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Ausgabe:

1986

Spalte:

196-198

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bruce, Frederick F.

Titel/Untertitel:

The epistle of Paul to the Galatians 1986

Rezensent:

Rohde, Joachim

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 3

196

Bergpredigt die Lehre Jesu als die Gerechtigkeit, die von Jesu Nachfolgern
für den Eingang in das Gottesreich gefordert wird, bekannt. Niemand
kann ihren Anspruch als unerfüllbar umgehen, da sie „eine auf
Verwirklichung hin angelegte Weisung" ist (179).

Christologie und Eschatologie spielen eine wichtige Rolle im mat-
thäischen Verständnis dieser Gerechtigkeitsforderung. Christologisch
gesehen erscheint Jesus auf dem Berg als der „Kyrios-Gottessohn, dessen
nachösterliche Hoheit in seiner Lehre reflektiert wird" und dessen
Lehre eschatologische Offenbarung ist (26). Eschatologisch gesehen ist
die Bergpredigt das Gesetz des Kyrios und drückt die „eschatologische
Vollmacht" des Bergpredigers aus und schließt von dem ersten Maka-
rismus (5,3b) bis zum abschließenden Gleichnis (7,24-27) die Verheißung
des zukünftigen Heils ein, die von keinem anderen als dem
„Menschensohn-Weltrichter" angekündigt wird (35). Mit anderen
Worten: „Im Hören und Tun der eschatologischen Forderung ist die
Gemeinde Jesu der Zukunft gewiß" (35).

Für seine Auslegung der Bergpredigt findet Strecker unterstützende
Hinweise in der matthäischen Spiritualisierung und Ethisierung der
Makarismen (5,3; 6,10), in der Abfassung von 5,17 und 20 und der
Abwandlung von 5,18, in der Verlegung der Goldenen Regel in 7,12
zusammen mit 5,17-20 um die radikalen Forderungen von
5,21 -7,11, von denen viele ethisiert wurden als „die Summe des Alten
Testaments ... das Jesus in der Bergpredigt mit eschatologischem Anspruch
auslegt" (160), miteinzuschließen, in dem redaktionellen Ruf
zur „Vollkommenheit" (5,48), einem menschlichen Verhalten, das
der Forderung Gottes umfassend entspricht (97), und in den abschließenden
Ermahnungen und dem Gleichnis, das das ethische Verhalten
alseine verpflichtende Notwendigkeit von dem Nachfolger fordert.

Strecker beendet sein Werk mit einem Ausblick und widmet sich
summarisch dem Material von dem Standpunkt a) der Verkündigung
Jesu über das kommende Gottesreich und seinem radikalen Ruf zur
Umkehr, der sich in seiner Torakritik und den der Bergpredigt
zugrundeliegenden radikalen Forderungen äußert, b) der matthäischen
Gemeinde, die die Bergpredigt als „das verpflichtende Gesetz
des kommenden und schon gekommenen Kyrios" verstand (185), und
c)der Frage der gegenwärtigen Aktualität der Bergpredigt, die die Forderungen
der Bergpredigt als beides, „Mahnung zur Umkehr und Aufruf
zur Tat", hören muß (190).

Ohne Zweifel verstand der Evangelist die Forderung der Bergpredigt
als zu den Geboten des auferstandenen Herrn gehörig (28,20),
und ebenso zweifellos stellte er Jesus nicht als den neuen Mose oder
die Bergpredigt als nova lex dar (26,57). Aber Strecker versäumt es,
der „Erfüllungschristologie" des Matthäus ihren angemessenen Platz
einzuräumen. Jesus wird nicht nur als der „Kyrios-Gottessohn" gesehen
, dessen nachösterliche Autorität in seiner Lehre erkenntlich ist,
sondern als der, der das Gottesreich schon jetzt einführt, worauf die
matthäische „Erfüllungschristologie" besonders in Mt 1-4 hinweist
.

Weiterhin verzerrt Strecker das Thema der Bergpredigt, indem er es
zu beschränkt nur 5,20 anstatt 5,20 hinsichtlich 5,17-18 zuschreibt.
Diese redaktionell modifizierten Verse bestätigen gerade nicht für
Matthäus die Fortdauer des alttestamentlichen Gesetzes. Man sieht
das in genau den redaktionellen Antithesen, in denen die Forderung
Jesu das Mosaische Gesetz aufhebt (vgl. 5,31-32; 38-39; 43-44).
Streckers Exegese versäumt es, Tradition in 5,17 zu erkennen und
dann zwischen Tradition und Redaktion zu unterscheiden. Deshalb
legt er auch den redaktionellen ,,bis"-Satz in 5,18d falsch aus. Mt 5,17
besteht aus Redaktion und Tradition, was auch daran gesehen werden
kann, daß Matthäus seiner redaktionellen Charakteristik gemäß
„oder" („Gesetz oder Propheten", vgl. „Gesetz und Propheten", 7,12;
22,40) benutzt, um eine Ergänzung hinzuzufügen (z. B. 5,18c; 12,25;
16,14; 18,8). So wird eine traditionelle Aussage über die Gültigkeit
des Gesetzes zu einer Aussage über das Kommen Jesu und „das Gesetz
oder die Propheten", welche zusammen mit dem „zu erfüllen"
das Kommen Jesu als die heilsgeschiehtlichc Erfüllung der alttestamentlichen
Verheißung im Einklang mit der matthäischen „Erfüllungschristologie
" anderswo, erklärt. Weiterhin reflektiert der zweite
redaktionelle „bis"-Satz in 5,18d eine Sprache, die in anderen „Erfül-
lungsformeln" angewandt wird (vgl. 1,22; 21,4; 26,54; 56) und weist
daraufhin, daß das Gesetz seine Begrenzung mit dem „bis daß alles
geschieht" im Kommen Jesu hat. Deshalb findet die Gerechtigkeit in
5,20, die in 5,21-7,12 erklärt ist, ihren christologischen, eschatologischen
und ethischen Hintergrund und Sinn in dem Kommen der
Heilszeit durch Jesus (5,17.18.20).

Während Strecker richtigerweise für Matthäus die Unterscheidung
zwischen Evangelium und Gesetz oder Imperativ und Indikativ in der
Bergpredigt verneint, läßt die matthäische „Erfüllungschristologie"
doch das Gesetz nicht ohne Evangelium oder den Imperativ ohne
Indikativ, wozu Streckers Exegese neigt. Die Forderungen der Bergpredigt
wachsen aus und zeugen von dem „Schon jetzt" des Reiches
Gottes, und sie erwartet von dem Gläubigen, die Ethik des Reiches
Gottes auszuleben und sich mit der Realität des „Noch nicht" persönlich
und gesellschaftlich, in Gegenwart und Zukunft, auseinanderzusetzen
. Hier liegt der Ausgangspunkt unseres Ringens mit der Bergpredigt
und ihrer Bedeutung für uns heute.

Edina Robert A. Guelich

Bruce, F. F.: The Epistle of Paul to the Galatians. A Commentary on
the Greek Text. Exeter: Paternoster Press 1982. XX, 305 S. gr. 8' =
The New International Greek Testament Commentary, 2. Kart.
£9.60.

Der Vf., emeritierter Professor der Universität Manchester und
bekannt durch eine Reihe weiterer Veröffentlichungen, z. B.: "Paul:
Apostle of the Free Spirit", "Israel and the Nations", "The Time is
fulfilled" und "The Message of the New Testament" legt mit diesem
Kommentar, den er dem englischen Neutestamentier C. F. D. Moulc
gewidmet hat, ein Werk vor, das eine neue englische Kommentarreihe
eröffnet, die von 1. H. Marshall und W. W.Gasque herausgegeben
wird. Die Herausgeber dieser Reihe schreiben im Vorwort, daß sie
besonders den Bedürfnissen der Studenten dienen wollen und sind
sich dessen bewußt, daß deren Sprachkenntnisse abgenommen haben.
Gleichwohl wollen sie der Erforschung des Neuen Testaments in der
Originalsprache dienen und das Bewußtsein des Wertes solcher
Studien fördern, die den Urtext zugrunde legen. Alle wichtigen
Probleme der Geschichte, der Exegese und der Interpretation sollen
behandelt werden, ohne daß dabei aber Vollständigkeit in der
Verwertung der Literatur angestrebt wird. Die Kommentarreihe
wolle ein theologisches Verständnis des Textes vermitteln, basierend
auf einer historisch-kritisch-linguistischen Exegese. Sie wolle nicht
den Text unmittelbar für moderne Leser auslegen, hoffe aber doch
einige Hinweise auf die Art und Weise zu geben, in welcher der Text
ausgelegt werden sollte.

Wie die Literaturverwertung ausweist - und diese erschöpft sich
nicht in dem Auswahl-Literaturverzeichnis zwischen Einleitung und
eigentlicher Kommentierung, sondern zeigt sich bei der Einzelexegese
als weitaus umfangreicher, als die Bibliographie zunächst erwarten
läßt -, kennt der Vf. neben der englischsprachigen Forschung besonders
auch die in deutscher und französischer Sprache. Unter den englischsprachigen
Vorgängern in der Kommentierung ist er sich besonders
der Verdienste von Lightfoot und Burton bewußt, deren Werke er
dankbar benutzt, wenn er auch mit ihnen nicht in allen Fragen konform
geht. Unter den Forschern der Gegenwart, denen er viel verdankt
, nennt er besonders den Kommentar von Hans-Dieter Betz in
englischer Sprache in der Reihe „Hcrmeneia". Verhältnismäßig
umfangreich im Vergleich zur Einzelauslegung ist die Einleitung.
Während die Einzelauslegung etwa 200 Seiten umfaßt, hat die Einleitung
allein insgesamt 58 Seiten. Die Substanz dessen, was der Vf. in
der Einleitung darlegt, hat er bereits in öffentlichen Vorlesungen vorgetragen
und in den Jahren 1969-1973 unter dem Titel "Galatians
Problems" im Bulletin of John Rylands Library publiziert. Dieses
Material ist hier wieder verwendet worden.