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Ausgabe:

1986

Spalte:

263-264

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Werner H.

Titel/Untertitel:

Einfuehrung in das Alte Testament 1986

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Seite 1

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263

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

264

3. Waw induktivum-Lösung

Die dritte Theorie (von Bellamy und Gell) spricht anstelle des Waw
konsekutivum über das Waw induktivum. Sie sagt, daß bei Verwendung
dieses Waw die Zeitform nachfolgender Verben induziert wird
vom leitenden Verb. Der Autor verweist ganz richtig auf Fälle, wo
Erzählungen oder ganze biblische Bücher sogar mit diesem Waw beginnen
. Wo bleibt dann das leitende Verb? Wenngleich diese dritte
Lösung in der Theorie wenig bekannt ist, so wird sie doch nach Meinung
des Vf. bei der Übersetzung hebräischer Texte in der Praxis vielfach
benutzt.

4. Aspekt-Lösung

Ähnlich der zweiten Theorie kennt auch die vierte (Donaldson,
Ewald, S. R. Driver) als Grundgedanken die ,,Standortveränderung
des Schreibers" (transportation of the writer). Während nun die
zweite Theorie von relativen und absoluten Zeitformen spricht, redet
diese hingegen von relativen und absoluten Aspekten/Modi.

An dieser Stelle erörtert Vf. bis ins kleinste die Meinung der Vertreter
dieser Ansicht, und zeigt dabei ihre Vor- und Nachteile auf. Dabei
mißt er ihr kein besonderes Gewicht bei.

5. Diefaktual-deskriptive Lösung William Turners

Diese Theorie, über welche Vf. sagt, es sei schwierig, Schwachstellen
an ihr (in der von Turner dargebotenen Form) zu finden, bringt
einen ganz neuen Gedanken. Er wählt die Begriffe ,,faktual" für qtl-
Form (Perfcktum) und „deskriptiv" tür yqtl-F.orm (Imperfekt) und
sagt, daß die (///-Formen Abstraktes, Objektives, Nachrichten, Erklärungen
, Ursachen, Analytisches bezeichnen, hingegen die yqtl-
Formen für Konkretes, Subjektives, Bilder, Musterbeispiele, Vorstellungen
und Historisches gebraucht werden. Vf. beklagt, daß Turner
uns keine Beispiele hinterlassen hat, die zeigen, wie es möglich ist,
seine Theorie in der Praxis auf Formen mit Waw anzuwenden. Den
wesentlichen Beitrag sieht Vf. darin: Turner zeigt Mut darin, daß er
keine Brücke vom abendländischen zum hebräischen Denken baut,
wenngleich seine zeitlose Ansicht dem abendländischen Denken
schwer zugänglich ist und ihre Anwendung auf hebräische Texte noch
schwieriger erscheint.

6. Historisch-komparative Lösung

Ein letzter Kreis von Wissenschaftlern (Knudtzon, Bauer.
G. R. Driver, Thacker) findet die Lösung in der historischen Herkunft
der Formen. Nach Meinung dieser Sprachforscher kann die (///-Form
zwei Bedeutungen haben, weil sie aus dem doppelten qatil herrührt -
ursprünglich durch Betonung voneinander unterschieden.

Ähnlich sei auch die doppelte Bedeutung von /(///-Formen erklärbar
aus der Vereinigung von ursprünglichen Formen yaqatal (Präs. +
Fut.) und yaqtul (Vergangenheit). Wayyqtl-FoTmers stehen dann für
das eigentliche Präteritum.

Diese auf engsten Raum verkürzte Darstellung der sechs Punkte hat
keineswegs die Aufgabe, den Inhalt des Buches hier wiederzugeben
oder gar seine Lektüre zu ersetzen, vielmehr will sie andeuten, mit
welch kompliziertem Problem auseinanderzusetzen Vf. sich entschieden
hat. Schade, daß er nach solch umfassender wie eingehender
Arbeit kein klares Wort zur Lösung des "Enigma of HVS" sagt. Er
empfiehlt nur für zukünftige Forschung Turncr's Weg der faktual-
deskriptiven Lösung zusammen mit dem anderen der historischkomparativen
Lösung zu gehen. Daher ist vorliegende Arbeit lediglich
eine wertvolle Materialsammlung für einen beschränkten Forscherkreis
, der sich mit der Geschichte der hebräischen Grammatikforschung
befassen möchte und empfehlenswert als Ausgangsposition lür
solche, die des Vfs. Forschung fortzusetzen bemüht sein wollen.

Prag Tomas Novotny

Schmidt, Werner H.: Einführung in das Alte Testament. 3., erw. Aufl.
Berlin-New York: deGruytcr 1985. X, 393 S. 8° = de Gruyter Lehrbuch
, geb. DM 48,-.

Wiederum im Abstand von drei Jahren ist eine neue Aullage der
„Einführung in das Alte Testament" von Werner HL Schmidt erschienen
. Es erfüllt sieh also die in der Besprechung der I. Aufl.
(ThLZ 107, 1982. 21-23) ausgesprochene Erwartung, daß das Buch,
weil es eine Lücke füllt, eine ganze Reihe von Auflagen erleben
wird.

Der Text ist bis zu S. 339, dem Ende von § 29 (Das Hiobbuch) unverändert
geblieben. Von da ab gibt es-auch gegenüber der 2. Aufl. -
erhebliehe Erweiterungen. Es ist ein neuer § 30 hinzugekommen - Die
Frage nach der Einheit des Alten Testaments. Aspekte einer „Theologie
des Alten Testaments" -, der in ein wichtiges Grundproblem einführt
, das vor jedem steht, der sich mit der Theologie des Alten Testaments
beschäftigt. Der bisherige § 30 „Für und wider das Alte Testament
", nunmehr §31, ist etwas erweitert worden. Eine ganz erhebliche
Erweiterung erfuhren dann die Litcraturangaben am Schluß des
Buches. Vergleicht man die Literaturverzeichnisse der drei Auflagen
miteinander, so gewinnt man einen Eindruck von den Hauptrichtungen
der Forschung in den letzten Jahren. Es gibt Bereiche, wo sich
neuere Untersuchungen häufen und andere, die gegenwärtig nur
wenig Interesse finden.

Für die nächste Auflage, die gewiß kommen wird, ist zu wünschen,
daß nicht wieder ein Nachdruck des bisherigen Textes bis S. 339. sondern
seine Überarbeitung erfolgt, in der Anregungen von Lesern und
Rezensenten berücksichtigt werden. Das muß nicht mit einer Verlängerung
gleichbedeutend sein.

Berlin Ludwig Wächter

Balcntine, Samuel E.: The I Milden God. The Hiding of the Face Ol
God in the Old Testament. Oxford: Oxford University Press 1983.
XIII, 202 S. 8" = Oxford Theological Monographs. Lw. £ 15.-.

Das vorliegende Buch enthält nicht nur die philologische Bearbeitung
der Begriffe, die die Verborgenheit Gottes im AT ausdrücken,
sondern auch die. die aus weiteren Gebieten des Vorderen Orients belegt
sind. Die Ergebnisse werden dann auch durchdacht und erörtert
im Rahmen deralttcstamentlichcn Theologie. Das Buch ist übersichtlich
eingeteilt in 6 Kapitel mit ausdrucksvollen Überschriften und abschließender
Zusammenfassung. Jedes Kapitel ist meistens in 4 Teile
gegliedert, einige dann noch weiter. Ausnahme ist das 5. Kapitel, das
nur2 Teile enthält, der 1. Teil hat dann 4 Abschnitte.

Das I. Kapitel - das semantische Feld - untersucht die Begriffe lür
„verbergen" im allgemeinen und für die Verborgenheit Gottes im besonderen
, und in übersichtlichen Tabellen läßt Vf. die Ergebnisse der
Untersuchung zusammen. Der Begriff für die Verborgenheit Gottes ist
das Zeitwort s-l-r.

Das 2. Kapitel - der historische Hintergrund - enthält die etymologischen
Informationen und macht auch auf weitere semitische Begriffe
lür die Wendung: das Gesicht, das Antlitz verbergen (s-l-r panim) aufmerksam
. Aus vorgelegten Belegstellen, hauptsächlich aus dem Akka-
dischen, geht hervor, daß der Ausdruck „das Gesicht verbergen oder
wenden" Ausdruck lür den Zorn oder den Unwillen der Gottheit oder
des Höherstehenden ist. Ähnlieh ist es in vielen Fällen auch im AT.
Das Verbergen des Gesichtes kann dann nicht nur Feindschaft, sondern
auch den Tod bedeuten. Die Wendung kommt in erster Linie in
den Klageliedern und in den Gebeten um Rettung vor. Die Redewendung
ist ziemlich alt - sie ist ins Hebräische aus dem Akkadisehen und
Hethitischen übernommen, selbstverständlich in der veränderten
Form. Die Spuren „der Gottes Ferne" kann man bis ins 2. Jt. verfolgen
. Bei den Sumerern und Hethitern, auch in Ägypten ist die Prospe-
rität-des Einzelnen und der Gemeinschaft Zeichen der Gegenwart der
Ciotthcit. das Unglück ist dann Beweis des Zornes und der Ferne der
Gottheit.

Das 3. Kapitel beläßt sieh mit der Wendung s-t-r panim im AT. Sie
kommt am meisten in den Psalmen (12x) und bei den Propheten (1 Ix)
vor. selten im Pcntateuch (nur 4x, davon 3x im Deuteronomium) und
2x in Ijob. Meistens ist sie Teil der Klage des Einzelnen (9x). als Frage
nach der Ursache - nicht immer ist es nur die Sünde - oder als Feststellung
der Folgen: Gott weigert sieh oder lehnt ab zu sehen, zu