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Ausgabe:

1986

Spalte:

301-303

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Brown, Colin

Titel/Untertitel:

Miracles and the critical mind 1986

Rezensent:

Reventlow, Henning

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301

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

302

des kirchlichen Lebens: Glauben, Verkündigung, Vollmacht und
Sakra mentsverwaltung.

3. Es wurde betont, daß die .episkope' ein besonders wichtiges Prinzip
kirchlichen Lebens darstellt.

4. Zwar ist das geistliche Amt mit dem allgemeinen Priestcrlum aller
Gläubigen verbunden, kann aber nicht aus ihm abgeleitet werden.

5. Amtsträger kann in der Kirche nur werden, wer in rechter Weise
ordiniert ist" (24).

Als weiterer Klärung bedürftig werden genannt „eine Verständigung
über die Sakramcntalität der Ordination, sowie über die Weise,
in der die apostolische Sukzession durch den Akt der Handautlcgung
weitergegeben wird (die Frage der ununterbrochenen Abfolge der
Handaullegungcn)" (24).

Reinhard Slcnczka hat in seinem vorgenannten Überblick zusammenfassend
festgestellt: „Das Thema Amt steht trotz der beiden bisherigen
Anläufe noch am Anfang d.er Behandlung. Wer die Berichte
liest, wird spüren, wie vieles an Information von beiden Seiten fehlt."
In der Diskussion hatte H. J. Held aberauch darauf hingewiesen, „daß
wir bisweilen eine sehr verschiedene Sprache sprechen, die von einer
bestimmten theologischen und kirchlichen Tradition geprägt ist, aber
auch von unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen" (1 14), die-
wie G. Kretschmar hinzufügte - „gar nicht unbedingt mit der Reformation
zu tun haben müssen, sondern mit dem unterschiedlichen
Weg der Christenheit im christlichen Orient und Okzident" (1 15).

Der Dialog zwischen Ost und West wird also weiterhin ein schwieriges
Geschäft bleiben, das eines ständigen ökumenischen Impulses
bedarf, wie ihn der russische Delegationsleiter, Metropolit Filarct, zu
geben suchte: „Mir scheint, wir sitzen uns jetzt in unseren Schützengräben
gegenüber und haben uns dort eingebunkert. Ich glaube, wir
müssen diese Schützengräben verlassen und gemeinsam die historischen
Wege der Kirche Christi gehen" (131). Der vorliegende Berichtsband
ist ein ermutigender Beitrag dazu.

Frankfurt (Main) Hanfried Krüger

Systematische Theologie: Allgemeines

Brown, Colin: Miraeles and the Critical Mind. Grand Rapids:
Eerdmans: Exetcr: Paternoster Press 1984. VIII, 383 S. gr. 8'. Lw.
£ 14.20.

Die Wunder Jesu bildeten für Verteidiger wie Verächter des christlichen
Glaubens von jeher einen Stein des Anstoßes, an dem sich das
Für und Wider besonders heftig entzündete. Ihr angemessenes Verständnis
bietet auch für die heutige exegetische und systematische
Theologie noch vieldiskutierte Probleme.

Die weitausholendc Untersuchung des Vf., Systematiker am Füller
Theological Seminary, versteht sich vorwiegend als eine ideenge-
Schichtliche Betrachtung. Ihr Schwerpunkt liegt auf den ausgedehnten
Debatten über die Wunder zwischen den Skeptikern (den Dcisten und
vor allem David Hume) und Apologeten im 17.-18. Jh. (Kap. II,
21-100) und auf den vom 19. Jh. bis in die Gegenwart andauernden
Auseinandersetzungen (Kap. III—IV. 101-277). Die Periode von der
frühen Kirche bis zur Reformation wird nur im Überblick als Prolog
vorangestellt (Kap. I. 1-20), während ein "Postscript" benannter
Schlußteil (Kap. V. 279-325) die systematischen (apologetischen)
und ncutestamentlich-excgctischcn Grundproblemc diskutiert, wobei
der Vf. auch seine eigene Auffassung andeutet.

Am besten ist der Vf. in der britisch-amerikanischen Literatur
zu Hause. Das kommt seiner Behandlung des 17.-18. Jh. zugute, als
in der Tat das Zentrum der kritischen Auseinandersetzung mit der
biblischen Überlieferung in England lag. Die Kritik an den Wundern
fand nach Spinoza und den englischen Dcisten bei David Hume ihren
Höhepunkt, für den die Unvcrlctzlichkeit der Naturgesetze der alles
entscheidende Maßstab war. Von daher kam er zwangsläufig zur Ablehnung
der biblischen Wunderberichtc. Die Unglaubwürdigkeit aller

angeblichen Zeugen von Wundern stand ihm von vornherein fest.
Dieser Standpunkt hatte weitreichende Nachwirkungen bis in die
neueste Zeit. Umgekehrt behandelten die Apologeten (in diesem
Sinne bereits J. Locke) die Wunder Jesu (die Berichte über sie betrachteten
sie als historische Zeugnisse) als die zwingendsten Beweise für
ein supranaturales Geschehen (diesen Standpunkt nennt der Vf. ,,evi-
dentialistisch").

Der Abschnitt über die Diskussion im 19. Jh. auf dem Kontinent
(101-136) nennt unter den Skeptikern gegen die Wunder die bekanntesten
Namen von Kant über Reimarus, Lessing, Strauß, Feuerbach
bis zu Troeltsch und der religionsgeschichtlichen Schule. Die bekannte
Entwicklung wird im allgemeinen zuverlässig wiedergegeben,
doch ist der Vf. hier weniger auf seinem Gebiet. So fehlt manche
wichtige Sekundärliteratur. Dadurch entgeht dem Vf. gelegentlich
auch eine wichtige neue Wertung, wie zu A. Ritsehl (127.152), der
heute überraschend u. a. auf lutherischer Linie gesehen wird.1 Die
Beispiele für die orthodoxe Verteidigung der Wunder (137-168) sind
wieder vorwiegend aus dem angelsächsischen Bereich gewählt. Außer
dem bekannten Kardinal Newman (und als Gegenbeispiel den katholischen
Modernisten) begegnen hier eine Menge britischer und auch
amerikanischer Namen, die dem Mitteleuropäer wenig vertraut sind.
So etwa die Theologen des streng kalvinistischen Princeton Theological
Seminary wie A. Alexander und C. Hodge, der bei seinem goldenen
Fakultätsjubiläum2 stolz erklären konnte, daß "a new idea never
originated in this seminary"(l). Man kann hier viel lernen; auch in
dem folgenden Kapitel (Kap. IV, 169-277), das die aktuelle Debatte
unter Philosophen, theologischen Apologeten und Strömungen wie
der dialektischen Theologie („Neo-Orthodoxie") referiert, erscheinen
neben den vertrauten Namen Barth und Bultmann viele hier weniger
bekannte Briten und Amerikaner. Besonders erfolgreich als Apologet
war z. B. C. S. Lewis (Miraeles: A Preliminary Study, 1947), den der
Vf., wenn auch nicht kritiklos, stark beachtet.

Idcengeschichtlich betrachtet hat sich an der Diskussion über die
Wunder bis in die jüngste Zeit hinein stets der Gegensatz zwischen
einer naturalistischen und einer supranaturalistischen Weltanschauung
entzündet. Der Vf. macht deutlich, daß beide von Prämissen ausgehen,
die ein sachlich angemessenes Verständnis der Berichte von Jesu Wundertaten
in den Evangelien von vornherein unmöglich machen.

Die Nachschrift (Kap. V) deutet an, in welche Richtung ein solches
Verständnis gehen müßte. Als Beweise etwa lür die Göttlichkeit Jesu
sind die Wunder unbrauchbar; sie sind auch nicht so gedacht. Vielmehr
handelt es sich um Zeichen, Zeichen für das Handeln Gottes in
Jesus, analog zu den Zeichen der Propheten (2860- Insbesondere zeigt
sich in ihnen das Wirken des Heiligen Geistes.

Der Schlußabschnitt des Buches (293-325) bietet einen faszinierenden
Ausblick auf ein Verständnis der vier Evangelien, mit Markus beginnend
und bei Johannes endend, nach dem die Evangelien das irdische
Wirken Jesu als das des Messias verstanden haben, in dem Gott
durch den Geist wirkt. "The evangelists saw in Jesus the one in
whom messianic prophecy was lülfilled and the one in whom expecta-
tion of the Spirit was met" (302). Die Wunder sind Zeichen dalür.
Zugleich wird hier eine starke gesamtbiblische Kontinuität sichtbar.
Der Vf. macht darauf aufmerksam, daß es sich bei dieser Sicht nur um
Anregungen handeln kann, die näherer Ausführung bedürften (293).
Das wird die neutestamentliche Fachdiskussion klären müssen, für
die der Rezensent nicht kompetent ist.

Trotz seiner angelsächsischen Einseitigkeit (die dem Vf. wohl
bewußt ist, vgl. Anm. 1 zu S. 281 auf S. 370) - auch ursprünglich
fremdsprachige Literatur wird meist nur in der englischen Übersetzung
genannt - ein anregendes Werk, aus dem man über die Wunderdiskussion
viele forschungsgeschichtliche Einzelheiten, vor allem
aber einige grundlegende Einsichten lernen kann, die verdienen, von
Skeptikern und überzeugten Christen gleichermaßen beachtet zu
werden, wenn die Sprache einmal wieder auf die Wundererzählungen
in den Evangelien kommt.

Bochum Henning Graf Rcvcntlow