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Ausgabe:

1985

Spalte:

125-126

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Secret, François

Titel/Untertitel:

Postelliana 1985

Rezensent:

Guggisberg, Hans R.

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 19X5 Nr. 2

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diese Hypothese ist, wird die weitere Forschung erbringen müssen. Sie
eröffnet auf jeden Fall einen neuen, verheißungsvollen Zugang zu
diesem Werk, dessen kritisch edierter Text Licht in die bisherige
Doppelüberlieferung (Pariser und Straßburger Druck) bringt. Da der
Pariser Druck aus einer besseren Überlieferung schöpft, folgt die
Neuausgabe auch der Ordnung der quaestiones in diesem Druck,
wahrend die Ock harn forsch ung bisher die Straßburger Anordnung
bevorzugte. Auch dazu wird dem Benutzereine Konkordanz geboten
(9. 826). Bisher haben aber die ..Opera philosophica et theologica"
Ock ha ms die Straßburger Zählung verwendet, was manchen Leser zu
ergebnislosem Nachschlagen verführen wird, wenn er den Text zu
Quellenangaben in den anderen Bänden sucht. An solchen Erscheinungen
wird deutlich, wie diese Ockhamausgabe die Kenntnisse über
die Entstehung und Überlieferung der Werke Ockhams erweitert und
auch zu sicheren Ergebnissen kommt.

ls Markus von Benevent am Ende des 15. Jahrhunderts in Bo-
logna Ockhamschriften herausbrachte, faßte er unter dem Titel
..Expositio aurca super artem veterem" Erläuterungen Luthers zu
Schriften über die Logik zusammen (vgl. ThLZ 107. 1982 Sp. 370f).
Unerklärlicherweise - vielleicht stand ihm nur eine unvollständige
Handschrift zur Verfügung, von denen es mehrere gibt - nahm er die
..Expositio super libros Elenchorum" nicht mit auf, wodurch sie bis
zur vorliegenden Ausgabe ungedruckt und infolge dessen schwer zugänglich
blieb. Sie ist in sechs Handschriften überliefert, von denen
eine mit 1331 datiert ist. Sic dient für den edierten Text als Leithandschrift
. Diese Erstausgabe müht sich, die Beziehungen aufzuweisen
, auf die Ockham anspielt. Manchmal ist es möglich, einen unge-
nannten Autor genau zu zitieren, manchmal kann auch nureine Stelle
genannt werden, die den von Ockham zitierten Gedanken enthält,
ohne daß sicher ist. ob Ockham gerade diesen Autor und diese Stelle
im Auge hatte. Wo Ockham eine opinio aliorum aufnimmt oder angreift
, wird wenigstens ein Vertreter dieser Meinung angeführt. Auf
diese Weise wird der Text in den philosophiegeschichtlichen Zusammenhang
hineingestellt und seine Interpretation erleichtert. Verweisen
m anderen Schriften Ockhams auf dieses Werk kann nun nachgegangen
werden. Mit diesem Band ist die Herausgabe der Schriften
Ockhams zur Logik abgeschlossen, soweit sie vor seiner Flucht aus
Avignon 1328 entstanden sind.

Da schon weitere Manuskripte erstellt sind, darf man dem baldigen
Erscheinen weiterer Bände dieser verdienstvollen Edition entgegensehen
.

Leipzig 1 lelmar Jünghani

Secret, Franeois: Postelliana. Nieuwkoop: de Graaf 1981. 366 S. gr.
8* = Bibliotheca Humanistica & Reformatorica, XXXIII. Lw. Ii 11
125.-

Zum 400. Todestag Guillaume Postcls wurde im September 1981
lr> Avranches eine wissenschaftliche Tagung durchgeführt, die zahlreiche
neue biographische und ideengeschichtliche Forschungsergebnisse
bekanntmachte. Kurz vor dieser Konferenz erschien der vorliegende
Band; er enthält sieben bisher unveröffentlichte Schriften des
französischen Späthumanisten und Mystikers. Als Herausgeber zeichnet
Franeois Sccrct, der international führende Postcl-Spezialist, des-
se"n Publikationen von der Fachwell seit langem stets mit gespanntem
Interesse zur Kenntnis genommen werden. Das neue Editionswerk
'ragt denselben Titel wie der im Jahre 1915 durch Jan KvaCala ver-
Öffentlichte Sammelhand, der dem quellenkritischen Poslel-Studium
die erste zuverlässige Grundlage verlieh. Seeret hat im Laufe der letzten
zwanzig Jahre bereits mehrere Schriften Posteis in kommentierten
Editionen allgemein zugänglich gemacht, nämlich Candelabre de
noyse (1966), Thresordes prophities de l'univers (1969) und Apolo-
8fel et retractations (1972). Die neue Serie ist von biographischer Bedeutung
besonders für Posteis zweiten Aufenthalt in Venedig
(1547-1549) und für die Entwicklung seiner Anschauungen in den
durch die Gefangenschaft in Saint Martin des Champs geprägten letzten
Lebensjahren. Fünf der abgedruckten Traktate erscheinen im
lateinischen, zwei im französischen Original.

Am Anfang steht die durch Postel ins Latein übersetzte und glossierte
Version des Buches Bahir, einer Hauptschrift des kabbalistischen
Corpus. Das Manuskript dieses aus den späten 1540er Jahren
stammenden Werkes wurde vor einiger Zeil in der Universitätsbibliothek
Basel aufgefunden. Die /Wi/V-Übersetzung. die Sccrct selber in
früheren Forschungsarbeiten als verloren erklärte, bildet eines der
wichtigsten Dokumente der Auseinandersetzung Posteis mit der Kab-
bala und läßt ihn als geistigen Nachfolger des Marsilio Ficino. des
Pico della Mirandola und des Egidio da Vilerbo erscheinen. In der
. ipoiogia ultima (I 578) erweist sich Postel als eloquenter Verteidiger
des religiösen Individualismus gegenüber Guillaume van der Lindt
(Lindanus), dem als eifriger Ketzerverfolger bekannten Bischof von
Roermond und Gent. Universalistisches Ideengut tritt zutage in den
Schriften De la restitution de la verite, De magia Orientalin Aphorismoi
etementaeque veritatis aethernae pro concordia universi instiluta und
Cathastrophes veritatis. Sie stammen alle aus der Zeit um 1580. stehen
aber in einem engen inneren Zusammenhang mit dem frühen
Hauptwerk De arbis terrae concordia (ersch. Basel 1544). Dasselbe
gilt auch für den die Sammlung abschließenden Traktat Qu est-C*
que del'image de Dien ä laquellel'homme est cree, forme et faiel? Hier
steht das Menschenbild Posteis im Mittelpunkt, aber der Leser findet
gerade durch diese Schrift auch den Zugang zum theologischen
System des Autors.

Die einleitenden Bemerkungen des Herausgebers und seine dokumentarischen
Anmerkungen sind knapp gehalten, aber stets klar formuliert
und durchweg informativ. An manchen Stellen, besonders in
der allgemeinen Einleitung, möchte man sich etwas mehr Ausführlichkeit
und vor allem einige weiterführende Ausblicke in die allgemeinen
geislesgeschichtlichen Hintergründe der Biographie Postels
wünschen. Daß Postel zu den eigenwilligsten und kühnsten Denkern
seines Zeitalters gehörte, wird durch die hier wiedergegebenen Texte
aufs eindrücklichste bestätigt.

Hasel Hans R. (iuggisberg

Lllis. leuan: Seven Against Christ. A Study of 'Essays and Reviews'.
Leiden: Brill 1980. XI, 339 S. gr. 8' = Studics in the History of Christian
Thought, XXIII. Lw. hfl 98.-.

Die Studie des englischen Theologen leuan Ellis behandelt eine kritische
und turbulente Phase in der englischen (genauer: anglikanischen
) Theologiegeschichte in der Mitte und zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts. Markierungszeichen dieser Phase, in der sieh die
Cicister vehement schieden, war der Sammelband anglikanischer
Theologen "Essays and Reviews". Den sieben Mitarbeitern dieses
Bandes, die liberale Tendenzen in Theologie und Kirche vertraten,
wurde von großen Teilen der Kirche Häresie vorgeworfen. Darum:
„Sieben gegen Christus".

In den sechs großen Kapiteln dieses Buches, die leider nicht unterteilt
sind und daher Orientierung und Überblick nicht immer leicht
machen, werden im I. Kapitel die theologischen Entwieklungen in
den Jahren vordem Erscheinen von "Essaysand Reviews" beschrieben
(1845-1859). Das Interesse des Autors gilt dabei besonders den
Vorstellungen und Arbeiten der späteren sieben Mitarbeiter des Sammelbandes
, den durch sie und ihre Freunde aufgenommenen Einflüssen
der deutschen idealistischen Philosophie und liberalen Theologie
und deren Konsequenzen für das Geschichtsverständnis und die
kritische Erforschung der Bibel. Er schildert weiterhin den Kontext
der damaligen englischen theologischen Szene mit der stark prägend
gewordenen hochkirchlichcn Oxford-Bewegung, der ihr gegenüber
ablehnend eingestellten und schon traditionellen evangelikalen ..Low
Chureh"-Bcwegung. den neuen Entwicklungen in den säkularen Wissenschaften
(Darwin!) und den Reformbemühungen in den Universitäten
Oxford und Cambridge (wobei Oxford im Zentrum der theologischen
Auseinandersetzungen dieser Zeit stand).