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Ausgabe:

1986

Spalte:

212-213

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Jeremiahomilien, Klageliederkommentar

Titel/Untertitel:

Erklärung der Samuel- und Königsbücher 1986

Rezensent:

Kraft, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 3

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schön wäre also, wenn man so die wahre Religion in einem Gemüthe
festsetzen könte. Aber unsere kirchliche Anstalten sind alle dazu ein-
gericht, von Jugend auf Pharisäer und äußerliche Ceremonienchristen
zu bilden, wie wirs haben: zu bitten ohne Andacht, zu lesen ohne Verstand
, an die äußere Gebräuche sich zu halten, immer einerley evangelische
Texte, immer einerley Gebete und von Jugend auf leere
Worte in der Schul zu fassen und ins Gedächtnis zu bringen; bey Morgen
- und Abendsegen, bey vor und nach dem Essen bitten sieht man
nichts anders als die alte Leyer. Da ists ein mosaisch christliches Christenthum
ohne den Geist des Neuen Testaments. Was Wunder, daß
man sich daran ärgert?" (S. 3500

Potsdam Peter Schicketanz

Köber, Renate: Charlotte von Kirschbaum - eine Theologin unseres Jahrhunderts
(JK 46, 1985,382-389).

Reese, Hans-Jörg: Konsensus und Dissensus - Die theologische Erklärung
von Barmen 1934 (Lutherische Kirche in der Welt, 31, 1984,61 -86).

Reventlow, Henning Graf: Die Entstehung der historisch-kritischen Bibelexegese
auf dem Hintergrund von Aufklärung und neuzeitlicher Rationalität. (In:
Riedlinger. Helmut [Hg.J: Die historisch-kritische Methode und die heutige
Suche nach einem lebendigen Verständnis der Bibel. Freiburg 1985,
S. 35-53).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Fischer, Balthasar: Die Psalmen als Stimme der Kirche. Gesammelte
Studien zur christlichen Psalmenfrömmigkeit. Hrsg. von A. Heinz
anläßlich des 70. Geburtstages von Prof. Dr. Balthasar Fischer am
3. Sept. 1982. Trier: Paulinus-Verlag 1982.247 S., 1 Porträt gr. 8°.

Sind neuere auslegungsgeschichtliche Arbeiten oft von zweifelhaftem
Wert für die kirchen- und dogmengeschichtliche Forschung, so
gilt das nicht für die Thematik dieses Bandes. Die Auslegungsgeschichte
der Psalmen gehört zu den fröm'migkeitsgeschichtlich
besonders relevanten Themen, nicht zuletzt angesichts des keineswegs
selbstverständlichen Umstandes, daß der Psalter schon früh zum liturgischen
Gebet- und Liederbuch der Kirche wurde, was nur aufgrund
einer spezifischen Verchristlichung des Psalmenverständnisses möglich
war. Es ist das bleibende Verdienst des seit 1947 in Trier lehrenden
katholischen Liturgiehistorikers, seit seiner Bonner Habilitationsschrift
von 1944 („Das Psalmenverständnis der Alten Kirche bis zu
Origenes") dieses Thema einer so anregenden wissenschaftlichen Bearbeitung
zugeführt zu haben, daß seine früher - im Anschluß an eine
Feststellung Erik Petersons - geäußerte Klage über die Vernachlässigung
desselben (vgl. S. 32 A. 73; S. 39.85) nicht mehr ganz aktuell ist.
Seit 1960 ist eine stattliche Reihe von historischen Spezialuntersuchungen
zur Psalmenauslegung erschienen (vgl. G. Haendler in
ThLZ 103, 1978, 625-632). In diese Reihe fügt sich der von Fischers
Nachfolger auf dem Trierer Lehrstuhl zum 70. Geburtstag herausgegebene
Sammelband älterer Aufsätze gut ein, wobei der Abdruck einiger
Untersuchungen aus der seinerzeit ungedruckten Habilitationsschrift
besonders wichtig ist (S. 153-223 zu Ps3;8; 16; 17; 19). Denn
die dort gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Basis für die systematischen
Urteile, die F. später immer wieder vorgetragen hat und die
heute gleichsam zum Grundbestand der auslegungsgeschichtlichen
Forschung gehören.

Dies Ergebnis wird zusammengefaßt in der 1949 erstmals publizierten
Antrittsvorlesung von 1946 „Die Psalmenfrömmigkeit der Märtyrerkirche
" (d.h. der vorkonstantinischen Christenheit S. 15-35)
sowie in dem Beitrag „Christliches Psalmenverständnis im 2. Jahrhundert
" von 1962 (S. 85-95). Danach stehen seit dem 2. Jahrhundert
zwei Grundprinzipien der interpretatio Christiana nebeneinander
, die eine unterschiedliche Form der Christologisierung darstellen
: „Psalmus vox Christi (ad patrem)", d.h. die unterschiedliche
Stimme des jeweiligen Psalmisten wird als Aussage des exemplarischen
Menschen Jesus Christus verstanden, und „psalmus vox
(ecclesiae) ad Christum", d. h. der Text des Psalms wird als Gebet an
den erhöhten Christus gerichtet, als Stimme des einzelnen Christen
bzw. der Kirche (daher der Titel des Aufsatzbandes). Wird bei der
ersten Interpretationsweise der Beter mit Christus identifiziert, so bei
der zweiten der angeredete Gott mit Christus, was durch die frühchristliche
Verwendung des Kyrios-Titels ermöglicht wird. Dies
zweite Prinzip findet F. bereits bei Justin, Irenäus und Tertullian.
Beide werden später zurückgedrängt durch den überragenden Einfluß
der Exegese des Origenes, wonach im Psalter vor allem das Gebet der
frommen menschlichen Seele zu Gott zu hören sei, so daß die typolo-
gische durch die allegorische Interpretation abgelöst wird, zugleich
aber eine größere Nähe zum ursprünglichen Sinn der Psalmen
erreicht wird. Ein anderer fundamentaler Aspekt der frühen, vor-
origenistischen Auslegung, der sich mit den beiden skizzierten Grundtendenzen
verbinden kann, ist die Deutung der Psalmenaussagcn auf
das Kreuz Christi, die F. als „staurozentrische Tendenz'* bezeichnet
(S. 28.90 u. ö).

Die Deutung auf das Kreuz wird exemplarisch an der Auslegung
von Ps 1,3a untersucht („Das Taufmotiv an der Schwelle des Psalters
", S. 103-112): Erstmals in Barn 12,6.8 begegnet die Gleichsetzung
des dort genannten Baumes mit dem Kreuz und des Wassers
mit der Taufe. Fischers Vermutung, hier liege ein älteres judenchristliches
Traditionsstück vor, läßt sich schwerlich stringent begründen.
Seit Origenes ändert sich die christologische Auslegung, doch vereinzelt
begegnet sie auch später noch (z. B. bei Cassiodor und Caesarius).
Trotz der auch im Westen sich allgemein durchsetzenden origenisti-
schen Interpretationsweise bezieht die römische Karfrcitagsliturgie
noch im 5. Jahrhundert gemäß Mt 4,6 die Verheißung von Ps 91,11 f
auf den Sieg Christi über Satan und folgt damit der alten, seit Irenäus
belegbaren Tradition („Conculcabis leonem et draconem. Eine deu-
tungsgeschichtliche Studie zur Verwendung von Ps 91 in der Quadra-
gesima", S. 73-83). An einem anderen Beispiel für die Entchristolo-
gisierung („Das Motiv vom Psalm als Stimme des leidenden Christus
im Brief des heiligen Athanasius an Marcellinus", S. 113-119)
demonstriert F. den Zusammenhang von Auslegungs- und Dogmengeschichte
, da Athanasius durch die Abwehr der arianischen Christo-
logie dazu bewogen wird, in Ps58; 69 u.a. nicht die Stimme des
leidenden Christus, sondern diejenige des frommen Menschen ZU
erkennen. Der durch den Antiarianismus verstärkte origenistische
Deutungsansatz setzt sich auch in der Psalmenfrömmigkeit des westlichen
Mönchtums weitgehend durch, wie F. am Beispiel der Regula
Benedicti (S. 37-71) und Cassians(S. 139-152) nachweist. Psalmodie
vollzieht sich coram Deo im Sinne von coram Christo et ad Christum,
sieht also im Gottessohn die Zuwendung des vom alttestamcntlichen
Beter angerufenen Gottes. Die differenzierten Überlegungen der Väter
zum Bezug der einzelnen Psalmenaussagen auf das Leben des Christen
hat F. mit vielfaltigen Beiträgen in die liturgische Erneuerung der
katholischen Kirche eingebracht (einer davon hier ausgewählt: „Neue
Hilfen zum christlichen Psalmenbetcn in der nachkonziliarcn Litur-
gia Horarum von 1971", S. 121-137; vgl. auch die Bibliographie von
Fischers Arbeiten 1972-82 S. 231-234). Damit erweisen seine Forschungen
in hervorragender Weise den Wert der auslegungsgeschichtlichen
Arbeit nicht nur für die Kirchen- und Liturgiegeschichte, sondern
auch für die kirchliche Praxis.

Münster Wolf-Dieter Hauschild

Origenes Werke. 3. Bd. Jcremiahomilien, Klageliederkommcntar,
Erklärung der Samuel- und Königsbücher. Hrsg. von E. Klostermann
. 2., bearb. Aufl. Hrsg. von P. Nautin. Berlin: Akademie-Verlag
1983. LH, 368 S. gr. 8* = Die Griechischen Christlichen Schriftsteller
der ersten Jahrhunderte. Lw. M 90,-.

Die erste Auflage dieses Bandes hatte Erich Klostermann i. J.
1901 herausgegeben. Zur Edition der Neuauflage war Pierre Nautin