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Ausgabe:

1985

Spalte:

129-131

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Martin, Peter

Titel/Untertitel:

Martin Luther und die Bilder zur Apokalypse 1985

Rezensent:

Starke, Elfriede

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129

Theologische Litcraturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 2

130

Kern. Udo: Zu Ludwig I euerbachs Lutherverständnis (NZSystTh 26, 1984
S. 29-44).

lau. Stepben: Fron Historical Consciousncss to Historical Action: A Study
ofPaulTillich(Hijdr.45. 19S4 S. 136-169).

Leciercq, Jean: Sühne und Anbetung in der monastischen Tradition
(EuA60, 1984 S. 169-195).

[Merz, Cieorg:] Theologie und Gemeinde im 19. Jahrhundert. Nachschrift
einer Vorlesung von Georg Merz. Bearb. u. hrsg. von W. Pürckhaucr. Selbst-
Verlag (Walter Pürckhaucr. W icsclwcg 7. D-80II Haidham) 1984. 80 S.,
I Porträt 8". DM 12.80.

Orte, Antonio: San Ireneo adopeionista? En torno a adv. haer. III.19.1 (Gr.
65.1984 S. 5-52).

Prcntir. Rcgin: Den kirkelige Anskuclsc. En indl'orclsc i N. F. S. Grundtvigs
lolkelige og kristclige grundtanker. C hristiansfeld: Forlagct Savanne 1983. 115
S.8 PpdkrMO.-.

Riz/urdi. Giuseppe: II Contra legem Saraccnorum di Ricoldo di Montecroce
(Teologia IX. 1984 S. 59-68).

Schmitz, Rudolf-Michael: Die Beziehung Papst-Bischof-Priester im
Dpusculum ..Contra impugnantes" des hl. Thomas von Aquin (ThGI 74, 1984
S. 204-221).

Seqacri, Pierangelo: Ritornarea Karl Barth .'(Tcologia IX, 1984 S. 3-19).

Stator, Basil: Zur Entwicklung der patriotischen Trinitälslehrc. Die äußeren
Eaktoren in der Geschichte der Irühkirchlichen Lehre von der Dreifaltigkeit
(ThGI 74. 1984 S. 81-93).

Christliche Kunst und Literatur

Martin. Peter: Martin Luther und die Bilder zur Apokalypse. Die

Ikonographie der Illustrationen zur Offenbarung des Johannes in
der Lutherbibel., 1522 bis 1546. Hamburg: Wittig 1983. 207 S. m.
93 Abb.gr. 8" = Vestigia Bibliae. 5. DM 65,-.

Die Arbeit des Würzburger Kunsthistorikers Peter Martin trägt
einen schlichten Titel, und doch macht gerade dieser aufmerksam;
denn die Anzahl kunsthistorischer, theologischer und buchkundlicher
Einzeluntersuchungcn ZU diesem Themenkreis ist beachtlich. Hier
socn nur „Klassikernamen" wie Ludwig Heydenreich. Johannes
Jahn. Erwin Panofsky. Hans Volz und Hildegard Zimmermann
genannt.

Der Autor hatte neben umfänglichem Quellenstudium viel und oft
zitierte Literatur zu sichten, wie dies bei Untersuchungen zu einer
Thematik, die im weiteren Sinne immer wieder Forschungsgegenstand
war, allgemein der Fall ist. und richtet nunmehr eigenständige
und gezielte Fragen an künstlerische Werke zur Apokalypse im Zeitraum
1522 bis 1546 unter Einbeziehung der Offenbarungs-lllustra-
tionen vor Luther. Fragen, die bisher nicht befriedigend beantwortet
werden konnten.

In der Einleitung läßt er sie zusammen: Wie kommt es zur Illustrie-
rung gerade dieses neutestamentlichen Buches, dem Luther die volle
kanonische Gültigkeit absprach? Wer ist für die Aufnahme dieser Bilder
ins Neue Testament verantwortlich, und wer hat die inhaltliche
Gestaltung der Bildthemen bestimmt? Haben wir es hier, auch hinsichtlich
der Bildpolemik, mit einer theologisch fundierten Auslegung
°der mit Laicncxcgcsc zu tun? Wie verhält sich die Bildcrfolgc zum
Vorbild Dürer einerseits und zur neu aufblühenden Apokalypse-Illustration
der Folgezeit andererseits? Wie ist es zu erklären, daß Luthers
Vorrede von 1530 inhaltlich mit den Bildern von 1522 übereinstimmt
? Wie ist Luther zu seiner positiven Einschätzung der Offenbarung
gekommen, und wie hat sie sich auf die erweiterte Bildcrfolgc
v°n 1530 und auf die neuen Illustrationen von I 534 ausgewirkt? Ziel
der Arbeit ist. „eine Lösung dieser offenen Fragen zu versuchen. Sic
versteht sich als ein Beitrag zur Erhellung der hochinteressanten Frage
nach dem Verhältnis von Bild und Text und möchte zugleich etwas
Lichl auf ein selten behandeltes Randgebiet von Luthers Theologie
werfen, ein Randgebiet allerdings, das viele der .großen' Themen einschließt
: Luthers Stellung zur Heiligen Schrift und zum biblischen

Kanon, sein Geschichtsverständnis, seine Eschatologie und sein Kir-
chenbegriff." i

Der Autor baut die Arbeit logisch und chronologisch in acht Kapiteln
auf: Über die Illustration der Offenbarung vor Luther geht er zum
Werdegang des Septembertestaments von 1522 über und unterzieht
im dritten Abschnitt dessen Bilderschmuck, also die Holzschnitte
Cranachs d. Ä. und zweier seiner Mitarbeiter, einer ikonographischen
Analyse im Dialog mit den Dürerschcn Holzschnitten von 1497/98.
Insbesondere dieser Teil der Arbeit zeugt von äußerst präziser Untersuchung
der Quellen: dem Autor gelingt das ganz genaue Hinschauen,
erzieht die jeweiligen Apokalypsestcllcn heran, vergleicht Wort und
Bild, untersucht die Texttreue der Illustrationen, deutet behutsam
und hütet sich vor Überinterpretationen, wie sie Philipp Schmidt nur
zu oft erzwang - was P. Martin zur Auseinandersetzung mit Schmidt
veranlaßt. Die gegenüberstellende Abbildung der behandelten Holzschnitte
erweist sich als sehr hilfreich für den Leser. Exkursartig
behandelt der Autor in der Folge die Gründe für die Illustration der
Offenbarung, die Rezeption der Offenbarungsbilder des Septembertestaments
und zeigt im sechsten Abschnitt den Weg zum revidierten
Neuen Testament von 1530 auf. um sich im siebenten dessen Bildern
zuzuwenden. Abschließend geht er auf den Bilderschmuck der ersten
Gcsamtbibel von 1534 ein, wobei er allerdings die geringfügige Mitwirkung
des Monogrammisten SSP übersieht und alle Holzschnitte
dem Meister MS zuschreibt.

Zusammenfassend gelangt der Autor zu folgenden Erkenntnissen:
Luther hat die Entscheidung zur Illustration des Septembertestaments
von 1522 - wohl im Einvernehmen mit Melanchthon - getroffen, weil
er sich der Schwerverständlichkeit des Offenbarungstextes bewußt
war und die „verworrene Bildersprache am besten durch eine Wiederumsetzung
ins Bild dem Leser nahegebracht werden konnte". Cra-
nach d. Ä. hat die 21 Apokalypse-Illustrationen zusammen mit zwei
Mitarbeitern skizziert und „ohne weitere theologische Betreuung"
schneiden lassen. Einige inhaltliche Ungenauigkciten und Mängel bei
der technischen Ausführung lassen auf Zeitdruck schließen. Die
Holzschnitte sind zwar formal der Dürerschcn Apokalypse verpflichtet
, jedoch können sie nicht als „mißratene Kopien" abgetan werden,
da „das Vorbild ... in durchaus selbständiger Weise umgewandelt,
zerlegt oder ergänzt und damit den gänzlich anderen Anforderungen
der Textillustration dienstbar gemacht" wird. Inhaltlich spiegeln sie
„Luthers Verständnis der Offenbarung als Weissagung der Geschichte
der christlichen Kirche, ihre Verfolgungen und Anfechtungen, bis
zum Jüngsten Tag wider". Dies erklärt auch die „antirömischen
Anspielungen in der zweiten Hälfte der Folge . .., die das Auftreten
und die Entwicklung des Papst-AntichristS in der Kirche bis hin zu
seinem Sturz markieren sollen". Cranachs Offenbarungsholzschnitte
sind bevorzugtes Vorbild „für die meisten Apokalypse-Illustrationen
im 16. Jahrhundert". Die „massive Vcrdinglichung" der Apokalypse-
Aussagen bei den Schwärmern in den zwanziger Jahren verstärkte
Luthers „Skepsis gegenüber jeder Art von Zukunftsprophezeiung".
Aufgrund der Bedrohung Wiens durch die Türken 1529 tritt jedoch
eine Wendung ein: er deutet die Prophezeiung Daniels auf die Tür-
kengefahr, die „nach seiner Auffassung den Auftakt zum unmittelbar
bevorstehenden . . . Weltgericht darstellte" und setzt die Offenbarung
in Beziehung zur „Apokalyptik Daniels und auch Hesekiels". Dies
führt zu einer Aufwertung der Offenbarung, die im Vorwort zum revidierten
Neuen Testament von 1530 ihren Ausdruck findet und Veränderungen
und Erweiterungen im Bilderschmuck dieser Ausgabe nach
sich zieht; aber „der Zeitfaktor verhindert eine restlose Übereinstimmung
von Bildinhalten, Bildtext und Kommentar". Eine Synthese
gelingt erst in der Gcsamtbibel von 1534. deren Apokalypse-
Illustrationen „eine sehr selbständige Auseinandersetzung mit den
bisherigen Witlenberger Illustrationen zur Offenbarung und zugleich
den endgültigen Bruch mit dem Vorbild Albrecht Dürers" darstellen:
sie genügen der Anforderung nach „Treue zum Bibcltext einerseits
und der Schriftauslegung Luthers andererseits", „stellen den letzten
Höhepunkt in der langen Geschichte der Bildexegese zur Apokalyptik