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Ausgabe:

1985

Spalte:

111-114

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Blickle, Peter

Titel/Untertitel:

Die Reformation im Reich 1985

Rezensent:

Moeller, Bernd

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 2

112

Diskussion sichtbar. Der Beitrag von K. Berger über die hellenistischen
Gattungen im NT erreicht den Umfang einer starken Monographie
; er stellt eine gewaltige Fülle von Material bereit, das am Ende
des Gesamtbandes (S. 1831-1885) durch eigene Register aufgeschlossen
wird. Verhältnismäßig kurz behandelt werden die literarischen
Fragen der Briefliteratur, obwohl gerade da in der jüngeren Zeit -
besonders im angelsächsischen Bereich - wichtige Ergebnisse gewonnen
worden sind; der einschlägige Beitrag von J. L. White bietet leider
auch keine Bibliographie (wie alle übrigen mit Ausnahme des von
H. Köster). Der Band ist für die literarische Analyse des NT von größter
Bedeutung; damit ist er auch theologisch w ichtig.

Er enthält diese Arbeiten: J. W. Voelz, The Language of the New Testament
, 893-977. -M. Wilcox, Semitisms in the New Testament, 978-1029. -
K. Beiger. Hellenistische Gattungen im Neuen Testament. 1031-1432. -
S. Scgert. Semitic Poetie Structures in the New Testament, 1433-1462. -
H. Köster. Uberlieferung und Geschichte der frühchristlichen Evangelienliteratur
, 1463-1542. -D. Dormeyer-H. Frankemölle, Evangelium als
literarische Gattung und als theologischer Begriff. Tendenzen und Aufgaben der
Evangelienforschung im 20. Jahrhundert, mit einer Untersuchung des Markusevangeliums
in seinem Verhältnis zur antiken Biographic. 1543-1704. - D. L.
Tiedc, Religious Propaganda and the Gospel Literature oft he Earlj Christian
Mission. 1705-1729. - J. L. White. New Testament Epistolary Literature in
the Framework ol'Ancient Epistolography. 1730-1756.- B. Reieke. Die Ent-
Stehungsverhältnisse der synoptischen Evangelien. 1758-1791. - R.C. Tannehill
, Types and Functions of Apophthegms in the Synoptic Gospels,
1792-1829.

T. H.

Schnackenburg, Rudolf: Alles kann, wer glaubt. Bergpredigt und
Vaterunser in der Absicht Jesu. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1984. 144 S. 8". Karl. DM 15,80.

Das Büchlein ist aus Vorträgen erwachsen und auf Anregung des
Verlegers veröffentlicht. Sch. verbindet das aktuelle Thema ..Bergpredigt
" mit Besinnungen über das Vaterunser und bezieht beide
Texte auch aufeinander. Er stellt sich damit gleichsam in die Nachfolge
des Matthäus; das hat offensichtlich auch inhaltliche Konsequenzen
. Deutlich tritt das Bemühen um Aktualisierung der Texte
hervor; das entspricht wohl der Erwartung der Ziclgruppe. Eine
gewichtige Stimme hat sich in die Diskussion um den gegenwärtig
umstrittensten Bibeltext sachkundig eingeschaltet!

T. H.

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Blickle, Peter: Die Reformation im Reich. Stuttgart: Ulmer 1982.
I74S. m. 4 Abb. 8" = Uni-Taschenbücher, 1181. Kart.
DM 17.80.

Der mit einer Geschichte des Bauernkrieges (Die Revolution von
1525. München 21981) sowie mit zahlreichen Arbeiten vornehmlich
zu Fragen der Vcrfassungs- und Agrargeschichte Südwest- und Süddeutschlands
hervorgetretene Vf., Professor der Geschichte an der
Universität Bern, legt in diesem schmalen Taschenbuch eine eigenwillige
Darstellung der deutschen Reformation vor. In drei großen
Abschnitten behandelt er „Kirche und Reformation". „Gesellschaft
und Reformation". „Staat und Reformation", fragt also weniger den
Abläufen als den Strukturen des Geschehens nach und bietet im
Grunde ein Thesenbuch - nicht nur im einzelnen ist die Darstellung
von immer neu ansetzendem Raisonnement durchzogen, sondern das
Ganze läuft auch auf eine These hinaus.

Im Grunde geht es dem Vf. um eine Überprüfung der geläufigen
Rede von der „Weltwirkung" der Reformation - gab es sie überhaupt,
und wenn ja: worin bestand sie, und wie ist sie zu bewerten? Die Einleitung
versammelt kritische Zitate über die politischen Wirkungen
Luthers von Thomas Mann, Karl Barth. Max Scheler und Jacob

Burckhardt. umreißt die Kapitalismus-These Max Webers und deutet
Zusammenhänge zwischen dem Täufertum und den Menschenrechts-
Erklärungen der Aufklärung an - jene Frage nach der ..Weltwirkung"
wird also auf die politisch-gesellschaftliche Dimension konzentriert
.

Unter „Kirche und Reformation" entwirft der Vf. zunächst ein Bild
von Volksfrömmigkeit und Kirchenkritik der Vorreformation, dem
dann Skizzen der theologischen „Systeme" Luthers, Zwingiis und
Müntzers gegenübergestellt werden. Bei diesen lallt auf, daß einerseits
Luther und Zwingli in scharfen Kontrast zueinander geraten - der
letztere soll eine „von Luther weit abweichende Position" vertreten
haben (55) -, was, andererseits, darin eine gewisse Rechtfertigung
erfährt, daß der Vf. ganz überwiegend nach den sozial-ethischen
Aspekten im Denken der Reformatoren fragt, wobei Luther vor allem
als Fürsprecher des einer wirksamen politischen Kontrolle entzogenen
Staates erscheint („die einzige Sehranke des Herrschers auf dem
Weg zum Tyrannen wurde sein privates Gewissen" [47]), Zwingli vor
allem als Fürsprecher der Republik und einer Ubereinstimmung „der
naturrechtlichen und göttlich-rechtlichen Ordnung" (56).

Das Kapitel „Gesellschaft und Reformation" ist wesentlich an dem
Problem der Rezeption orientiert: Wie kam es dazu, daß die Reformation
in der Gesellschaft Gehör fand? Hier beginnt der Vf. mit der
These, Luther habe „seine größten Erfolge und seine stärkste Anhängerschaft
zunächst beim Adel" gefunden, was vor allem auf die Wirkung
der Schrift „An den Christlichen Adel deutscher Nation"
zurückgeführt wird (66). Ausführlich wird sodann die Reformation in
den Städten gewürdigt und an drei einzelnen Beispielen (Nürnberg,
Memmingen, Kitzingen) genauer geschildert; der Vf. folgt hier der
heute verbreiteten Meinung, daß die neuen Ideen vor allem in den
Städten gezündet hätten, mit der Pointe, dabei sei weniger Luther als
vielmehr Zwingli zur Wirkung gekommen, so wie die Stadtreformation
„im Süden - grob gesprochen - ein Jahrzehnt früher als im Norden
" vor sich gegangen sei (9.3). Es folgen Ausführungen über die Stellung
der Bauern zur Reformation, in denen die durch andere Arbeiten
des Vf. gestützte Theorie auffallt, die bäuerlichen Gemeinden seien im
ausgehenden Mittelalter in ähnlicher Weise wie die Städte genossenschaftlich
verläßt gewesen und „in gewissen Grenzen politisch mündig
" geworden (100); von hier aus wird der Bauernkrieg gedeutet,
zumal aber die Tatsache, daß dieser seinen Ausgangspunkt in Südwestdeutschland
hatte: „Es läßt sich . . . mit einiger Wahrscheinlichkeit
dartun, daß die Rezeption der Reformation durch die Bauern
zunächst eine solche der zwinglischcn Richtung war" (106). Das
Kapitel schließt mit einem kurzen Abschnitt über das Täufertum und
einer Auseinandersetzung mit der marxistischen Deutung der Reformation
als „frühbürgerlichc Revolution", die im wesentlichen zurückgewiesen
wird, auch mit dem Argument, es müsse „die religiöse
oder transzendentale Dimension ... als unverzichtbarer Bestandteil
der menschlichen Existenz" beibehalten werden (126).

Das relativ kurze dritte Kapitel „Staat und Reformation" beschreibt
das Interesse der staatlichen Obrigkeiten an der neuen Lehre
als ein Interesse an deren „Verstaatlichung" (141), wobei den protestantischen
Fürsten auch religiöse Uberzeugungen nicht abgesprochen
werden, die jedoch den politischen Zielsetzungen nachgeordnet
gewesen seien.

Das Buch schließt mit dem Versuch, auf wenigen Seiten die anfangs
gestellte Frage nach der weltgeschichtlichen Wirkung der Reformation
zu beantworten. Es entsteht ein wenig ansprechendes und eher
dürftiges Bild: Was die Reformation vor allem bewirkt habe, sei, daß
eine seit dem 14. Jahrhundert in Deutschland im Gang befindliche
Bewegung des „Kommunalismus", „die sich in entfalteter Form als
freie Reichsstadt oder schweizerische Eidgenossenschaft präsentiert",
von der Reformation zunächst aufgenommen, dann jedoch „abgeblockt
und langfristig rückgängig gemacht" worden sei (158). „Auf der
theologisch-kirchlichen Ebene wirkte sich das dahingehend aus,
daß . . . die dem Kommunalismus nahestehenden Bekenntnisse wie
der Zwinglianismus und die Täufer aus dem Reich verdrängt und