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Ausgabe:

1985

Spalte:

123-125

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Ockham, Guillelmus de

Titel/Untertitel:

Questiones in librum secundum Sentenarium. Opera theologica, V 1985

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Lilcralurzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 2

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Firmicius, Maternus, Rufinus und Gregor von Nazianz. An allen diesen
Stellen stand im griechischen Text das Wort proskynein mit dem
Dativ. Dieser Dativ ist offenkundig aus der griechischen Vorlage in die
lateinische Übersetzung übernommen worden. Diese Informationen
werden auf 10 Zeilen geboten. Neben der Informationstulle in größter
Knappheit ist der Mut des Autors zu bewundern: Es gibt nicht allzu-
viele Menschen, die sich für Übersetzungen aus der griechischen in die
lateinische Sprache interessieren; so ist der Druck dieses Buches
sicher ein Wagnis.

Rostock Gert Haendlcr

Ockham, Guillclmus de: Quaestiones in librum secundum Senten-

tiarum (Reportatio), ed. Gedeon Gal et Rega Wood. St. Bonaventura
, N. Y.: St. Bonavcnture University. The Franciscan Institute
1981. 27* S., 515 S. 4° = Guillelmus de Ockham: Opera philoso-
phica et theologica. Opera theologica, V.

-: Quaestiones in librum tertium Sententiarum (Reportatio), ed. Fran-
ciscus E. Kelley et Girardus I. Etzkorn. St. Bonavcnture. N. Y.: St.
Bonaventure University. The Franciscan Institute 1982. 21* S.,
462 S. 4" = Guillelmus de Ockham: Opera philosophica et theologica
. Opera theologica, VI.

-: Quodlibeta Septem, ed. Joseph C. Wey. St. Bonaventure, N. Y.: St.
Bonaventure University, The Franciscan Institute 1980. 41* S.,
838 S. = Guillelmus de Ockham: Opera philosophica et theologica.
Opera theologica, IX.

-: Expositio super libros Elenchorum, ed. Franciscus del Punta.
St. Bonaventure, N. Y.: St. Bonaventure University 1979. 14* S.
337 S. = Guillelmus de Ockham: Opera philosophica et theologica.
Opera philosophica, III.

Die Ausgabe der ,.Opera philosophica et theologica" Ockhams hat
erfreuliche Fortschritte gemacht und damit zugleich die Ockhamfor-
schung erheblich gefordert. Mit den Erscheinungsjahren 1979 bis
1982 versehen, verließen vier weitere Bände die Druckerpresse, deren
Auslieferungsich allerdings verzögerte.

Zunächst wurden in den ersten vier Bänden der „Opera theologica"
die Darlegungen Ockhams zum ersten Buch der Sentcnzensammlung
des Petrus Lombardus veröffentlicht. Da Ockham diesen Text nach
gehaltener Vorlesung selbst schriftlich ausarbeitete, gaben ihm die
Herausgeber der überwiegenden Anzahl der Handschriften folgend
den Titel „Scriptum in librum primum Sententiarum" und fügten als
Zusatz den zur Bezeichnung einer für die Verbreitung bestimmten
Fassung gebräuchlichen Terminus „Ordinatio" hinzu. Die Ausführungen
Ockhams zu den Büchern 2-4 der Scntenzcnsammlung sind
nur in Vorlesungsnachschriften bzw. Abschriften von ihnen vorhanden
, die nichts von einer Überarbeitung von Seiten Ockhams erkennen
lassen (6, 17*). Sie haben-nun unter Aufnahme einer Bezeichnung
aus der handschriftlichen Überlieferung den Titel „Quaestiones in
librum . . . Sententiarum" mit der Gattungsbezeichnung „Reportatio
" als Zusatz erhalten. Infolgedessen hat Ockhams „Sentenzenkommentar
" jetzt einen geteilten Titel, der hinfort konsequent verwendet
werden sollte. Denn diese Unterscheidung ruft ins Bewußtsein, daß es
sich um qualitativ unterschiedliche Texte handelt, wobei für die
reportationes die Warnung der Herausgeber gilt: „Reportatio magna
cum cautula est legenda, locis parallelis eonstanter in mente habetis"
(6, 18*). Wer die parallelen Ockhamtexte nicht „in mente" hat, vermag
sie mit Hilfe der auch diesen vier Bänden beigegebenen gründlichen
Register aufzufinden.

Der Text dieser quaestiones wurde erstmals 1495 in Lyon herausgebracht
, 1962 in London photomechanisch nachgedruckt. Diese
Ausgabe bearbeitete Augustinus de Ratisbona, der in den Regensburger
Konvent der Augustincrcrcmiten eingetreten war. Er benutzte
dafür die Handschrift „Pariis, Bibl. Mazarine 893", die aber für die
vorliegende Ausgabe nicht als Leiltext dienen konnte. Von ihr abhängig
ist die Handschrift Gießen, Bibl. Universitatis 732, die 1483 als
Vorlage für den Druck von Ockhams Darlegungen zum ersten Buch
der Sentenzensammlung gedient hat und aus dem Besitz von Gabriel

Biel stammt. Wegen ihrer großen Nachwirkung hätte die Handschrift
Mazarine 893 eine ausführlichere C harakteristik verdient. Philotheus
Bonner hatte 1943 die Textüberlieferung der reportationes erörtert.
Der Krieg hinderte ihn allerdings daran, sich über alle ihm bekannten
Handschriften ein eigenes Urteil zu bilden. Die vorliegende Ausgabe
macht deutlich, welche Fortschritte in der Erfassung der Überlieferung
seit dieser Zeit noch gemacht werden konnten. Die Mailänder
Handschrift Bibl. Ambrosiana C 281 erwies sich als Vorlage der Florentiner
Handschrift, die Bonner favorisiert hatte. Sie bildet zusammen
mit der Oxforder Handschrift Bibl. C'ollegii Balliol 299 den Lcit-
text.

Da nun der bisher gedruckte und damit zugängliche Text und der
neue kritische Text zwei unterschiedlichen Überlieferungssträngen
folgen, ergeben sich unausbleiblich Differenzen zwischen den in der
Ockhamforschung weitgehend verwendeten Zitaten und dem neu
erarbeiteten Wortlaut. Das betrifft auch die Ordnung der quaestiones.
Während der Lyoner Druck im zweiten Buch 26 quaestiones bietet,
enthält die Neuausgabc nur 20. Drei davon sind in Buch 3 eingeordnet
worden, drei erscheinen in Band 8. der verschiedene quaestiones
zusammenfassen soll. Die Neuordnung der quaestiones beruht auf
alter Überlieferung und wird ausführlich begründet (5, 22*1"; 6,
10*-I7*). Da den Bänden Konkordanzen beigegeben sind, die übersichtlich
zusammenstellen, welcher Text dem jeweiligen Abschnitt im
Lyoncr Druck entspricht (5, 510-512; 6, 4591), können Zitate ohne
Schwierigkeit ermittelt werden. Wer bemerkt, daß ein Ockhamzital
bei Biel im Wortlaut von dem kritischen Text abweicht, wird die
Lesart - wenn sie nicht nur stilistischer Natur ist - im textkritischen
Apparat bei der Handschrift Mazarine 893 und Gießen 732 oder dem
älteren Druck wiederfinden. Vielleicht läßt sieh anhand dieser Unterschiede
herausfinden, aus welchem Übcrliefcrungsstrom oder
-strömen Luther seine Ockhamkenntnissc speiste.

Eine wichtige Bereicherung der Ockhamforschung bringt die vorliegende
Ausgabe der „Quodlibeta Septem". Böhner hielt sie für reportationes
, zu ihrer Entstehung und Überlieferung gab es viele offene f ragen
. Nun ist manches geklärt, manches durch eine gut begründete
Hypothese einsichtig. Es werden drei Drucke aufgeführt: Pariis:
Pierre Lc Rouge, 1487/88; Argentine, 1491; ein Druck ohne Jahr und
Ort, den Cornelius Oudendijk bearbeitete, der auch als Herausgeber
des Pariser Druckes genannt wird. Es wird vermutet, daß der undatierte
Druck der älteste ist und in Lyon erschien (25*). Nicht deutlich
genug ist benannt, ob die Jahreszahl 1487/88 bedeuten soll, daß der
Pariser Druck von 1487 im folgenden Jahr einen Nachdruck erlebte.
Für den Straßburger Druck ergibt sich daraus, daß er der Handschrift
folgt, die im Besitz von Gabriel Biel war. daß er diesen Druck betreute
oder wenigstens vcranlaßtc.

Über die Entstehung des Textes hat der Herausgeber folgende Vorstellung
gewonnen, durch die sich die bekannten Fakten am besten in
Übereinstimmung bringen lassen: Ockham kam 1321 von Oxford in
den Londoner Konvent der Franziskaner. Dort leitete er Quodlibeta-
disputationen, wozu zwar an den Universitäten der Magistertitel erforderlich
war, jedoch nicht in den Ordenshäusern. An diesen Disputationen
beteiligte sich Walter von Chatton, was die gegenseitige Zitierung
in den überlieferten Werken am einfachsten erklärt. Die Entstehung
der sieben Bücher läßt sich aufdic Zeit vom I lerbst I 322 bis zum
Frühjahr 1324 verteilen. Ockham nahm dann 1324 Aufzeichnungen
dieser Disputationen mit aufdic Reise von Avignon, wo er den Text
ausarbeitete. Dies erklärt, warum Ockham einerseits Zitate von
Chatton, die in London bekannt, in Avignon aber nicht vorhanden
waren, nicht anführen und andererseits auf Vorwürfe der ihn in
Avignon verhörenden Kommission eingehen konnte. Trifft diese
Erklärung zu. muß dem Text der „Quodlibeta septum" eine neue
Bedeutung zugemessen werden, denn es handelt sich dann um von
Ockham selbst schriftlich ausgearbeitete quaestiones. in die die Erfahrungen
seines Prozesses hineinspielen. Diese „Quodlibeta Septem"
müssen als authentischer Text betrachtet werden, in dem Ockham
frühere Äußerungen präzisiert oder auch korrigiert. Wie zutreffend