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Ausgabe:

1986

Spalte:

299-301

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Das kirchliche Amt und die apostolische Sukzession 1986

Rezensent:

Krüger, Hanfried

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299

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

300

der Römischen Rota und den Entscheidungen Römischer Kongregationen
zum anstehenden Fragenbereich gewidmet.

Mehrfach weist der Vf. daraufhin, daß die Kanonistik schrittweise
einen „Kenntnisminimalismus" hinsichtlich der zur Eingehung einer
Ehe erforderlichen geistigen Reife entwickelt hat. Dies insbesondere
bei der Darstellung des Verhältnisses von erforderlichem Mindestalter
zum Mindestwissen. Das Problem stellte sich dem vorkodikarischen
Recht nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß das Hindernis des
mangelnden Alters nicht als die Ehe absolut verungültigender Tatbestand
formuliert war, sondern unter dem Vorbehalt stand „nisi malitia
suppleat aetatem".

Auch bei der Darlegung des Einflusses von Irrtum werden die
Denkschritte herausgearbeitet, die zu einer Unterscheidung zwischen
den Wesenseigenschaften der Ehe (Einheit und Unauflöslichkeit) und
dem Wesen der Ehe selbst und zu einer Ausklammcrung der erstcren
aus dem für die Gültigkeit der Eheschließung notwendigen Mindestwissen
geführt haben.

Neben den erstaunlich geringen Anforderungen an das zur Eheschließung
erforderliche Wissen ist es auch ein starker Naturalismus,
der die kanonistische Erfassung der Ehe kennzeichnet. Auch diesen
hat der Vf. sehr klar dargestellt. Deutlich zeigt sich, wie sehr einerseits
eine stark verdinglichte und biologistische Sicht der Ehe und andererseits
deren starke Gruppcnbezogenheit den kirchlichen Gesetzgeber
zu einer Position gefuhrt haben, die unter Hintansetzung der Individualinteressen
der Ehepartner prinzipiell für die Aufrcchterhaltung
einer wegen (behaupteten) Mangels des erforderlichen Wissens in
ihrer Gültigkeit bestrittenen Ehe eintrat. Erst auf dem Hintergrund
dieser Zusammenhänge ist die freilich durch die Rechtsprechung
weitgehend vorbereitete Leistung des Gesetzgebers des CIC/1983 zu
ermessen und entsprechend zu würdigen, der nunmehr die zur gültigen
Eingehung der Ehe erforderliche „discretio iudicii" ausdrücklich
nennt und die für ihre im Einzelfall zu erfolgende Beurteilung notwendigen
Kriterien liefert.

Am Schluß seiner Darstellungen weist der Vf. daraufhin, daß er mit
seiner Studie einer kritischen Analyse des c. 1096 CIC71983 habe vorarbeiten
wollen. Das hohe wissenschaftliche Niveau der Ausführungen
läßt hoffen, daß ihr Vf. selbst zu weiterführenden Studien in der
angegebenen Richtung Zeit findet. Hierzu sei die Empfehlung gegeben
, den geistes- und zeitgeschichtlichen Horizont der kodifizierten
Rechtsnorm noch stärker ins Auge zu fassen. Erst durch Einbeziehung
derartiger Vor- und Umfelder ist die ganzheitlichc Erfassung einer
konkreten Rechtsnorm nach Inhalt und Bcdcutunggcwährlcistet.

Die schöne Studie Zuberts ist ein wichtiger Beitrag nicht nur für die
kirchliche Rcchtsgeschichte; sie liefert auch wertvolles Material zum
Verständnis des geltenden kanonischen Rechts.

Wien Bruno Primetshofer

Das kirchliche Amt und die apostolische Sukzession. Neunter Bilateraler
Theologischer Dialog zwischen der Russischen Orthodoxen
Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 12. bis
17. Oktober 1981 im Schloß Schwanberg bei Kitzingen. Hrsg. vom
Kirchlichen Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland
(Studienheft 16). Frankfurt/M.: Lembeck 1984. 143 S. 8" = Beiheft
zurÖkumenischen Rundschau,49. Kart. DM 19,80.

Unter den theologischen Gesprächen zwischen der Russischen
Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland
nehmen thematisch der neunte und der (noch nicht publizierte)
zehnte Dialog einen besonderen Platz ein. Es liegt auf der Hand, daß
alle bisher geführten Dialoge in ihrem inneren Zusammenhang gesehen
und interpretiert werden müssen. In einem auswertenden Gesamtüberblick
über die zurückliegenden 25 Jahre des Gesprächsverlaufs
schreibt der Erlanger Systematiker, Prof. Reinhard Slcnczka, der
von Anfang an in der Dialogkommission mitgearbeitet hat: „Mit der
neunten Tagung aufschloß Schwanberg bei Würzburg im Oktober
1981 und mit der zehnten in Kiew 1984 sind wir aber nun unmittelbar
und unvermeidlich zu dem Thema gekommen, das den Endpunkt

bilateraler Theologengespräche, doch hoffentlich nicht das Ende der
Gespräche bildet. 1981 ging es um .Das kirchliche Amt und die apostolische
Sukzession', und zuletzt wurde in Kiew über .Den bischöflichen
Dienst in der Kirche' gesprochen." (OR 4/85)

Daß die Teilnehmer sich des gegebenen Einschnittes bewußt waren,
beweist nicht zuletzt das ausführliche Vorwort des deutschen Delegationsleiters
, Präsident Heinz Joachim Held, in dem Geschichte und
Zielsetzung des Dialogs nochmals entfaltet werden (7-16). Es ging den
Initiatoren „um einen wirklichen theologischen Austausch und ein
besseres geistliches Verständnis füreinander", getragen von dem „Willen
zum kirchlichen Brückenschlag nach den verheerenden Ereignissen
des Zweiten Weltkrieges und inmitten einer anhaltenden Spannungssituation
in Europa" (7). Daß ein solches Vorhaben über die
theologisch-intellektuelle Basis hinaus „zu einem wirklichen Dialog
der Herzen" geführt hat, wird im Vorwort dankbar unterstrichen, weil
„wir einander erst dann wirklich nahe kommen, wenn wir auch das
Herz mitsprechen lassen und bei unserem Gesprächspartner mithören
können" (10). Ebensowenig soll der geistlich-liturgische Rahmen
unterschätzt werden, in dem der Dialog durch den Tagungsort im
Schloß Schwanberg als dem Sitz, der evangelischen Schwestern-Kommunität
„Casteller Ring" hineingestellt war.

Den theologischen Kontroversen um das Thema „Das kirchliche
Amt und die apostolische Sukzession" konnte und sollte damit freilich
nichts von ihrem - in der gesamten Ökumene vorhandenen -
Gewicht genommen werden, sosehr Atmosphäre und Umgebung sie
für beide Seiten gelegentlich auch in einem neuen Licht erscheinen
lassen mochten. Der Dialog wurde auf drei Vortragspaaren aufgebaut,
die von je einem orthodoxen und einem evangelischen Referenten
gehalten und mit gemeinsamen Thesen abgeschlossen wurden: „Die
Apostolizität der Kirche, das Priestcrtum und der Hirtendienst im
Lichte der Offenbarung" (Erzbischof Michail), „Die Apostolizität der
Kirche und das kirchliche Amt nach dem Zeugnis der Heiligen
Schrift" (Jürgen Roloff); „Die Bedeutung der apostolischen Sukzession
für das Priester- und Hirtenamt nach der Lehre der Kirchenväter
" (Aleksej Osipov), „Die Bedeutung der apostolischen Sukzession
für das kirchliche Amt nach der Lehre der Reformatoren" (Peter
Hauptmann); „Der Dienst der Kirche an der Welt von heute" (Vasilij
Stojkov), „Das kirchliche Amt in seinem Dienst an der Welt heute"
(Heinz Joachim Held). Mögen schon in der Formulierung der Vortragstitel
hier und da gewisse Ausgangspositionen anklingen und
natürlich erst recht in den dargebotenen Texten hervortreten, so vollzieht
sich der eigentliche Dialog in lebendiger Rede und Gegenrede in
dem von Heinz Ohme mit größter Sorgfalt nachgezeichneten Diskussionsprotokoll
(107-143). Dabei stellten sich für die evangelischen
Gesprächspartner einige Fragen heraus, die weiteren Nachdenkens
bedürfen. Dazu gehört z. B. die Frage, „ob nicht auch sie die Bedeutung
der nachbiblischen kirchengeschichtlichen Entwicklung in der
alten Kirche für die Ausbildung kirchlicher Lehre und Ordnung sehr
viel stärker als gewohnt im Zcichci) göttlicher Vorsehung - und das
heißt doch wohl: positiv - sehen und verstehen sollten" (12). Wobei
man evangclischerseits mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen
auch sehen und anerkennen müsse, „daß die Entwicklung der
theologischen Lehre, der kirchlichen Lebensordnung und des geistlichen
Amtes in den evangelischen Kirchen sehr stark durch die
geschichtlichen Erfahrungen mitbestimmt worden ist" und nicht
zuletzt könne der Versuch „einer ökumenischen Verständigung und
der Gewinnung größerer kirchlicher Gemeinsamkeit" nicht „von den
geschichtlichen Erfordernissen und Aufgaben absehen, die uns in der
Gegenwart gestellt sind" (ebd.).

Die im Dialog sich abzeichnende „Gemeinsamkeit der Ansichten"
wird im Resümee in fünf Punkten zusammengefaßt:
,, 1. Die Apostolizität der Kirche wird von beiden Kirchen als eines der
Hauptmerkmale der Kirche auf der Grundlage des von beiden anerkannten
niceaeno-konstantinopolitanischen Symbols von 381 bekannt
.

2. Die Apostolizität umgreift die Gesamtheit der wichtigsten Seiten