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Ausgabe:

1986

Spalte:

214-215

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Ockham, Guillelmus de

Titel/Untertitel:

Quaestiones in librum quartum Sententiarum; Quaestiones variae 1986

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 3

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darum in besonderem Maße befähigt, weil er die Jeremiahomilien, die
den größeren Teil der hier vereinigten Texte ausmachen, bereits in
den Sources Chretiennes (223/1976 und 238/1977) ediert hatte.
Klostermanns Arbeit war zu ihrer Zeit bahnbrechend gewesen. Sie
stützte sich (zum ersten Mal in der Editionsgeschichte) auf eine genaue
Kollation der wichtigsten griechischen Handschrift (des Scorialensis,
eines Pergamentcodex des 11./12. Jhs.);dazu hatte sich Klostermann
eine gründliche Kenntnis der Überlieferung der Hieronymusübersetzung
verschafft und sehr viel Mühe darauf verwandt, die Origenes-
zitate in den Prophetencatenen zusammenzusuchen. Nautin meinte,
der Leistung Klostermanns dadurch am besten gerecht zu werden, daß
er den Band abgesehen von der Druckfehlerberichtigung unverändert
übernahm, und in einem sechzehnseitigen Anhang zusammenfaßte,
was in den achtzig Jahren seit Klostermanns Ausgabe an neueren
Erkenntnissen hinzugekommen ist. Daß diese Fortschritte der Wissenschaft
vor allem Klostermann und Nautin zu danken sind, ist nicht
unnatürlich, nicht minder, daß sich unsere Kenntnisse in dieser Zeit
nicht sprunghaft vermehrt haben. Das Wichtigste sei davon genannt.
Es betrifft vor allem die Entstehungsverhältnisse der Homilien. - So
hatte Klostermann die Frage offengelassen, ob die Jeremia- oder die
Numerihomilien älter seien. Nautin kann auf einen übersehenen Passus
verweisen, in dem Origenes erklärt, er habe die Auslegung des
Numeribuches noch vor sich. - Nautin ist auch eine genauere Bestimmung
der Abfassungszeit möglich. Er tritt dafür ein, daß alle Homilien
des Origenes einer liturgischen Predigtreihe angehören, die innerhalb
dreier Jahre zwischen 239 und 242 in Cäsarea vorgetragen
worden sei. Die Jeremiahomilien fallen dabei in die Jahre 240 oder
241.

Besonders fruchtbar wirkt sich Nautins Hypothese aus, die Homilien
seien ursprünglich einzeln veröffentlicht und überliefert gewesen
und seien erst nachträglich - vermutlich zwischen 366 und 379 in
Cäsarea - zu einem Corpus zusammengefaßt worden. Damit erklären
sich ebenso Vertauschungen im Scorialensis wie die Unordnung in der
Ubersetzung des Hieronymus; diesem hätten die Homilien einzeln
und noch nicht als Sammlung vorgelegen. Zugleich ergibt sich auf
diese Weise, warum Hieronymus nur einen Teil der Homilien übersetzt
hat: Seine Sammlung war unvollständig, und er mußte sich auf
die Predigten beschränken, die er auftreiben konnte. Die Hypothese,
daß Hieronymus eine aus einzelnen Rollen bestehende und mithin
ältere Vorlage benutzt habe, erklärt schließlich auch die Differenzen,
die zwischen seinem Text und dem des Scorialensis zu beobachten
sind. Klostermann hatte die Möglichkeit offengelassen, daß die beiden
Texte auf verschiedene Stenogramme zurückzuführen seien. Nautin
kommt zu der plausiblen Ansicht: „Die Divergenzen ... erklären sich
vollkommen durch die Tatsache, daß der Scorialensis von einem
Exemplar abhängig ist, in dem die Homilien zu einem Corpus vereinigt
waren, während Hieronymus von einer Kopie abhängt, die von
einem älteren Exemplar genommen war" (354). - Der Text der Homi-
lie über die Hexe von Endor hat dadurch eine breitere Grundlage
erhalten, daß in dem 1941 in Tura gefundenen (und noch nicht vollständig
veröffentlichten) Origenespapyrus ein Auszug aus dieser
Homilie enthalten war. Nautin hat den nach einer ersten Veröffentlichung
erneut kollationierten Text in seinen Anhang aufgenommen
.

Klostermann hatte seiner Ausgabe bereits eine Liste von ca. 250
Nachträgen und Berichtigungen beigegeben. Nicht viel kürzer ist die
Liste der Ergänzungen, die Nautin der zweiten Auflage beigefügt hat;
einen großen Teil davon nehmen seine eigenen Vorschläge ein. Der
Benutzer ist somit gezwungen, den Text, den er liest, fortgesetzt an
zwei verschiedenen Stellen daraufhin zu kontrollieren, ob Nachträge
vorliegen. Das ist unbequem; doch kann man kaum Nautin zum Vorwurf
machen, daß er mit diesem Verfahren die Bedeutung der Arbeit
Klostermanns hervorgehoben und sein eigenes Verdienst zurückgestellt
hat.

Kiel Heinrich Kraft

Theodoret de Cyr: Commentaire sur Isa'ie. Introduction, Texte
critique, Traduction et Notes par J.-N. Guinot. 1 (Sections 1 -3).
334 S. 1980; II (Sections 4-13). 481 S. 1982; III (Sections 14-20).
463 S. 1984. Paris: Ed. du Cerf 8° = Sources Chretiennes, 276, 295,
315.

Bei Text, textkritischem Apparat und den Ausführungen über die
Überlieferung handelt es sich um einen durchgesehenen Wiederabdruck
der Edition von A. Möhle, Theodoret von Kyros. Kommentar
zu Jesaia, Berlin 1932 (Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens
Bd. V). Wie C. Mondesert in der Einführung Bd. I, S. 7 zur Begründung
sagt, gäbe es nur wenige Exemplare dieses Werkes Möhles. Auf
jeden Fall ist die Aufnahme dieses Kommentars in die Reihe Sources
Chretiennes zu begrüßen. Guinot steuert eine Einführung in die exegetische
Methode Theodorets, kommentierende Anmerkungen zum Text,
eine französische Übersetzung und verschiedene Indices bei.

Nicht erwähnt fand ich leider das Buch von Ch. Schäublin, Untersuchungen
zur Methode und Herkunft der antiochenischen Exegese,
Köln/Bonn 1974. In der Einführung Guinots wird nämlich zu stark
die Methode Theodorets nur aus sich gedeutet, nicht aber wird genügend
als Hintergrund die Methode der antiochenischen Schule beachtet
. Zu dieser sollte man jetzt auch den Psalmenkommentar des
Diodor von Tarsos hinzuziehen (ed. J.-M. Olivier, Corpus Chri-
stianorum, Ser. Gr. 6, Turnhout 1980). Zum Prinzip der Theoria ist
die Schrift „Über den Unterschied zwischen Theoria und Allegoria"
zu vergleichen, die in der Suda Diodor zugeschrieben wird (ed.
A. Adler, II, Leipzig 1931, 103) und von O. Bardenhewer (Geschichte
der altkirchlichen Literatur, III, Freiburg 1912. 21923, 307) mit
Diodor, In Ps. CXVIII (Prolog) identifiziert wird. Wie dem auch sei,
wird in diesem Prolog jedenfalls die antiochenische exegetische
Methode sehr deutlich. Guinot hat ihn nicht berücksichtigt.

Leider ist der Wortindex (III 402-460) nur auf theologische
Probleme bezogen. Zu beachten ist die Zeittafel (III 376-385).

Kurz: Eine sehr nützliche Ausgabe eines wichtigen Kommentars
des fleißigsten Exegeten der antiochenischen Schule.

Berlin Friedhclm Winkelmann

Ockham, Guillelmus de: Quaestiones in librum quartum Senten-

tiarum (Reportatio), ed. Rega Wood et Gedeon Gäl adlaborante
Romualdo Green. St. Bonaventure, N. Y.: St. Bonaventure Univer-
sity, The Franciscan Institute 1984. 30*. 384 S. 4' = Guillelmus de
Ockham: Opera philosophica et theologica. Opera theologica,
VII.

-: Quaestiones variae, ed. Girardus I. Etzkorn, Franciscus E. Kelley,
JosephusC. Wey. St. Bonaventure, N. Y.: St. Bonaventure Univer-
sity, The Franciscan Institute 1984. 24*, 482 S. = Guillelmus de
Ockham: Opera philosophica et theologica. Opera theologica,
VIII.

Mit diesen beiden Bänden erreicht die kritische Ausgabe von
Ockhams Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus nach
17 Jahren ihren Abschluß, der nun durch den Einsatz der Computertechnik
beschleunigt werden konnte (vgl. ThLZ97, 1972, 922-924;
103, 1978, 515-517; 106, 1981, 345f; 110, 1985, 123-125). Nach
dem Durcharbeiten der handschriftlichen Überlieferung werden
Schlüsse über die Entstehung der theologischen und philosophischen
Schriften Ockhams gezogen. Danach hat Ockham seine Sentenzenvorlesung
wahrscheinlich von 1317 bis 1319 an der Universität
Oxford gehalten, so daß die vorliegenden reportationes zu den
Büchern 2 bis 4 in diesen Jahren entstanden sind. Abweichend von
diesen Angaben in Bd. 1, 36* und 8, 22* wird 7, 16* die Vorlesung
über die Bücher 2 bis 4 auf das Studienjahr 1317/1318 angesetzt. An
die Sentenzenvorlesung schloß sich eine zweijährige Beschäftigung
mit der Bibel an.

Diese verdienstvolle Ausgabe gibt der Ockhamforschung nicht nur
durch die neue, kommentierte und durch Register sehr gut erschlossene
Textfassung ein wichtiges Arbeitsinstrument in die Hand, sondern
auch dadurch, daß sie mit dem Band „Quaestiones variae" Beob-