielfalt innerhalb der Religionen wird wiederholt angespro-
Nicht nur hier, wo Jesus recht unvermittelt und ohne weiteren Aus- chen. Aber die Unvcrbundenhcit der einzelnen Artikel, die keinerlei
weis in einer wenigstens angedeuteten Christologie als Antwort auf die Bezug aufeinander nehmen, wird auch durch die kurze Zusammenläsaufgeworfenen
Fragen erscheint, lassen sich kritische Anfragen an den sung der Hg. am Schluß jedes Bandes nicht ausreichend überwunden,
vorgetragenen Gedankengang stellen. Mir ist beispielsweise die Ein- Erst durch einen ausführlichen Vergleich und die Akzentuierung
bindung wissenschaftlicher Empirie und ihres Sinns in die Lebens- bestimmter Tendenzen kann das Vorhaben der Hg. zum Ziele kom-
erfahrung der Subjektivität zu rasch vollzogen worden. Hier drohen men, dem Leser zur Vertiefung der eigenen ethischen Orientierung
Äquivokationen, die eine Verständigung erschweren, obwohl nur behilflich zu sein. So bleibt diesem nur die eigene Arbeit auf Grund
diese weite Fassung des Erfahrungsbegriffes den vorgetragenen Gedan- des vergleichenden Themenregisters übrig, das dankenswerterweise
kengang überhaupt ermöglicht. Doch auch wenn eherein Anstoß zum jeden Band abschließt. Insofern handelt es sich bei dieser Reihe um
Weiterdenken als eine Lösung der aufgeworfenen Probleme vorliegt, Arbeits- und Studienbücher, mit denen der Leser sich selber Ergebist
dem Vf. für manche Anregung zu danken. Daß er mit jeder Art von nisse suchen muß.

politischer Theologie nichts im Sinn hat, sei ihm zugestanden; warum Eine grundsätzliche Anfrage an die Disposition der Reihe muß je-