Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

117-119

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Soden, Hans von

Titel/Untertitel:

Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens 1985

Rezensent:

Schmithals, Walter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

117

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 2

Aus der Lntherforschung. Drei Vorträge. Gerda Henkel Vorlesung.
Hrsg. von der gemeinsamen Kommission der Rheinisch-Westfälischen
Akademie der Wissenschaften und der Gerda Henkel Stiftung
. Opladen: Westdeutseher Verlag I 983. 64 S. 8*.

Die Publikation vereinigt drei Vorträge, die /um Lutherjubiläum
gehalten wurden: Bernd Moeller: Luther und die Städte (9-26): Heinrieh
Lutz: Die politische und kulturelle Ausgangssituation der Reformation
(27-47): Erwin Iserloh: ..Mit dem Evangelium läßt sieh die
Welt nicht regieren" - Luthers Lehre von den beiden Regimenten im
Widerstreit (49-64).

Moeller vertritt die bekannte These. ..daß Luther und die Reformation
aus dem deutschen Städtewesen des Spätmittelalters herausgewachsen
und ohne Beachtung dieses Bezuges nicht zu verstehen
sind" (10). Bei der Darstellung der städtischen Rezeption Luthers
durch die zeitgenössischen Medien (Buch, Bildvervielfältigungen,
Predigt), die sich als Impuls Tür die Existenzfrage und das Bildungserlebnis
ausw irkt, kommt Moeller zu dem Ergebnis, daß sich die Wirkungen
des Reformators ..nicht auf einen bestimmten Ausschnitt der
Gesellschaft einschränken" lassen. ..Luther selbst mit seinen zentralen
Erkenntnissen und Lehren" zielte „nicht auf soziale, sondern auf
Existenzfragen" ab (18). Die Bemerkungen über Luthers Verhältnis
zu den Bauern bedürfen weiterer Klärung (20.160. Zur „Skizze einer
allgemeinen Trendanalyse Europas zu Beginn der Neuzeit" mit dem
anschließenden kurzen „Tableau der politischen Kräfte und Strukturen
" und der Darstellung der kulturellen Aspekte bei Luthers Auftreten
durch Lutz erheben sich Fragen zum allzu vereinfacht gezeichneten
Wittenberger und Zürcher Reformationsmodell und zur traditionellen
Auflassung von der Täuferbewegung (43f). Iserloh referiert
Luthers Zweircgimentenlchre verständnisvoll und lastet die Gefahren
CTSl dem Landeskirchenregiment an. zu dem Luther allerdings mit der
Aufhebung der polaren Spannung von kirchlicher und weltlicher
Gewalt durch seine Lehre von der ecclesia abscondita auch den
Anstoß gegeben habe (59). Iserloh weist damit wie auch sonst darauf
hin. daß die Ekklesiologie zw ischen den Konfessionen „bis heute die
eigentlich kontroverse Frage ist" (64).

S. B.

Kirchengeschichte: Neuzeit

»inkler. Erich t. u. Erika Dinkler-von Schubert [Hrsg.]: Theologie
und Kirche im Wirken Hans von Sodens. Briefe und Dokumente
aus der Zeit des Kirchenkampfes 1933-1945. Bearb. von
M.Wolter. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984. 403 S..
1 Taf. gr. 8' = Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte. Reihe A:
Quellen. 2. geb. DM 58.-.

Hans von Soden. 1881 als Sohn des Berliner Plärrers und Neutesta-
mcntlers Hermann von Soden geboren, war Schüler Harnacks. Nach
einer Tätigkeit als Lehrer und Pfarrer wurde er 1918 nach Breslau
berufen, wo eine bleibende Freundschaft zwischen ihm und Rudolf
Bultmann entstand. Seit 1924 war von Soden als Nachfolger von
Adolf Jülicher Bultmanns Marburger Kollege. Fr lehrte Neues Testament
. Kirchengeschiehtc. Christliche Archäologie und Kirchenrecht.
Seit langem herzkrank, starb er am 2. 10. 1945 in Gegenwart seines
Freundes Bultmann.

Hans von Soden war wie Bultmann von Anläng an Mitglied des
Pfarrernotbundes gewesen. Fr nahm an der Bekenntnissynode von
Barmen 1934 teil, war Mitglied des Reichsbruderrates der BK. Vorsitzender
des Bruderrates von K ui hesscn-Waldeck sowie Vcrtraucns-
dozcnl der zur BK gehörenden Hochschullehrer.

Die Landeskirche von Kurhessen-VValdeck verdankt vor allem ihm
als einer letzten und reifen Frucht seiner Lebensarbeit und seiner

Erfahrungen im Kirchenkampf ihre im September 1945 verabschiedete
.Grundordnung'. Die entsprechenden feile des Nachlasses von
Hans von Soden liegen im landeskirchlichen Archiv zu Kassel

Der umfangreiche Nachlaß aus der Zeit des Kirchenkampfes befindet
sich zum Teil - besonders die Hektographien - öffentlich zugänglich
im Archiv der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche
Zeitgeschichte in München, zum anderen Teil in den Händen von
Erika Dinkler-von Schubert. Der vorliegenden Dokumentation liegt
vor allem dies bisher unzugängliche Material aus der Zeil des Kirchenkampfes
zugrunde.

Erich Dinkler. Schüler Hans von Sodens. hatte vor seinem Tode am
28.6. 1981 die entsprechenden Briefe und Dokumente ausgewählt
und zu Sachkomplexen zusammengestellt. Michael Wolter. Schüler
Erich Dinklers. hat die mühevolle Endredaktion besorgt, den 34 Dokumentationen
kurze Einleitungen vorangestellt, in Anmerkungen
die in den Dokumenten erwähnten Personen und Sachen identifiziert,
die oft schwierigen Zusammenhänge klargestellt und die hilfreichen
Register angefertigt.

Der vorliegenden Dokumentation wurde als ein 35. Stück Bultmanns
bemerkenswerte Ansprache am Sarge von Hans von Soden
sowie ein Anhang mit sieben Texten beigegeben, die für das Verständnis
der Dokumente unerläßlich sind und die der Leser gern erweitert
gesehen hätte.

Eine von den Militärbehörden 1945 verlangte autobiographische
Skizze Hans von Sodens schließt den Anhang als achtes Stück ab.
Zusammen mit der von Erich Dinkler stammenden einleitenden
Lebensbeschreibung Hans von Sodens setzt sie dem Menschen und
dem Gelehrten Hans von Soden, einer der profiliertesten Persönlichkeiten
der Marburger Universitätsgeschichte in unserem Jahrhundert
und einem der einflußreichsten Theologen der BK. ein eindrucksvolles
Denkmal.

Die 34 Dokumentationen beginnen mit einer Kollegerklärung
Hans von Sodens zu Beginn des Sommersemesters 1933. die sich wie
Bultmanns gleichzeitige Erklärung gegen den aulbrechenden Antisemitismus
sowie gegen die Politisierung der Hochschulen wendet und
Freiheit Für die Wissenschaft fordert.

Sie betreffen sodann neben zwei weiteren Kollegerklärungen aus
späterer Zeit die Konflikte der BK-Professoren mit den vorgesetzten
staatliehen Behörden (von Soden war zeitweilig amtsenthoben), mit
Kirchenbehörden (z. B. wegen des .Maulkorbcrlasses") und mit Kollegen
, das von Hans von Soden verfaßte berühmte Gutachten zum
Arierparagraphen in der Kirche, die Konflikte um den Diensteid
(1934) und um den Führereid (1938) der Geistliehen, Probleme theologischer
Prüfungen innerhalb der BK durch Professoren (besonders
umfangreich), die umstrittene Einrichtung Kirchlicher Hochschulen
durch die BK 1935. den schroffen Konflikt innerhalb der Gesellschaft
Für Kirchengeschichte mit Erich Seeberg 1937/38. die Ciebetsliturgie
aus Anlaß der Sudentenkrise 1938 (deren Text man gerne im Anhang
gelesen hätte) und v ieles andere.

Dokumentation 32 enthält einen Briefwechsel (1940/41) zwischen
I lans v on Soden und Ernst Wolf über die (iründung der (lesellschaft
Für Evangelische Theologie und (wie auch Dokumentation 34) über
Bultmanns Entmythologisierungsvortrag. der einen interessanten
Einblick in die Anlange der Entmythologisierungsdcbatte vermittelt.
Bultmanns Vortrag wurde indessen nicht zuerst (so Wolter S. 342) auf
der Ciesamttagung der Gesellschaft Für Evangelische Theologie am
4.6. 1941 in Alpirsbach vorgetragen, sondern auf der kurhessisehen
Regionaltagung am 21.4. in Frankfurt (vgl. S. 329J). Sein Titel lautete
nicht Jesus Christus und die Mythologie' (so Wolter S. 342). sondern
.Neues Testament und Mythologie', und .BK i. w. S.' (S. 324) muß
.BK im weiteren Sinn' ergänzt weiden, nicht ,BK im wörtlichen
Sinn'.

Der vorliegende Band bietet neben seiner Bedeutung für die Würdigung
von Leben. Wirken und Persönlichkeit Hans von Sodens eine
erstrangige Dokumentation aus der Zeit des Kirehenkampfes. und
zwarsowohl fürdiegesamte BK wie insonderheit fürdie Landeskirche