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Ausgabe:

1986

Spalte:

282-284

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Johannes Bugenhagen 1986

Rezensent:

Krumwiede, Hans-Walter

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

282

düngen an den König und die von der staatlichen Gewalt inaugurierte
Ermordung eines aus dem Gefängnis Entflohenen in Westminster zu
zeitweiligen Tumulten führten. In der Folgezeit war die englische Kirche
viel mehr mit dem Lollardentum beschäftigt, während die Könige
in ihrem Interesse weitestgehend durch den Huntertjährigen Krieg mit
Frankreich und das Bestreben nach seiner Beendigung sowie durch die
Gegenwehr gegen Revolten im Innern (Bauernaufstand, Empörung
gegen Heinrich im Norden) abgelenkt wurden, auch mit ständigen
Geldsorgcn zu kämpfen hatten. Zugleich macht Vfn. aber deutlich,
daß Heinrich Ende 1404 eine wirkliche Kurskorrektur vornahm, die
in der vollen Unterstützung des Pisancr Absetzungsbeschlusses
gipfelte. Diese Änderung wird aus der Zeitsituation verständlich gemacht
. Die durchgehend verwandte Begründung, der jetzt in Rom
residierende Gregor XII. habe seinen Eid, das Schisma zu beenden,
schon durch die Ernennung neuer Kardinäle gebrochen, wird kritisch
hinlerfragt. Vfn. weist aber nach, daß es in England eine ernsthafte
kirchliche Gegenwehr gegen die königliehe Initiative nicht gab. Sehr
interessant ist ihr Aufweis im resümierenden Schlußkapitel, daß die
Bibel in allen Darlegungen kaum erwähnt wird. Selbst das Kirchen-
recht habe in England bei der Rechtfertigung der in Pisa erfolgten Absetzungen
nur eine sekundäre Rolle gespielt. Sonst aber wurde primär
rechtlich argumentiert, was allen ckklcsiologisehcn Aussagen jener
Zeit einen für das Mittelalter überhaupt typischen Akzent gebe. Die
Frage nach dem geistlichen Wesen der Kirche sei im Grunde erst in
folgenden konziliaristischen Erwägungen wieder aufgekommen.
Gewiß war dies die gravierende Folge der Indienstnahmc der Kirche
durch die weltliche Feudalgcwalt.

Rostock (iert Wcnclclborn

Kirchengeschichte: Reformationszeit

[Melanchthon:] Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte
Gesamtausgabe, hg. v. HL Seheible. Bd. 4: Regesten
3421-4529 (1544-1546), bearb. v. H. Seheible unter Mitw. v. W.
Thüringer. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-holzboog 1983.
477 S. gr.8". Lw. DM 280.-.

Was zu der hier fortgesetzten Gesamtausgabe des Briefwechsels
Melanchthons allgemein zu bemerken ist, findet sieh in ThLZ 104.
1979, 197-199. Die Abteilung 1 soll 7 Bände chronologisch geordneter
Regesten aufnehmen. Band I erschien 1977, die Bände 2 und 3 lagen
1978/79 vor. Über letztere war in ThLZ 107, 1982, 63fberichtet
worden.

Die wissenschaftlich bewährten Prinzipien der Rcgestenvermitt-
lung sind w iederum eingehalten worden. Außer den Regesten selbst
mit Angabe der Fundorte im Corpus Reformatorum und den nach wie
vor begrüßenswerten z. T. recht reichhaltigen bihliographisehen
Angaben nach den Einzelbriefinhalten bringt der vorliegende Band
nur noch das obligatorische Abkürzungsverzeichnis.

Melanchthons Korrespondenz ist für die ereignisreichen Jahre
zwischen dem 1. Januar 1544 und dem 31. 12. 1546 notiert. Besondere
reformatorische Ereignisse spiegeln sieh selbstverständlich wider.
Manches - z. B. Luthers Tod - wird in dem Briefwechsel des Freundes
erstaunlich wenig reflektiert. Rein numerisch steigt die Korrespon-
denzflut weiter an. Sic birgt in auffälliger Weise einen großen Sehatz
zur Personengeschichtc dieser Jahre, der nun schon alt gewordenen
Reformation.

Bereits die Regesten vermitteln den Eindruck, in welchem Maße
Melanehthon sieh zur Förderung der Reformation nach Luthers Tod
an Einzelpersonen geistlichen und weltlichen Standes wendet. Die
noch ausstehenden Registerbände werden die erdrückende Fülle von
Angaben zu Personen und Sachen künftig schneller zu ersehließen
helfen.

Die lobende Gesamtcinsehätzung in den vorgenannten Rezensionen
ist erfolgt. Sie kann auf Band 4 bezogen Für Heinz Seheible und

seinen Mitarbeiter Walter Thüringer nur wiederholt werden. Man
möchte dem auf 5 Reihen berechneten Gesamtwerk mit seinen dann
mehr als 80 Bänden ein gutes und unverz.ögcrtes Vorankommen wünschen
!

Berlin Joachim Rogge

Leder, Hans-Günter [Hg.]: Johannes Bugenhagen. Gestalt und Wirkung
. Beiträge zur Bugenhagenforsehung. Aus Anlaß des
500. Geburtstages des Doctor Pomeranus. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1984. 208 S. 8'. Lw. M 16,50.

Aus Anlaß des Bugcnhagen-Jubiläums hat der Grcifswaldcr Kirchenhistoriker
als ..einen angemessenen Beitrag zur Ehrung des
Wittenberger Reformators, des Bibeltheologen, Pastors, Universitätslehrers
und ordnenden Gestalters lutherischen Kirchenwesens mit
seiner Ausstrahlungskraft weit über seine eigentliche Wirkungsstätte
hinaus" Forschungsbeiträge herausgegeben/Die beiden ersten Aufsätze
stammen aus seiner eigenen Feder: „Johannes Bugenhagen
Pomeranus, Leben und Wirken" (S. 8-37), diese zusammenfassende
Behandlung bringt ein Fazit der Bugenhagenforsehung. an welcher der
Vf. selbst maßgeblich beteiligt ist. An der nicht unbestrittenen
Bedeutung von Luthers „De captivitate" und seines Freiheitstraktates
für den reformatorisehen Durchbruch des Pommern wird - m. E. zu
Recht - festgehalten. Im Anschluß an die Untersuchungen von H. H.
Holfelder über Bugenhagcns Theologie wird von seiner „relativen
Selbständigkeit als Schriftausleger und Theologe" (S. 15), später von
einem „durchaus eigenständigen Beitrag als Schrifttheologe zum
Gesamtcorpus reformatorischer Theologie" (S. 32) gesprochen.
Bugenhagcns besonderes Charisma habe jedoch „auf dem Gebiet der
Gemeinde- und Kirehenordnung" gelegen (S. 321). Diese behutsamen
Formulierungen führen zu der Feststellung, daß das letzte Wort über
Bugenhagen in seiner reformatoriseh-humanistisehen Bindung noch
nicht gesprochen sei (S. 71 Anm. 22). In seinem zweiten Beitrag:
„Bugenhagen und die .aurora doetrinarum'. Zum Studium Bugenhagcns
in Greifswald" (S. 38-86) hat der Vf. im Zusammenhang der
zeitgenössischen Universitätsgesehiehtc überzeugend nachgewiesen,
daß von einer Beeinflussung Bugenhagcns durch den Humanismus
während seiner Grcifswaldcr Zeit nicht die Rede sein kann. Melanchthons
Gedenkrede kann nur von dem rhetorischen genus der humanistischen
„Declamatio" verstanden werden, nach welcher Lutherais
„protestantischer Normalfäll" zum Maßstab erhoben wird, kritisch
überprüft handelt es sich um ein „vordergründiges Theologieklischee
" (S. 41). Erst als Sehulrcktor in Treptow hat sieh Bugenhagen in
autodidaktischer Weiterbildung eine humanistische Bildung angeeignet
, die vor allem auch in der Beschäftigung mit Erasmus von Rotterdam
bestand. Daneben ist seine starke Hinwendung zur Hl. Schrift zu
nennen, die durch seine Tätigkeit als theologischer Lektor am Kloster
Belbuek vertieft wurde(S. 1 1 0.

H. H. Holfelder, der erstmalig mit zureichendem methodischem
Instrumentarium die Theologie Bugenhagcns aufzuarbeiten begonnen
hat (Tentatio et eonsolatio. Studien zu Bugenhagcns Jnterpretatio in
librum psalmorum'. 1974. u. Solus Christus . . . Eine Untersuchung
zur Genese von Bugenhagcns Theologie, 1981), legt eine Interpretation
der ersten eindeutig reformatorisehen Schrift Bugenhagcns vor:
Epistola de peccato in spiritum sanetum (1521). Anlaß zu dieser
Schrift waren gegenreformatorisehe Maßnahmen in Pommern, denen
Bugenhagen durch seine Epistel an einen einflußreichen Mann in der
Umgebung des Bisehofs von Kammin zu begegnen versuchte. Die
„Sünde wider den Hl. Geist" besteht Für den „Pommer" in der Verhinderung
der Predigt des Evangeliums und in der Bedrängung und
Verfolgung der evangelischen Christen. In diesem Zusammenhang
hätte deutlieh gemacht werden können, daß Luther die Sünde w ider
den Hl. Geist im personalen Bereich festmacht (Blockierung der Vergebung
), während Bugenhagen die Verantwortung für die Gemeinde
in den Vordergrund stellt, wodurch schon ein Lieht aufsein späteres
Wirken fällt.