Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

180-183

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Blum, Erhard

Titel/Untertitel:

Die Komposition der Vätergeschichte 1986

Rezensent:

Albertz, Rainer

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

179

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 3

180

men. Auffälligerweise werden aber Lowth und Sievers nicht
erwähnt.

W. hebt die Voraussetzung hervor, daß die Merkmale der israelitischen
Poesie erst durch die Entdeckung akkadischer und ugaritischer
poetischer Texte umfassender erkannt werden konnten. Er erklärt
dann sein methodisches Vorgehen und behandelt alle Aspekte nach
den heute geltenden Maßstäben. Man müsse kritisch die künstlerische
Vision aufspüren und sprachlich die Textgestalt berücksichtigen.
Außerdem gelte es, nach der Funktion einer poetischen Einheit zu fragen
. Beachtenswert ist der Satz: "Ultimately, of course, the poem isan
individual entity which cannot be fitted into the straightjacket of rigid
Classification" (S. 16).

Wo W. die Charakteristika der Poesie erläutert, stellt sich die Frage,
ob er durchweg überzeugen kann, nicht vielmehr manches in den
hebräischen Sprachstil gehört. Was er an Kriterien herausstellt, hat
seiner eigenen Überzeugung nach nicht den gleichen Rang. Und er ist
zudem zurückhaltend in der Überlegung, ob es in Israel eine epische
Poesie gegeben habe. Mit Recht tritt er für die akzentuierende Metrik
ein und weist andere Lösungsversuche zurück. Bei der Besprechung
des Parallelismus membrorum findet man die Erscheinung der 'parallel
pairs' sowie des sogenannten 'gender-matched parallelism' einbezogen
. Angesichts des zuletzt Genannten kann man erwägen, ob hier
einstens wirklich bewußt formuliert wurde, zumal alle Möglichkeiten
vorkommen.

In einem weiteren Abschnitt wendet sich Vf. der Strophenbildung
zu und definiert, ein Gedicht könne in einzelne Stanzen zerfallen, die
sich ihrerseits aus Strophen zusammensetzten, welche aus mehreren
Versen bestünden. Dabei könne Umfang bzw. Anzahl variieren. Die
Merkmale der Stanzen seien einerseits der Inhalt und auf der anderen
Seite Formalia, nämlich Markierungen am Anfang oder Ende,
Refrain, Akrostichon, Schlüsselwörter, einzelne Partikeln, 'gender
pattern', Chiasmus, einleitende Formeln, Wechsel des Sprechers und
die Anordnung der Strophen (S. 163-165). Es ist abzuwarten, ob man
in Zukunft darauf eingehen wird oder weiterhin unterschiedlich in terminologischer
Hinsicht verfährt. W. ist der Meinung, die einzelnen
Versarten seien in je spezieller Abzweckung verwendet worden.

Es folgen die Abschnitte 'Sound in Hebrew Poetry' (Assonanz, Alliteration
, Reim, Onomatopöie, Wortspiel), Tmagery' (Vergleich und
Metapher), 'Poetic Devices' (vorher Besprochenes unter veränderten
Gesichtspunkten in den Blick genommen und 17 Muster erörtert) und
'Secondary Techniques' (Reihen gleichen Inhalts, Listen, Inversion).
Ein Appendix enthält 'Worked Examples', in welchem W. die poetische
Form eines Gebets aus Ras Schamra analysiert und dann folgender
biblischer Einheiten: 2Saml9,l; Jes 19,1-4; Ps 123;
Cant 2,10-13; Ps 47; Hi 18,2-21; Jer 46,3-12.

Unverkennbar ist hier die Erklärung der israelitischen Poesie vom
Strukturalismus beeinflußt. Es bleibt die Frage, ob man bei der
Bestimmung so weit ins einzelne gehen kann, wie hier geschehen, zumal
über die Verteilung der Verszeilen keine Übereinstimmung
erzielt ist. Die israelitische Poesie hatte durchaus überlieferte und vorgegebene
Regeln, die aber weitgehend unbewußt gehandhabt wurden.
Der Autor des vorliegenden Buches wird auf Widerspruch stoßen, wo
er bis in Konsonantenfolgen meint, beabsichtigten Aulbau nachweisen
zu können (S. 26 u. 28). Obendrein hält er manches für
poetisch, was sonst als Prosatext angesehen wird (z. B. Jer 12,6). Es ist
ferner fraglich, ob das Argument 'gender-matched' immer als poetisches
und textkritisches Kriterium gelten kann (S. 43 f). Angesichts des
Alphabets von Izbet Sariah kann man hinsichtlich der Folge D - V
nicht mehr von Umstellung reden (S. 198 Z. 5; 199 Z. 20). Das 'Fore-
word'istim Inhaltsverzeichnis zum 'Forward' geworden. Druckfehler
und Versehen sind gering. Wer den Guide benutzt, muß wissen, daß
man die Erklärung der S. 47 ff angewendeten Sigla auf S. 120 findet,
die der Angabe des Metrums durch 2 + 2,3 + 3 usf. (erstmals S. 56) auf
S. 98.

In abschließenden Bemerkungen äußert der Vf., er halte seine Ergebnisse
, die er über einen Zeitraum von sieben Jahren hin erarbeitete,

nicht für endgültig: "... the last word has by no means been written or
spoken on ancient Semitic verse". Kann man in vielen Fällen anders
urteilen, so will sich Rez. doch keineswegs zum Meister machen, denn
man hat hier Bemerkungen zu einer Fülle an Material, die bedacht
sein wollen. Aus der Beachtung poetischer Formgebung resultieren
sogar neue Gesichtspunkte. So erklärt W. beispielsweise die grammatische
Problematik in Jes 10,5b durch einen gewollten Reim. Der umfängliche
Registerteil (70 Seiten) macht das Buch vielfältig verwertbar
.

Leipzig Wolfram Herrmann

Blum, Erhard: Die Komposition der Vätergeschichte. Neukirchen:
Neukirchener Verlag 1984. XI, 564 S. gr. 8" = Wissenschaft!. Monographien
zum Alten und Neuen Testament, 57. Lw. DM 98,-.

Mit dieser nur leicht veränderten Druckfassung seiner Heidelberger
Dissertation von 1981 legt E. Blum, z. Z. Assistent bei R. Rendtorff
in Heidelberg, im z. T. „schrillen" Konzert der neu entfachten Penta-
teuch-Diskussion einen gewichtigen Beitrag vor, der diese nachhaltig
verändern wird. Im Gefolge der kritischen Anfragen R. Rendtorffs an
die klassische Drei-Quellen-Theorie (Das überlieferungsgeschichtliche
Problem des Pentateuch, BZAW 147, 1977 u. a.) unternimmt er
den Versuch, in Weiterführung des Gunkel'schen Ansatzes konsequent
überlieferungsgeschichtlich „das Werden der Vätergeschichte
von den ,kleinsten Einheiten'... bis zu dem uns vorliegenden Überlieferungsganzen
" (461) nachzuzeichnen, ohne auf das literarkritische
Erklärungsmodell der Quellen-Hypothese zurückzugreifen. Methodisch
geht er dabei so vor, daß er zunächst synchron nach im Text
durch Querbezüge, strukturelle Zusammenhänge, Handlungsbögen
etc. als intentionale Sinneinheiten ausgewiesenen Kompositionen
(nomen acti) fragt, um daran die diachrone Frage nach dem fortschreitenden
Vorgang der Komposition (nomen actionis) des Überlieferungsmaterials
anzuschließen (S. 1 0- Hinsichtlich der synchronen
Textbeschreibung weiß sich E. Blum neben der deutschen formgeschichtlichen
Forschungstradition auch der Richtung des "New
Criticism" bzw. der „Werkinterpretation" verpflichtet (Fokkelmann,
Fishbane, Miscall u. a.), was ihn im Hinblick auf die Beurteilung der
Einheitlichkeit von Texten gegenüber manchem „begeisterten Lite-
rarkritiker" eher konservativ erscheinen läßt. Gegenüber den in der
Nachfolge Gunkels bisher vorgelegten Entwürfen zur Komposition
bzw. der Kompositionsgeschichte der Vätergeschichte bzw. ihrer
Teile (M. Noth, C. Westermann, E. Otto u. a.) unterscheidet sich der
von Blum vorgelegte grundsätzlich darin, daß er sich nicht mehr auf
die „vorjahwistische" Stufe der Überlieferung beschränkt, sondern bis
in die nachexilische Zeit durchläuft. Verloren sich solche überlieferungsgeschichtlichen
Rekonstruktionen zuweilen (etwa bei M. Noth)
im Spekulativen, so insistiert Blum wohltuend auf ihre Nachweisbarkeit
am überlieferten Text und auf eine methodisch klare Trennung
von Überlieferungs- und Traditionsgeschichte. Mit der Forschungsrichtung
, die für eine völlige oder teilweise Spätdatierung des „Jahwi-
sten" eintritt (Winnen, v. Seters, H. H. Schmid, H. C. Schmitt, Vorländer
, Diebner u. a.) konvergieren wohl einige Ergebnisse von Blum,
doch unterscheidet sich sein Entwurf methodisch grundsätzlich
davon: Er ist als überlieferungsgeschichtliches Alternativmodell zu
jeder Art von Quellentheorie gemeint, das diese - zumindest für den
Bereich der Vätergeschichte - überflüssig machen soll.

Das Buch besteht aus 3 Hauptteilen: Der erste und umfangreichste
(S. 5-270) umfaßt die Jakobüberlieferung, der zweite, ausgehend von
einer Untersuchung der Abrahamüberlieferung, die die gesamte
Vätergeschichte umfassenden Kompositionen und Bearbeitungsstufen
(S. 271 -458), und im dritten Teil (S. 459-506) geht der Vf. auf
die methodischen und inhaltlichen Konsequenzen seiner Ergebnisse
im Gespräch mit bisherigen Positionen ein. Ein 28 (!) Seiten starkes
Literaturverzeichnis und ein ausführliches Stellenregister runden das
Buch ab.

Es ist völlig unmöglich, im Rahmen einer Buchbesprechung den