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Ausgabe:

1986

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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191

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 3

192

Akavia, Mirjam: Zwischen Hölle und Gelobtem Land. Erzählungen vom
Überleben. Mit einem Geleitwort von R. Scharf. Aus dem Hebr. von R. Achlama
u. J. Brüll. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 143 S.
8" = GTB. Siebenstern, 1088. Ein NES-AMMIN-Buch. Kart. DM 14,80.

Betz, Otto: Die Bedeutung der Qumranschriften für die Evangelien des
Neuen Testaments (BiKi 40,1985,54-64).

Drewermann, Eugen, u. Ingritt Neuhaus: Voller Erbarmen rettet er uns. Die
Tobit-Legende tiefenpsychologisch gedeutet. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1985.93 S. m. 4 färb. Abb. 8". geb. DM 28,-.

Lapide, Pinchas: Am Scheitern hoffen lernen. Erfahrungen jüdischen Glaubens
für heutige Christen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
1985. 112 S. 8'=GTB. Siebenstern, 1413. Kart. DM 12,80.

Maier, Johann: Zum Stand der EssenerforschungfBiKi 40, 1985,46-53).

Riesner, Rainer: Essener und Urkirche in Jerusalem (BiKi 1985,64-76).

Neues Testament

Brown, Schuyler: The Origins of ( hristianity. A Historical Introduc-
tion to the New Testament. Oxford-New York: Oxford University
Press 1984. X, 169 S. 8° = Oxford BibleSeries. Kart. £ 3.95.

Das anzuzeigende Büchlein führt auf gediegene Weise in die Frühgeschichte
des Christentums ein. Dem Charakter der Oxford Bible
Series gemäß wendet es sich an einen breiteren Leserkreis, verzichtet
also auf einen wissenschaftlichen Apparat, nimmt aber den Leser
doch in die ganze Strenge historisch-kritischer Denkbemühung hinein
. Das gilt sogleich für das Eingangskapitel "History and the New
Testament" (5-44), das den historischen Charakter des Urchristentums
und seiner Quellen auf dem Hintergrund neuzeitlicher Geschichtsschreibung
reflektiert. Methodisch bemerkenswert ist die Reserve
des Vf. gegenüber dem formgeschichtlich begründeten Skeptizismus
: Das Studium mündlicher Kulturen beweist gerade keine spontane
Kreativität von Gruppen und Gemeinden. Umgekehrt macht die
Freiheit der Traditionsweitergabe (vgl. z. B. das Vater-unser) es
unmöglich, mit Riesenfeld und Gerhardsson an eine bewußt technische
Instruktion im Stil der Rabbinen zu denken. Die Eigenart der
Evangelienschriften läßt sich vielmehr weit eher von der verwandten
griechisch-römischen Biographien-Literatur als von dem vorausgehenden
mündlichen Traditionsprozeß her verstehen. - Das Kapitel
über "Jesus of Nazareth" (45-71) setzt mit der vieldiskutierten
Authentizitätsfrage ein. Dem einseitig gehandhabten Unähnlichkeits-
kriterium stellt der Vf. ein Jesusbild entgegen, das aus guten historischen
Gründen neben originalen Zügen auch Überschneidungen mit
dem Judentum und dem Urchristentum aufweist. Die formgeschichtlichen
Theorien vom Ursprung der Streitgespräche in nachösterlichen
Gemeindedebatten bzw. von Jesusworten in nachösterlichen Prophetensprüchen
werden mit beachtlichen Argumenten zurückgewiesen.
Insgesamt ist die Jesustradition von der nachösterlichen Gemeinde
selektiert und stilisiert worden, was aber gerade voraussetzt, daß sie
materialiter in dem Eindruck des Wirkens Jesu auf seine Nachfolger
wurzelt. Die historische Rekonstruktion des Lebens Jesu hat von der
Kreuzigung durch die Römer auszugehen. Der jüdische Anteil daran
beschränkt sich auf eine Voruntersuchung, hinter der die Auffassung
der Priesteraristokratie stand, Jesus sei ein falscher Prophet. Die
Streitgespräche zeichnen ein im wesentlichen zutreffendes Bild. Jesu
kritisches Verhalten zur Sabbatobservanz führt auf seinen religiös
motivierten Vollmachts- und Sendungsanspruch, dem die aramäische
Form des Menschensohntitels als verhüllte Selbstbezeichnung entspricht
. Ein verhüllter Vollmachtsanspruch steht auch hinter den
Gleichnissen Jesu, die als erweiterte Metaphern den Hörer in eine
heilsame Krise führen wollen. Ihre Aufgabe ist nicht, die aus dem apokalyptischen
Horizont heraus verstandene Gottesherrschaft direkt zu
beschreiben. Jesu Lehre ist "not an apocalyptic dogmatic" (62).
Davon unterscheidet sie vor allem Jesu eigene tiefe Abba-Erfahrung,
in deren Nähe auch seine radikalen ethischen Forderungen gehören.
Erst als das positive Echo auf die Umkehrpredigt ausblieb, erkannte
Jesus die Notwendigkeit seiner Lebenshingabe, die er als Siegel des

neuen Bündnisses verstanden haben dürfte. - Unter der Überschrift
"Lgrd and Spirit" (72-92) geht das nächste Kapitel der Frage nach,
welche besonderen Ereignisse und Motive den Beginn der urchristlichen
Mission ausgelöst haben. Die Geschichte vom leeren Grab verdient
Vertrauen, nicht aber die Vielzahl der Erscheinungserzählungen
. Die Galiläa-Flucht der Jünger ist keine Legende der Kritik, sondern
macht verständlich, warum die Entdeckung des leeren Grabes
und die Erscheinungen ursprünglich unverbunden waren. Entscheidend
war die Rolle der Petrus-Erscheinung. Das auch von Paulus für
sich beanspruchte öphlhe bezieht sich auf ein durch ekstatische Offenbarung
vermitteltes neues Wissen um Jesus als „Christus" und als
„Gottessohn". Die klare Unterscheidung zwischen dem erhöhten
Herrn und dem Geist, in dem er vom Tod erhöht wurde, ist erst ein
Produkt späterer theologischer Reflektion. - Ein weiteres Kapitel
unter der Überschrift "Neither Jew nor Greek" (93-119) fragt nach
dem christlichen Selbstverständnis der Hellenisten, des Petrus, Jakobus
und Paulus sowie der matthäischen und johanneischen Gemeinde
. Eigene Wege geht der Vf. mit der Matthäus-Gemeinde. Er
sieht in ihr eine ursprünglich gesetzestreue judenchristliche Gemeinde
, die sich der Heidenmission verschließt, im jüdischen Krieg
den Exodus nach Syrien antritt (Mt4,24!), wo sie sich zunehmend
vom pharisäisch dirigierten Judentum abwendet und der Heidenmission
öffnet. Die johanneische Gemeinde fuhrt der Ausschluß aus der
Synagoge zur Revision des alten Zeichen-Evangeliums und zur Ausbildung
einer neuen Christologie, die Jesus alsjden von den Seinen
verworfenen Fremden von oben begreift. Die Gestalt des Lieblingsjüngers
deutet auf eine gewisse „sektiererische Mentalität" der Gemeinde
. Insgesamt führen vier Elemente zur Formierung eines christlichen
Selbstbewußtseins: Freiheit von der Tora, Christologie, Heidenmission
, jüdische Verfolgung. Doch erst die Konvergenz aller vier
Elemente begründet die neue Identität gegenüber dem Judentum. -
Das letzte Kapitel "The Church" (120-153) verfolgt die Entwicklung
von den Anfängen der Gemeindebildung bis zum allgemeinen Kirchengedanken
im großkirchlichen Sinn. Charakteristisch sind die verschiedenen
Formen des Autoritätsmotivs. Paulus versteht sich als
Apostel des erhöhten Herrn, während gleichzeitig andere die Verbundenheit
mit dem irdischen Jesus als notwendiges Apostelmerkmal
ansehen. Nebeneinander stehen das Zum-Glauben-kommen durch
ekstatisches Sehen und das Zum-Glauben-kommen durch die überlieferte
Botschaft. Schon Paulus kennt Ansätze zu einer normativen Tradition
, die für die zweite Generation beherrschend wird. Wie speziell
die Jesustradition in den ersten Jahrzehnten gebraucht wurde, bleibt
freilich unklar, ebenso die tatsächliche Bedeutung der Zwölf in der
Urgemeinde. Selbst die johanneische Gemeinde mit ihrem individualistischen
Frömmigkeitstyp entscheidet sich nach dem Tod des sog.
Lieblingsjüngers für den Anschluß an die großkirchliche Tradition.
Nur so konnte sie im Gegensatz zum gnostischen Christentum überleben
. Die Herausbildung der Orthodoxie und der sie begleitende Prozeß
der Institutionalisierung erweisen sich als notwendige Voraussetzungen
für die Bewahrung des historischen Christentums.

Eine weiterführende Bibliographie und ein Index aller zitierten
Schriftstellen wie der Sachen und Personen beschließen hilfreich das
kleine Buch. Bemerkenswert an ihm erscheint dem Rcz. vor allem die
nicht von der Formgeschichte her bestimmte historische Fragestellung
. Hier und da möchte man wohl auch anders urteilen. Die neuerdings
so vielfach benutzte sozialgeschichtliche Fragestellung ist noch
nicht präsent.

Greifswald Günter Haufe

Barth, Markus: The People of God. Sheffield: JSOT-Press. Department
ofBiblicalStudies, The University of Sheffield 1983. 101 S. 8*
= Journal forthe Study ofthe New Testament, Suppl. Series, 5.

Die vorliegende Schrift ist eine Übersetzung und Neubearbeitung
von B. s Beitrag „Das Volk Gottes. Juden und Christen in der Botschaft
des Paulus" in dem Sammclband: „Paulus-Apostat oder Apo-