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Ausgabe:

1986

Spalte:

265-267

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Genesis 12 - 36 1986

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

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hören, zu antworten, er hat die Stätte verlassen, wo er bisher verehrt
wurde. Und seine Abwesenheit oder sein Weggehen kann dann auch
den Tod oder den Abstieg in den Scheol bedeuten.

bei den Propheten ist das Verbergen des Gesichtes Gottes immer
Antwort auf den Ungehorsam Israels, und die Folgen sind dieselben
wie in den Psalmen. Wenn Gott sein Gesicht verbirgt oder es abwendet
- von Jerusalem z. B. -, bedeutet das das Ende der Stadt als Stätte
des zentralen Kultes. Exil ist im Verständnis des Dcuterojcsaja die
Zeit des Zornes Gottes, wo er sein Antlitz verborgen hat. Ähnlich sieht
das auch das Deutcronomium. Man begegnet dieser Redewendung
auch in der Gerichtsankündigung. Aber das Verbergen ist nur vorübergehend
, man kann und darf die Vergebung, die Genesung. Heil
und Prosperität, den Schalom als Beweis der Gegenwart Gottes erwarten
.

Das 4. Kapitel verfolgt die nachbiblische Literatur und die Versionen
, hauptsächlich die LXX. Dort ist nämlich die Wendung s-t-r
partim meistens (28 : 2) übersetzt: Gesicht abwenden (nicht verbergen
) - apostrephein (nicht: ktypteiri). Der Autor führt in verschiedene
Erklärungsmöglichkeiten ein: die Übersetzungsmethode der LXX,
nach der die Übersetzung der späteren Bücher angepaßt wurde an die
schon früher übersetzten, oder die Hypothese der beliebten Worte der
LXX (die auch theologische Motive enthalten kann), oder die Hypothese
der Antianthropomorphismcn oder die Lösung M. Dahoods,
der die Form: hinter, allgemein als Hi von s-t-r verstanden, versteht als
Form von s-v-r mit dem eingelegten I. Die letzte Möglichkeit, die sehr
wahrscheinlich ist. ist die der Verschiebung der Bedeutung im 2. Jh.
unter dem Einfluß des Aramäischen, wo s-t-r I. verbergen (Dan 2,22),
aber s-t-r II. zerstören (Ez. 5,12) bedeutet.

Das 5. Kapitel untersucht dann den Gebrauch der Wendung in verschiedenen
literarischen Gattungen. In den Fragen an Gott ist dann
die Partikel: warum - oder: wie lange? verwendet. Dabei überwiegt
die Partikel: lama (in Beziehung zu Gott). Die Wendung s-t-r partim
ist dann im Parallclismus membrorum verbunden mit dem Zeitwort
„vergessen", hauptsächlich in den Klagepsalmen. Bei den Propheten
in der Gerichtsankündigung und 1 Icilsverheißung ist das Verbergen
Gottes nur eine andere Seite seines Vergessens. Die Wendung kann
aber auch mit den Verben des Verwerfens begleitet sein als Folge des
Ungehorsams und des Unglaubens Israels. In diesen Zusammenhang
gehört auch das Schweigen und die Ferne Gottes.

Das 6. Kapitel bearbeitet die Ergebnisse Für die alttcstamentlichc
Theologie. Die Verborgenheit Gottes ist nicht nur seine Antwort auf
den Ungehorsam und Unglauben des Volkes. Es geht ja doch um seine
Verborgenheit, um die Verborgenheit seiner Tätigkeit in der Welt.
s Seine Verborgenheit gehört zu seiner Natur. Er ist offenbar und zugleich
verborgen, nahe und zugleich fern.

Die Einzigartigkeit upd das Paradox des Glaubens Israels ist eben
darin zu sehen, daß Gott präsent ist in seiner Absenz, ebenso ist auch
der Glaube Glaube in Zweifel und Verzweiflung. Die Verborgenheit
Gottes gehört zu seiner Freiheit und Souveränität. Er ist verborgen,
wenn er gegenwärtig ist. Er ist fern, wenn er nahe ist. ..Du bist der verborgene
[oder der sich verbergende?] Gott, Gott Israels. Heiland"
(Jos 45.15).

Liberec Ladislav Horäk

Westermann. Claus: Genesis, 12-56. Lfg. 11-19. 720 S. Genesis,
57-50. Lfg. 20-25. 505 S. Neukirchen: Neukirchencr Verlag
1977-1982. gr. 8* = Biblischer Kommentar. Altes Testament,
12-5. Lw. DM 156.-/68,-.

Mehrais lünfzigJahrc nach dem Erscheinen des letzten deutschsprachigen
Genesiskommentars mit wissenschaftlichem Anspruch (Gun-
kel. '1910; Procksch. 2_,1924; König, 2_,1925) liegt nunmehr das
monumentale Werk W. s. abgeschlossen vor. Schon diese Tatsache
Für sich ist Grund genug, dem Vf. Anerkennung und Dank für die von
ihm geleistete kolossale Arbeil auszusprechen. Indes kommt noch der
Umstand hinzu, daß W, bei der Kommentierung nun auch von

Gen 12-50 insofern ganz konsequent verfährt, als er einerseits die literarische
Fragestellung zwar nicht ausblendet, sie aber doch gehörig
zurückdrängt und nur noch mit .1 und P rechnet, und andererseits den
Gunkelschen Neuansatz bewußt weiter verfolgt und alle Fragen auf
die Form- und Traditionsgeschichte als ihr eigentliches Korrektiv zurückführt
. Schließlich wird auch das altorientalische Vergleichsmaterial
vorgeführt und mit großer Nüchternheit und Zurückhaltung erwogen
, was es zur Erhellung von Gen 12-50 beizutragen vermag. Insgesamt
stellt sich nunmehr dieser Kommentar als ein alle Fragestellungen
aufgreifendes, abgerundetes und die Forschungsgcschichte zur
Genesis um ein neues Kapitel bereicherndes Werk dar.

Was nun speziell die Arbeit an Gen 12-50 angeht, so wird hinter
c. 56 eine Zäsur angebracht, so daß Gen 12-36 den 2. Teilband
(720 S.) und c. 37-50 den 3. Teilband (305 S.) bilden. Vom Umfang
her ist also ein leichtes Übergewicht der Kommentierung der Väter-
erzählungcn erkennbar.

Worum geht es W. hierbei vorrangig? Wie schon in „Genesis
12-50", 1975 (Erträge der Forschung48; vgl. ThLZ 107. 1982,
25-27) dargelegt, setzt W. bei der literarischen Endgestalt der Überlieferung
ein. verfolgt die schriftliche Phase der Überlieferung über P auf
.1. die R bei seiner Kompositionsarbeit je für sich ausreden ließ, zurück
, charakterisiert J, der die erste zusammenhängende Vätererzählung
schrieb, als einen „Schriftsteller, der gleichzeitig Tradent, Dichter
und Theologe ist" (S. 695), und erhellt sodann die mündliche
Phase der Überlieferung, der W.s gesteigerte Aufmerksamkeit gilt und
die er als reicher und vielfältiger, als bisher angenommen, ausweist.
Deren älteste Stadien reichten bis in die vorseßhafte, familicnbclontc
Väterzeit zurück. Von daher begründet sich W.s Überzeugung, daß in
den Vätcrcrzählungcn - W. bestimmt sie als eigenständige Gattung-
von Grundverhältnissen der menschlichen Gemeinschaft, also von
Eltern und Kindern bei Abraham, von Bruder und Bruder bei Jakob-
Esau und, das sei hier genannt, weil es im § I (Lfg 11, S. 1) mit aufgeführt
wird, von mehreren Gliedern einer Familie bei Joseph gesprochen
, und das heißt doch: theologisch gesprochen werde. So werde die
Eigenart der Vätergeschichten darin erkennbar, daß 1. die Väter als
Menschen dargestellt werden (Abraham - der elementar Bedrohte.
Jakob - der mit seinem Bruder Zusammenlebende) und 2. auch die
Religion der Väter zur noch nicht seßhaften Familicnstruktur passe
und keinerlei Bezüge zu politischem Geschehen enthalte.

So stimmig viele der hier genannten Vorstellungen W.s sind - und
es müßte aus der Exegese noch erheblich mehr aufgeführt werden -, so
bleibt doch die Grundfrage, ob dieses „Familienraster" als Deuteschema
die Erzählungen ganz erfaßt. Daß die Urgeschichte über
Grundbefindlichkeiten der Menschheit oder des Menschen handelt,
hat W. überzeugend dargelegt. Wenn nun aber z. B. die Jakob-Esau-
Erzählungcn der Thematik des Verhältnisses zweier Brüder zueinander
nachgehen, wären sie ja eigentlich eine Dublette zur Kain-Abel-
Erzählung von Gen 4, und die Problematik „Vater und Söhne" begegnete
ebenfalls bereits in Gen 9,18-27. Weil es in der Vätergeschichte
eben nicht mehr um die Menschheit, sondern um Israel und seine
Früh- und Vorgeschichte geht, müßte sich diese auch in ihrer Aus-
sageintention deutlich von der Urgeschichte abheben.

Es könnte sein, daß dieses Grundverständnis der Vätererzählungen
auch zu einer gewissen Einebnung der hinter den Abraham- und
Jakobcrzählungcn stehenden Wirklichkeit geführt hat. Würde in
Gen 12,6-9 nicht, wie W. es tut, das Itinerar wegen der sich darin ausdrückenden
nomadischen Lebensweise aus der Väterzeit hergeleitet,
sondern als eine von J mit der Ansicht, Abraham auch mit den Hauptzentren
der Jakobtradition Sichern und Bethel in Verbindung zu bringen
und ihn somit zum Erzvater schlechthin, eben zum ersten und ältesten
Erzvater des ganzen Landes zu machen, frei geschaffene Einheit
bestimmt, würde sich eine stärkere Differenzierung zwischen Ahraham
als dem Ahn des späteren Groß-Juda und Jakob als dem eigentlichen
Vater des späteren Nordreichs Israel ergeben, eine Differenzierung
, die auch die bewußte Aufnahme allein der Jakobtradition in
Hosea 12 verständlich machte.