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Ausgabe:

1986

Spalte:

267-268

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Manns, Frédéric

Titel/Untertitel:

Pour lire la Mishna 1986

Rezensent:

Maier, Johann

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Seite 1

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267

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 4

268

Hinsichtlich der Erklärung der Komposition von Gen 37-50 geht
W. völlig neue Wege. Er schält als Josephgeschichte, dann (ab S. 279)
auch Josepherzählung genannt, Gen 37; 39-45f heraus und erkennt
in Gen 37; 46-50 den Schluß der Jakobgeschichte. Das erklärt einleuchtend
die Dubletten in c. 37; denn die selbständige Josepherzählung
ist in c. 37 mit der Jakobgeschichte kunstvoll vcrtlochtcn
worden. Die Josepherzählung selbst stellt nach W. ein einheitliches
Ganzes aus der davidisch-salomonischen Zeit dar. Sie ist eher eine
Kunsterzählung als eine Novelle, verrät keinen weisheitlichen Einfluß
, setzt in c. 39 eine ägyptische Erzählung und in c. 40-41 ägyptische
Motive voraus und vermittelt „das staunende Kennenlernen von
Ägypten", vor allem vom Hof und seinen Beamten sowie seinen Zeremonien
.

Die Erklärung der Josepherzählung mit ihren Problemen gehört zu
dem Überzeugendsten dieses Genesis-Kommentars. Einerseits ist es
W. gelungen, die Geschlossenheit, Schönheit und „Architektonik"
der Erzählung herauszustellen, und anderseits bietet W. einen Vorschlag
zur Lösung der komplizierten literarkritischen Probleme an,
der wegen seiner Einfachheit und Klarheit besticht. So darf zum
Schluß noch einmal der Dank an den Vf. dafür ausgesprochen werden
, daß er der alttestamentlichen Wissenschaft mit diesem Genesis-
Kommentar ein Werk geschenkt hat, mit dem sie lange Zeit wird förderlich
umgehen können.

Greifswald Hans-Jürgen Zobel

schränkt empfohlen werden, es sind im wesentlichen die traditionellen
Positionen, die wiedergegeben werden, was im Sinne deskriptiver
Information gewiß nicht unnütz ist, doch für den Leser - und zwar
gerade für den Laien oder Anfänger - deutlicher von den Ergebnissen
historischer Forschung abgehoben werden sollte. Schon die Bibliographie
(S. 1 1 ff) zeigt ein unbefriedigendes Bild; lür den begrenzten Umfang
enthält sie allerlei Überflüssiges und einige wichtige Werke fehlen
. Die historische Einleitung folgt voll den tendenziösen Bildern der
Tradition; die guten Frommen werden für die hellenistisch-
hasmonäische Periode deutlich erkennbar von den Bösen geschieden,
die Wurzeln und Motive des frühjüdischen Parteienstreits kaum berührt
. Schwerlich belegbar ist die Behauptung, daß syr. Baruch und
IV. Esra ein breites Echo gefunden haben (S. 22), es sei denn, gewisse
christliche Kreise wären gemeint. Ziemlich forsch wird ferner (S. 29)
der Talmud als «ceuvre des Pharisicns» etikettiert, und in bezug auf
die angeblichen antichristlichen Texte in der rabbinischen Literatur
folgt der Vf. (wie auch in anderen Publikationen aus seiner Feder)
unkritisch den üblich gewordenen Behauptungen. Man kommt also
nicht darum herum, von einem recht einseitig ausgerichteten Buch zu
sprechen, das einen Vergleich mit den deutschsprachigen Werken von
G. Stemberger nicht aushält. Unter den genannten Vorbehalten bietet
der Band aber eine gut lesbare und übersichtlich gegliederte Einführungfür
Anfänger.

Brühl Johann Maier

Judaica

Manns, Frederic: Pour Lire la Mishna. Jerusalem: Franciscan Print-
ing Press 1984. 245 S. gr. 8" = Studium Biblicum Franciscanum
Analecta, 21.

Der Band stellt eine Art von Einführung in das tannaitische Judentum
dar, will den historischen, religiösen und literarischen Kontext
der „Mischna" skizzieren. Der erste Teil, der auf eine sehr knappe
historische Einleitung (S. 25ff) folgt, trägt den Titel «Evenements et
personnages» und behandelt in 8 Abschnitten den Konflikt zwischen
Judentum und Hellenismus, die „Männer der großen Versammlung"
und die Tradenten-Paare, (S. 46Pf) Hillel und Schammaj, (S. 551T) die
Entstehung des Christentums und die jüdische Reaktion darauf,
(S. 64ff) die Folgen der Tempelzerstörung 70 n. Chr., (S. 841T) die Zeit
zwischen den beiden Aufständen gegen Rom (Jabnc-Periode) und
(S. 104PT) die Zeit nach dem Bar-Kochba-Aufstand. Der zweite Teil
wird mit «Halakhah et aggadah» betitelt, behandelt I. die Halachah
nach a) Quellen (Tradition, Bibelauslegung, Taqqanot, Minhag
[Brauch], Präzedenzfall, halachische Rechtsfindung/scbarä) und b)
Institutionen („Die große Versammlung", die Ältesten, der Sanhe-
drin); 2. die Haggadah, vorzugsweise Midrasch. Der dritte Teil
(S. 135ff) erst kommt zur Mischna. Kap. I gilt der „mündlichen
Torah", skizziert ferner die wichtigsten Forschungsrichtungen
(Epstein, Albeck, Goldberg), Kap. II führt den Inhalt der Ordnungen
und Traktate tabellarisch auf und streift (S. 1600 die schwierige Frage
des Textes (palästinisch, babylonisch, sefardisch), erwähnt die wichtigsten
Kommentare und fügt auf S. 162f einige terminologische Erklärungen
bei. Erstaunlicherweise, aber auch bezeichnenderweise,
wird dem Traktat Abot der vierte Teil eingeräumt (S. 167-203), er
enthält eine französische Übersetzung mit kurzen Anmerkungen. Die
Appendices behandeln (S. 204IT) einen priesterlichen Dienst-Tag am
Tempel, (S. 212ff) die Todesstrafen, und zuletzt (S. 217ff) folgt ein
Glossar. Indices schließen den Band ab (S. 219ff), Bibclstellen,
(S. 227fT) rabbinische Literatur, (S. 2410 „zwischentestamentliche"
Texte und altchristliche Schriften, S. 242-244 enthalten ein Verzeichnis
der modernen Autoren, die letzten beiden Seiten ein Register
hebräischer termini. Eine Bibliographie ist dem Buch (S. 11-15) nach
einem Abkürzungsverzeichnis (S. 8-9) vorangestellt.

Das Buch stellt nicht den Anspruch, einen Forschungsbeitrag zu liefern
; es ist eine Einführung. Aber auch als solche kann sie nur be-

|Philon d'Alexandrie:| Les (Euvres de Philon d'Alexandrie. 34B:
Quaestiones et solutiones in Genesim. III—IV—V—VI c versione
armeniaca. Traduction et Notes par Ch. Mcrcier f. Complemcnt de
fancienne Version latine. Texte et Apparat critique, Traduction et
Notes par F. Petit. Paris: Cerf 1984. 551 S. 8°. Kart, ffr 395.-.

Der erste Teil der Quaestiones in Genesim in der neuen französischen
Philoausgabe erschien 1979 und wurde vom Rez. in diesem Organ
bereits angezeigt (ThLZ 106, 1981, 180-182). Nach über fünf
Jahren liegt nun der abschließende Teil vor. Er wurde noch von dem
inzwischen verstorbenen Charles Mercicr auf den Weg gebracht, die
Vervollständigung der lateinischen Version, die zugehörigen textkritischen
und sachlichen Anmerkungen sind das Werk von Francoise Petit
(Louvain), die sich durch eine kritische Edition' und sie begleitende
Untersuchungen2 als beste Kennerin des philonischen Questions-
werks im Kontext der altkirchlichcn Auslegungsliteratur ausgewiesen
hat.

Der vorliegende Band, dem die Einteilung der Genesis-Quaestionen
in 6 Bücher zugrunde liegt (vgl. dazu a.a.O., 182), setzt ein mit
Buch III (zu Gen 18,7) und bietet den erhaltenen Bestand bis Buch IV,
das mit Gen 26,8 schloß. Ob Philo die Auslegung fortgeführt hat,
bleibt unsicher. Wiederum ist auf die Wiedergabe der angesichts des
Verlusts des griechischen Originals grundlegenden armenischen
Übersetzung verzichtet worden, die jedoch bei der französischen
Übertragung und Kommentierung herangezogen wurde. An Stelle der
armenischen erscheint die „klassische" lateinische Version von
J. B. Aucher.

Leider fallen die sachlichen Erklärungen allzu knapp aus. Ihre Aufgabe
wäre es etwa gewesen, durch Verweis auf die altkirchliche Auslegung
der von Philo kommentierten Stellen die Brückenposition des
großen Alexandriners zwischen jüdischer und patristischcr Schriftauslegung
zu verdeutlichen. Die Mitherausgeberin, die die Fachwelt
auf die unterschiedliche Rezeption der Quaestiones in Katencn (dort
die literale Auslegung) und Florilegien (mit der Bevorzugung der allegorischen
Exegese) aufmerksam gemacht hat . hätte hier gewiß Wesentliches
beizusteuern gehabt. So muß man sich mit einer philologisch
gut durchgearbeiteten4, in der Kommentierung jedoch nur mit
gelegentlichen Querverweisen innerhalb des philonischen Werkes
selbst ausgestatteten Präsentation begnügen.

Leipzig/HallefSaale) Wollgang Wiefel