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1986

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Litcraturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 4

304

' Vgl. besonders D. W. Lötz, Ritsehl and Luther. 1974; id., Albrccht Ritsehl
and the Unfinished Reformation. HThR 73 (1980). S. 337-372; J. Richmond,
Ritsehl A Reappraisel, 1978 (Albrecht Ritschi. Eine Neubewertung. Güttingen
1982).

' Die Zeitangaben S. 165 sind nicht stimmig: 18727

Ratzinger, Joseph Kardinal: Schauen auf den Durchbohrten. Versuche
zu einer spirituellen Christologie. Einsiedeln: Johannes
Verlag 1984. 107 S. 8°. DM 19,-.

Diese von Hans Urs von Balthasar angeregte und Alois Grillmeier
gewidmete Sammlung christologischer Reflexionen und Meditationen
sucht der Mahnung von Karl Rahner nachzukommen, die
Glaubenskongregation solle nicht lediglich kritisieren und zensurieren
, sondern die überlieferten Dogmen für den neuzeitlichen
Menschen aufzuschließen helfen. Unter der Leitlinie einer „theologischen
Grundlegung spiritueller Christologie" hat der Kardinal drei
Vorträge zusammengestellt, welche der Zerfaserung moderner
Exegese und Systematik durch eine Betrachtung gleichsam von innen
heraus entgegenwirken möchten. Ein in Rio de Janeiro gehaltenes
Referat (S. 13-40) setzt ein beim Gebet Jesu und erschließt von
diesem aus sowohl das Wirken und Leiden des Herrn als auch das
Werden der Kirche. Mit der Tradition der „knienden Theologie" wird
das gemeinsame Eintreten in Jesu Beten als der letztlich allein angemessene
Zugang zum Glaubensgeheimnis proklamiert; hierzu hätte
der Kardinal auch auf Luthers Trias von Oratio, Meditatio und
Tcntatio verweisen können. Aus dem Beten heraus habe Jesus keineswegs
eine neue Kirche gestiftet, vielmehr Israel vertieft und erneuert;
so transponiere das Dogma vom „wesensgleichen Sohn" im Grunde
nur Jesu Gebet aus seiner letzten Abba-Gewißhcit heraus in den Horizont
philosophisch-theologischer Fachsprache. Eine zeitgerechte
Neuaufnahme der klassischen Formeln müsse unser leidenschaftliches
Insistieren auf Freiheit mit demütiger Beugung unter das Richtmaß
der Wahrheit vereinen. Hierzu sucht der Kardinal auf die Lehre
des Maximus Confessor sowie des 3. Konzils von Konstantinopel
(680-681) zurückzugreifen, welche schon ansatzweise das Konzil von
Chalkedon existential interpretiert habe. Von unten aus gesehen,
ordne sich der menschliche Wille Jesu dem Wollen des ewigen Sohnes
ein und werde so mit diesem identisch. Von oben her betrachtet,
erniedrigt sich der Logos so, „daß er den Willen eines Menschen als
seinen annimmt und mit dem Ich dieses Menschen zum Vater spricht,
sein Ich diesem Menschen überträgt und damit das Reden eines
Menschen in das ewige Wort, in sein seliges ,Ja, Vater' umwandelt"
(S. 36). Gegen eine Auslegung, welche unterschiedliche Sichtweisen
zu eigenständigen Jesus-Bildern stilisiert, wird hier eine symphonische
Hermeneutik eingeübt, welche das Auseinanderstrebende in
einem „Laboratorium der Einheit und Freiheit" zu integrieren sucht
und aufzeigen möchte, wie die Christologie „im Gebet geboren wird"
(S. 40). - Ausgeblendet bleibt hierbei freilich Jesu wort-tathafte
Zuwendung zu uns sowie die Bestätigung seiner Proklamation der
Gottesherrschaft durch die Auferweckung; das Evangelium wird so
zur Eucharistie umgepolt.

Ratzingers zentrale Sichtweise wird zum 25. Jahrestag der Herz-
Jesu-Enzyklika „Haurietis aquas" (S. 41-59) auf die Spannung
zwischen einer affektiven Devotionsfrömmigkeit und der strengen
lateinischen Liturgie angewendet. Hugo Rahner hatte die Verehrung
des Herzens Jesu in den Verweis der Väter auf Joh 7,37fF und 19,34
einzugründen gesucht, welche im Pascha-Mysterium Kreuz und Auferweckung
Christi mit dem Pneuma und der sakramentalen Kirche
zusammenschauten. In diesen Texten kommt jedoch das Herz nicht
vor, so liest der Kardinal aus der Enzyklika eine ganze Theologie der
Leiblichkeit heraus und vertieft jene durch Texte aus Schrift und
Vätern zum Geheimnis des Herzens. Bildete nach einem Diktum des
Hieronymus bei den Platonikcrn das Hirn das Zentrum des
Menschen, so ist es für Christus das Herz; das Herz jedoch ist
Ausdruck der Passiones und damit der Passion unseres Menschseins
überhaupt, und die Passion des Sohnes zieht auch den Vater in das

Leiden hinein, freilich nach Origenes ins Leiden aus Liebe. Im I lerzen
Jesu wird der Wille zur Selbsterhaltung wahrhaft „umgestürzt" (nach
Hos 1 1,8) zur Sclbstpreisgabe. „Der Umsturz des geöffneten Herzens
ist der Inhalt des Ostergeheimnisses. Das 11er/ rettet . . ., indem es sich
verschenkt" (S. 59). - Luther hat noch präziser herausgearbeitet, daß
wir im Herzen des Sohnes aufsteigen zum Herzen des Vaters, in dessen
glühender Liebe unsere Zuflucht vor Gott hin zu Gott ihren wahren
Halt und Ankergrund linden darf.

Ein zur Priesterfortbildung erarbeitetes Referat zu den Stich worten :
„Kommunion - Kommunität - Sendung" (S. 60-84) setzt ein bei den
Essentials des Gottesdienstes wie der Kirche in Acta 2,42 und sucht
eine pneumatologisch-dynamische Ekklesiologie zu skizzieren. In der
Chiffre der Koinonia vereinen sich spirituelle, sakramentale, juridische
und gemeinschaftliche Aspekte. Während deren antike Wurzel
der „Genossenschaft" wie deren jüdische in der „Chaburah" auf das
Zwischenmenschliche eingegrenzt bleiben und eine hellenistische
Mystik letzte Identität zwischen Gottheit und Mensch anstrebt,
erwachse die kirchliche Koinonia aus der Inkarnation; der fleischgewordene
Sohn sei die wahre „Kommunion" zwischen Gott und
Mensch. Hierzu zieht der Kardinal erneut die bleibende Willens-
einung, den „wunderbaren Tausch" der Liebe in Jesus C hristus selber
heran, wie dies vor allem Maximus Confessor reflektiert . hat.
Abschließend rückt er sowohl die Exkommunikation als auch ein
eucharistisches Fasten unter den Gesichtspunkt rechter „Heilung
durch Liebe", die Christus in der Einsamkeit des Kreuzes erwirkte.

Unter dem Stichwort „meditative Entfaltungen" (S. 87-107) sind
drei Predigten zum Pilgern hinauf nach Jerusalem, zu österlichen
Symbolen wie zum Hadesabstieg Jesu angefügt. Sic unterstreichen
den aktuellen Gegenwartsbezug und lassen die geistliche Leidenschalt
tles Kardinals erkennbar werden.

Heidelberg Albrccht Peters

Schöpsdau, Waller [Hg.]: Mariologie und Feminismus, Göttingen: Vanden-
hoeckft Ruprecht 1985. 141 S. 8' = Benshcimcr Helte, 64. DM 19,80.

Systematische Theologie: Dogmatik

Frit/sche, Hans-Georg: Lehrbuch der Dogmatik. II: Lehre von Gott
und der Schöpfung. 2., erw. Aull. Berlin: Evang. Verlagsanstalt:
zugleich Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht 1984.410 S. gr. 8"

Der mittlerweile in erweiterter Neuauflage erschienene zweite Teil
des bekannten Lehrbuches umfaßt die Paragraphen sieben bis zwölf in
der Gesamtzählung und enthält als erstes Sachgebiet der materialen
Dogmatik die Lehre von Gott und von der Schöpfung. Zwar wird erst
das abgeschlossene Werk zeigen können, was die in den Prolegomena
unternommene „Wesenszusammenlüssung" des Glaubens im ganzen
und einzelnen bedeutet, doch läßt sich schon jetzt von einer besonderen
Sachlichkeil und Posilivität dieser Dogmatik sprechen. Wie
grundsätzlich von jedem ihrer Kapitel gilt „in höchstem Maße und
am offensichtlichsten" vom Lehrstück De Deo, daß „es in sich das
Ganze des christlichen Glaubens" beschließen muß (S. 127); es
kommt auf die in ihm selbst liegende Wahrheit und darum auf seine
gegenständlich zu entfaltende Aussage an, nicht auf Inhalte oder
Fragestellungen, die nur aus seiner Begründung bzw. Abgrenzung
erwachsen (S. 153). Dogmatik ist nicht primär. Schutzaussagc, sondern
Sachaussage des Glaubens im Rahmen und mit den Mitteln allgemeiner
Vernunft. So will der vorliegende Band die Gotteslehre vor
allem in ihrer Tragweite Für ein umfassendes christliches Welt- und
Daseinsverständnis herausarbeiten, wobei die herkömmliehen Gottesbeweise
erneute Bedeutung erlangen (S. 16-46), aber auch das
Phänomen des Atheismus überraschend vielseitig und eindringlich
verhandelt wird (S. 47-64).

Formal bedeutet das „die Rückgewinnung eines weiten thematischen
Raumes. . . und damit. . . die Rückgewinnung . . . echter