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Ausgabe:

1986

Spalte:

262-263

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

MacFall, Leslie

Titel/Untertitel:

The enigma of the Hebrew verbal system 1986

Rezensent:

Novotný, Tomáš

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 4

262

wurden als religiöse Protestbewegungen gegen zivilisatorische Sinn-
cntlcerungötTcntlichkeitswirksam.

Die vorliegende Publikation des Hallenser Okumenikers und Pietismusexperten
H. Obst transzendiert bisherige sektenkundliche
Themenkreise, die vorwiegend religiösen Randgruppen der Christentumsgeschichte
der Neuzeit galten (vgl. Apostel und Propheten der
Neuzeit, Berlin 1981,2., erw. Aufl. 1982).

Trugen dort konkrete Anschaulichkeit, kritisches Verständnis der
teilweise durch persönliche Kontakte bekannten Zusammenhänge,
Verzicht auf Polemik bei Aufweis der religiösen Positionsunterschiede
zu einem instruktiven Bild der innerhalb der DDR wichtigsten
religiösen Sondergemeinschaften bei, so kann diese von kritischem
Blick für soziokulturcll defizitäre Faktoren wie für biographische
Abartigkcitcn zumal der Führergestaltcn (Gurus) gekennzeichnete
Darstellung durchaus als „sachdienliche Bestandsaufnahme
der neureligiösen Szene" gelten: ausführliche Information „über Geschichte
, Organisation und Verbreitung der wichtigsten Gruppen
und . . . ihre Lehrgrundzüge und Lebensformen" (Vorwort) ist gewährleistet
.

Mit reichem Illustrationsmaterial vorgestellt werden die Krishna-
Bewegung, die „Mission des Göttlichen Lichts", die „Transzendentale
Meditation", die Bhagwan-Bewegung sowie Ananda Marga als
„sozio-spirituclle" Bewegung, denen die hinduistische Tradition in
euro-amerikanischer Ausrichtung gemeinsam ist; die Scientology-
Kirche Hubbards als „eine Art Psychotechnik mit religiösem Anstrich
bzw. religiösen Voraussetzungen" (S. 15); schließlich die mit
endzeitlichen Reich-Gottes-Vorstellungen durchsetzten Gruppierungen
: die „Vercinigungskirchc" des Koreaners Mun sowie die „Kinder
Gottes" (Familie der Liebe) des David Berg, beide mit dem Ziel einer
endzeitlich-cschatologischen Antigesellschaft. Die „Vereinigungskirche
", kommerziell beachtlich dominant, mit politisch-religiösem,
antikommunistisch akzentuiertem Einflußwillen, verheißt die Wiederherstellung
der „wahren Familie" durch Sündcnfall- und Er-
lösungsspckulationcn. Sie gilt infolge des messianischen Anspruchs,
den Mun erhebt, als gefährliche Rivalin des Christentums mit pseudoökumenischem
Vercinigungs- und Übcrbictungsanspruch. Ihr eignet
eine purifikatorische Tendenz auch gegenüber anderen Religionen.
Die auch sonst präsente kontroverstheologische Argumentation des
Autors tritt darum besonders nachdrücklich konturiert hervor. Demgegenüber
kann die „Familie der Liebe" David Bergs mit ihren auch
sexuelle Angebote einschließenden Werbepraktiken mit ebenfalls
pervertierten Reich-Gottes-Vorstellungen prognostisch als ephemere
(Luppe bezeichnet werden (S. 547).

Die „Jugendreligionen", die ihre Zielgruppen gleichwohl nicht
durchweg unter Jugendlichen haben, werden trotz jeweils vorhandener
unterschiedlicher Traditionsbindung und -Vermittlung ostasiatischer
Religiosität und Herkunft als religiöse Neubildungen verstanden
, wobei auch die verschiedenen curo-amerikanischen Rczeptions-
phasen angedeutet sind. Die gemeinsamen Kennzeichen von Jugendsekten
und Psycho-Gruppcn (autoritäre Führergestalt, Erlösungsanspruch
, psychische Abhängigkeit, Kritiklosigkeit, wirtschaftliche
Ausbeutung; vgl. Rüdiger Hauth: Die nach der Seele greifen. Psycho-
kult und Jugendsekten, Gütersloh 1979) haben zu einer im westeuropäischen
, besonders auch bundesdeutschen Bereich ansteigenden
Aufklärungslitcratur geführt, bei der auch die kircheninstitutionelle
Apologetik maßgebend eingeschaltet war. Neben vielen anderen sei
verwiesen auf Friedrich-Wilhelm Haack: Jugendreligionen. Ursachen
- Trends - Reaktionen. Religion und Glaube, Bd. 4. München 1979
(s. ThLZ 107, 1982, 19ffj, aus dessen Arbeitsumkreis die Prägung
„Jugendreligionen" 1974 entstand (zur Bcgriffsbildung u. a. vgl. dort
S. 9(T). Auf diesen forschungsgeschichtlichen Vorlauf, natürlich auch
auf Originalquellen und Erfahrungsberichte Betroffener stützt sich die
vorliegende Veröffentlichung, wobei sie mitunter auch Angaben der
Sekundärliteratur korrigiert (vgl. S. 117, Anm. 5). Die Anmerkungen
hei Obst vermitteln dem Leser zugleich einen ziemlich detaillierten
Litcraturübcrblick;auch Kleinlitcratur ist beigezogen.

Die kritische Auseinandersetzung mit den neureligiösen Phänomenen
benennt die Scheinlösungen, die den behandelten Existenzangeboten
dieser „Jugendreligionen" inhärent sind; vielfach genügt bereits
der Aufweis der Sachverhalte in ihren religiös-gesellschaftlichen Zusammenhängen
, um Perversionen deutlich zu machen. Die christliche
Position bleibt ohne schultheologische Verengung sichtbar und leitet
die grundsätzlichen Argumentationskriterien.

Einer sozialstatistischen Aufschlüsselung des psychopathologischen
Gefährdungspotentials, das Angehörigen dieser "destruetive cults"
droht (vgl. Münchener Medizinische Wochenschrift, Nr. 49, 1984,
S. 1465 ff), bedurfte es im Blick auf das Erscheinungsland ebensowenig
wie der in westlichen Publikationen üblichen Hinweise auf Beratungsund
Hilfsstellen. Die Gefährdungsfaktoren sind indes klar benannt.

So bietet das Buch von H. Obst eine solide Informationsbasis, von
der aus sich ein abgerundetes Bild über die einschlägigen Phänomene
der neureligiösen Szenerie ergibt. Dem Leser in der DDR, wenngleich
gesellschaftsbedingt nicht direkt damit konfrontiert, wird eine gute
Orientierung geboten; auch unter verlcgerischem Gesichtspunkt eine
verdienstvolle Pionierleistung.

Aberrationen vom religiösen Normalhabitus können im Zeichen
eines wachsenden Pluralismus nicht lediglich stigmatisiert, sondern
müssen gerade wegen der Notwendigkeit begründeter und wirksamer
Abwehr zeithistorisch-kontextual eingeordnet werden, um als Signale
von existentiellen Defiziten verständlich zu sein. Auch in diesem
Sinne bleibt die Darstellung diskurslahig.

Weniger mit religionsgeschichtlichcn Phänomenen vertrauten,
gleichwohl am Thema interessierten Lesern wird eine lexikogra-
phischc Erklärung mancher Begriffe erwünscht sein. Das wäre eine
Anregung an das sonst sehr leserfreundlich gestaltete Buch.

Leipzig Kurt Meier

Altes Testament

McFall. Leslie: The enigma of the Hebrew verbal System. Solutions
from Ewald to the present day. Sheffield: Almond Press 1982. XIII,
259 S. gr. 8" = Historie Texts and Interpreters in Biblical Scholar-
ship.2. Kart. £ 8.95, Lw. £ 17.95.

In diesem Buch hat Vf. eine Vielzahl von Erkenntnissen gesammelt,
die das hebräische Vcrbalsystem (HVS) betreffen. Er bietet auf übersichtliche
Weise die wichtigsten Meinungen zu diesem Gebiet vom
9. Jh. bis zur Gegenwart an. Dabei befaßt er sich in der Hauptsache
intensiv mit dem Zeitraum von 1827-1954. Zehn von ihm untersuchte
Theorien ergeben diese Grundannäherung zum HVS:

/. Zeillösung- Theorie waw hippuk

Diese sehr alte, aber bis auf den heutigen Tag populäre Ansicht
wurde von jüdischen Grammatikern aufgestellt und wurde auch von
Gcscnius aufgenommen. Diese Theorie legt unsere Zeitkategorien in
das HVS hinein und sagt, daß waw vor einem Verb die Zeitform der
Zukunft in die Zeitform der Vergangenheit verändert als auch umgekehrt
. Den Schwachpunkt dieser Meinung sieht Vf. in der Voraussetzung
, das HVS sei ein Zeitsystem gewesen.

2. Relaliv-Zeit-Lösung

Diese Ansicht, deren Hauptschöpfer Schroeder, Weir und Lee
waren, setzt voraus, daß es im HVS nur 2 Zeitkategorien gab und entsprechend
dem Standpunkt des Schreibers benutzt wurden, aus welchem
er schrieb: entweder "from the time in which they are living"
(Absoluter Standpunkt) oder "from the time of which they are writ-
ing" (Relativer Standpunkt). Den Nachteil dieser Meinung sieht Vf.
in der Tatsache, daß der Schreiber seinen Standpunkt von Vers zu
Vers verändert haben müßte. Darüber hinaus nimmt sie die Vielfalt
von syntaktischen und anderen Faktoren, welche die Zeitwortform
bestimmen, nicht ernst. Ihr positiver Beitrag ist darin zu sehen, daß sieden
Unterschied von HVS zum indo-germanischen Sprachsystcm bewußt
macht.