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Ausgabe:

1986

Spalte:

223-227

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schlink, Edmund

Titel/Untertitel:

Ökumenische Dogmatik 1986

Rezensent:

Fischer, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 3

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senheit erfährt, zugleich aber als der Auferweckte der Gegenwärtige
wie der Bürge der Zukunft. Gerade hier, in der Interpretation von
Kreuz und Auferstehung, zeigt sich die Fähigkeit Joests, die komplizierte
Diskussion zu ordnen und einen eigenen gangbaren Weg durch
das Dickicht der historischen und dogmatischen Probleme zu finden
.

Daß sich die Pneumatologie gegen eine der Gotteslehre und der
Christologie analoge Behandlung sperrt, wurde schon vermerkt. Das
liegt sicher mit daran, daß sie in der Tradition keine diesen Lehrstük-
ken entsprechende selbständige Ausbildung gefunden hat. Es liegt
aber auch an dem von Joest gewählten Weg der Darstellung, daß er an
dieser Stelle in Schwierigkeiten gerät. Denn hier muß er von der Anwesenheit
Gottes im Menschen, dem lebendigen, durch Gott geschaffenen
und dem erneuerten Menschen reden, ohne diesen Ort schon
eingangs zum Thema gemacht zu haben. An die Stelle der erzählten
Geschichte tritt hier in der Vorbesinnung eine Sammlung biblischer
Aussagen zum Hl. Geist. Und eine eigene Darstellung der traditionellen
Lehrform muß hier entfallen. Sicher gelingt es der Interpretation
auch hier, von der Bindung des Geistes an Christus aus zu einer Darstellung
des Wirkens wie dann der Wirklichkeit des Hl. Geistes zu
kommen. Doch sind diese Ausführungen mit der Schwierigkeit belastet
, daß keine eindeutige Entscheidung für ein Verständnis des Geistes
als personhafte Gegenwart oder aber als von Gott ausgehende
Kraft und Gabe getroffen wird. Joest will hier kein Entweder - Oder
sehen; denn der im Menschen wirksame Geist darf nicht als Fremdbestimmung
, als Bedrohung menschlicher Freiheit gesehen werden.

Wie sich diese Unentschiedenhcit im Fortgang der Dogmatik, in
Anthropologie und Soteriologie insbesondere, auswirken wird, bleibt
abzuwarten. In der den ersten Band dieser Dogmatik abschließenden
Trinitätslehre zeigt es sich daran, daß nun doch nur ein Teilbereich
der biblischen Aussagen zum Geist aufgenommen werden kann: Joest
will in der Auslegung des trinitarischen Bekenntnisses von drei
„Orten" sprechen, in die Gott kommt, um seine Selbstbewegung zur
Einholung des Menschen in das Zusammensein mit ihm zu vollziehen
. Das mag angehen, wenn von Jesus Christus als dem „Ort"
gesprochen wird, in dem Gott mit uns geworden ist. Es wird problematisch
, wenn gesagt wird, im Hl. Geist mache Gott unser Selbst zu
dem Ort, in dem er ist und wirkt. Damit ist die Schöpferwirksamkeit
des Geistes ausgefallen, und erst recht noch einmal die Frage nach
dem Hl. Geist, den Joest ja mindestens auch persönlich denken will, in
seinem Verhältnis zu diesem Selbst offengeblieben.

Die Dogmatik von Joest regt zur Diskussion an. Andere werden
sicher an anderen Stellen als gerade bei den pneumatologischen Ausführungen
ihre kritischen Fragen stellen. Doch soll hier vor allem auf
die Fülle von Anregungen und Hilfen dieses Buches hingewiesen werden
, das man auch einem theologisch interessierten Laien in die Hand
geben kann. Wer Dogmatik lernen will, und wer sie lehrt, kann an der
Arbeit Joests nicht vorbeigehen.

Erlangen Friedrich Mildenberger

Schlink, Edmund: Ökumenische Dogmatik. Grundzüge. Mit Geleitworten
von H. Fries und N. A. Nissiotis. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1983. XXI, 828 S. gr. 8". Lw. DM 98,-.

Mit der „Ökumenischen Dogmatik" hat Edmund Schlink seinem
theologischen Lebenswerk die abschließende Gestalt gegeben; ein
Jahr nach der Veröffentlichung des Buches ist sein Autor gestorben.
Die Zielsetzung dieser Dogmatik drückt sich im Titel aus: Es geht
Schlink - allerdings nur in „Grundzügen", wie der Untertitel einschränkend
hinzufügt - um die ökumenische Wahrnehmung der
christlichen und kirchlichen Lehrsubstanz. Seine Aufgabe sieht er
darin, „nicht von außen, nämlich von den dogmatischen Gegensätzen
, die die Grenzen der voneinander getrennten Kirchen kennzeichnen
, sondern von innen, nämlich von dem ihnen gemeinsam gebliebenen
Dogma auszugehen, es zu überprüfen, es neu zu begründen und in
die geistige Situation unserer Zeit hinein auszulegen. Es wird hier also

nicht von den traditionellen konfessionellen Gegensätzen her ein
Konsensus gesucht, sondern es wird umgekehrt von dem neu bewußt
zu machenden Konsensus her ein neues Verständnis jener Gegensätze
und ihres Gewichtes im Ganzen des christlichen Glaubens angestrebt
" (V). Schlink will diesen bewußt zu machenden Konsensus
nicht auf der Linie eines „minimalistischen" Querschnitts durch die
geltenden kirchlichen Lehrmeinungen zur Sprache bringen, sondern
„maximalistisch" als Vergegenwärtigung der apostolischen Botschaft
und des den Kirchen durch die Jahrhunderte hindurch gemeinsam
gebl iebenen Credo (52 f).

Mit der ökumenischen Zielsetzung dieser Dogmatik verbindet sich
ein bestimmtes methodisches Interesse, das Schlink erstmals 1957 in
seinem Aufsatz „Die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches
Problem" umrissen hatte. Die dort ausgesprochene und hier
breit zur Anwendung gebrachte Einsicht besagt, daß der Glaube sich
in unterschiedlichen „Strukturen" wie Gebet, Doxologie, Bekenntnis,
Verkündigung etc. ausspricht und daß diese strukturell unterschiedlichen
Aussagen sich nicht immer und ohne weiteres in dogmatische
Lehre übertragen lassen. Der Inhalt von Glaubensaussagen kann also
nur durch Berücksichtigung der jeweiligen Struktur angemessen erfaßt
werden. Im Unterschied zum sonst üblichen Vergleich einzelner
dogmatischer Sätze verspricht Schlink sich von solch einem - an sich
selbstverständlichen - methodisch differenzierten Verfahren cht
höheres Maß an Ubereinstimmung konfessionell verschiedener Lehraussagen
. Dementsprechend muß sich die Ökumenische Dogmatik
neben der dogmatischen auch auf anderen Sprachebenen bewegen.
„Wenn die Ausdrucksweise dieser Dogmatik sich manchmal der
Struktur der Verkündigung, des Gebetes oder des Bekenntnisses
annähert, so ist dies nicht als Ausflucht in die Erbaulichkeit, sondern
als reflektierte Folgerung aus der Analyse der theologischen Sprache
zu verstehen, innerhalb derer die dogmatische Lehre den Aussagen
des Bekenntnisses, des Gebetes und der Verkündigung dienend zugeordnet
ist" (VI). Es charakterisiert also diese Ökumenische Dogmatik
, daß sie nicht streng dogmatisch verfahrt - mit all den Nachteilen,
die das für die Präzision des dogmatischen Gedankens mit sich bringt.
Denn die Darstellung nähert sich nicht nur „der Struktur der Verkündigung
, des Gebetes oder des Bekenntnisses" an, sondern bedient sich
auch sonst nicht-dogmatischer Stilmittel. So wird z. B. die dogmatische
Reflexion über „Das alttestamentliche Gesetz" (211-251) verknüpft
mit einem Bericht über die wesentlichen Stationen der
Geschichte Israels, die Lehre von der Kirche (Kap. 19-22) paraphra-
siert aufweiten Strecken neutestamentliche und frühchristliche Sachverhalte
, im 21. Kapitel über „Die Erhaltung der Kirche" wird der
Leser u. a. über die geschichtliche Entwicklung des Kanons (631 ff)
oder über Prinzipien der Erforschung der Heiligen Schrift (638 If), des
Dogmas (655 ff) und des Kirchenrechts (669ff) informiert. Dieser ständige
Wechsel des darstellerischen Genus wirkt verwirrend und signalisiert
ein grundsätzliches Problem dieser Dogmatik: Um der ökumenischen
Konsensintention willen wird die Klarheit der dogmatischen
Argumentation ins zweite Glied gerückt.

Der Aufhau läßt etwas von der Eigenart des Buches erkennen. Es
gliedert sich in vier Teile, denen ein einleitender Teil über „Das Evangelium
als Voraussetzung kirchlicher Lehre" (1-71) vorausgeschickt
wird. Es folgen: I. Die Lehre von der Schöpfung (73-210), II. Die
Lehre von der Erlösung (211-536), III. Die Lehre von der Neuschöpfung
(537-724) und IV. Die Lehre von Gott (725-804). Ein
Bibelstellen- und Sachregister beschließen den Band; ein Personenverzeichnis
fehlt. Die Gliederung und auch die Unterglicderung dieser
vier bzw. fünf Teile weisen manche Besonderheiten auf, die auch kurz
erläutert werden (67-71): 1. Schlink beginnt nicht mit einem
Abschnitt, in dem die sachlichen, historischen und methodischen
Voraussetzungen und Prinzipien der Dogmatik abgeklärt werden,
sondern setzt unmittelbar beim „apostolischen Evangelium" (71) ein.
Diejenigen Themen, denen üblicherweise die Prolegomena bzw. die
Prinzipien/ehre gewidmet sind, tauchen entweder nur andeutungsweise
auf oder kommen in anderen Problemzusammenhängen zur