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Ausgabe:

1985

Spalte:

104-105

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Gerleman, Gillis

Titel/Untertitel:

Der Menschensohn 1985

Rezensent:

Lindars, Barnabas

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 2

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Wörtern Loskauf (82-86). Mystcrienvcrglcieh (Rom 6 [87-91]), „Befreiung
von der Schuldurkunde" (92-94) usw. (s. u.). Im Rahmen der
Einzelskizzen werden auch speziellere Untersuchungen angestellt, so
zu hilastSrion Rom 3 (60-65), zu den nachdrücklich unterschiedenen
Wortgruppen „sühnen" und „versöhnen" (95-100), hernach zu
Gal 3,13/Dtn 21,23 (122-130) usw.

Für F. ist insgesamt die Frage wichtig, wie weit die genannten und
die noch zu nennenden Modi der Verkündigung des Todes Jesu seiner
Bedeutung adäquat sind. Tatsächlich erweisen sich mehrere der in 2ff
behandelten Stichwörter als exegetisch unzulänglich. Der Gedanke
des kultischen Opfers, wie er in der angeführten Reihe der Abschnitte
zum Stichwort Opfer nach bestimmten Auslegungen begegnet, spielt
innerhalb der Interpretation des Todes Jesu durch die Urchristenhcit
selbst keine bemerkenswerte Rolle (49. 66. 69. 771). Aberauch, so sagt
F., „das Bild vom Lösegeld reicht nicht aus. um die Hcilstat Jesu
sachgemäß darzustellen" (85). Speziell in 13 wird dann „Die Schwierigkeit
einer sachgemäßen Verkündigung des Todes Jesu" heute aufgezeigt
(143-155). Selbst das Bildwort von der Versöhnung, dessen
besonderer Gehalt im NT 95-1 18 präzisiert wurde, schließt Mißverstehen
nicht aus (152). „Das Geheimnis des göttlichen Handelns läßt
sich heute nicht mehr durch Wörter, Bilder und Praktiken der damaligen
Zeit anschaulich machen" (kursiv). „Die Denkschemata von
damals sind . . . dem heutigen Menschen fremd geworden." „Darum
ist es im Blick auf den Auftrag" des Predigers „unsachgemäß, von
Opfer, Stellvertretung, Loskaufund dgl. zu reden" (145). „Nicht der
Inhalt, aber die Sprachgestalt der alten Texte muß neu werden" (148
usw.). Schließlich: Die Botschaft vom Kreuz selbst enthält nicht mehr
„die Aussagekraft und den Zündstoff von damals" (152). „Die Größe
des Leidens Christi, die Negation der menschlichen Erwartungen und
des menschlichen Tuns müssen heute anders ausgedrückt werden"
(155).

Im Gegenüber zu heute miß- oder unverständlichen Redeweisen
über den Tod Jesu macht F. nunmehr auf eine im NT nicht sehr
häufige Bezeichnung aufmerksam, die sich s. E. „in der Gegenwart
besonders gut eignet, das Heilswirken Jesu deutlich zu machen" (156;
„ein möglicher Weg" [kursiv; 176]): „Christus, der Anführer des
Heils" (156-175), Apg3,15; 5,30f; Hebr2,9f; 12,2). F. zieht für
archSgos Verbindungslinien zu Wortgebrauch und Gedankenwelt
des AT und weiß den Titel dem biblischen Vorstellungsbereich (herausführen
, nachfolgen, Hirte) einzufügen. „Das Sterben Jesu Christi
hat die Wirkung, daß der entmächtigt worden ist, der Gewalt über den
Tod hatte" (174). „Das Bekenntnis zu Jesus als dem Anführer des
Heils" gehört mit der Verkündigung des Kreuzes „aufs engste zusammen
" (1740-

Insgesamt deutet sich in dem Band m. E. eine Spannung an, zu der
dem Vf. das Wort zu lassen ist. Er hat in 12 in gültiger Weise die Aussagekraft
der spezifischen Verkündigung des Kreuzes im NT zur
Sprache gebracht (1 19-142). „Die Kreuzesbotschaft enthält die ganze
neutestamentliche Theologie" (kursiv). „Die Stellung zur Botschaft
vom Kreuz ist ein Prüfstein, ob man an Jesus Christus glaubt oder ob
man einen nach eigenen Wünschen oder nach Modeerscheinungen
frisierten Heilsbringer propagiert" (142). Dazu: „Versöhnung und
Kreuzestheologie lassen sich nicht voneinander trennen" (kursiv
[109; vgl. 1 15]). „Durch das Kreuzesgeschehen ist die Entfremdung
der Menschen zu Gott, die in offener Feindschaft mit Gott lebten,
beseitigt" (109). „Durch die konkrete Verkündigung der vollzogenen
Versöhnung ereignet sich in der missionarischen Predigt die Realisierung
der Versöhnung" (1 16)2. Sie ist „ein einseitiger Akt Gottes" (kursiv
[101]). Die Aussagen über „Das Sterben Jesu ,für uns'" (Überschr.
zu 72-76) vertreten ein „zentrales Anliegen der urchristlichen Theologie
" (kursiv [72]). „Was das Neue Testament über das Sterben Jesu
sagt, ist unvergleichbar" (kursiv [75]) - auch gegenüber Aussagen des
Judentums. Solche Sätze über die Bedeutung des Sterbens Jesu im
Urchristentum sind nach dem Kontext bei F. nicht nur als historische,
sondern als biblisch-theologische Urteile zu verstehen.

So ergibt sich die Frage, ob nicht auch die Verkündigung des Todes

Jesu heute in maßgebende Aussageweisen der urchristlichen Verkündigung
(etwa Versöhnung, Stellvertretung) einzuführen hat', um die
grundlegende Botschaft des Anfangs weiterzugeben.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Nach Auseinandersetzung mit anderen Deutungen (160-166).
Vgl. Ci. Friedrich. Aul" die Verkündigung der Versöhnung kommt es an,
WI'KCi 67. 1978, 15-20.

1 Gewiß ohne jeweils „der eigentlichen Verkündigung erst einmal einen
religionsgeschichtlichen Vortrag" vorauszuschicken (146).

Gerleman, G: Der .Menschensohn. Leiden: Brill 1983. IX, 79 S. gr. 8°
= Studia Biblica, I. Kart, hfl 33.-.

In the first ofa new serics ofshort monographs on biblical and inter-
testamental subjects, Gerleman has contributed a daring and specula-
tive Solution to the Son of Man problem. He Claims that 'the son of
man' is not the correct translation of the underlying Aramaic bar
enasha in the sayings of Jesus, and argues that it should be translated
'the one who is different, or separate, from men'. This presupposes a
particular model of a unique person. Gerleman llnds this in the ideali-
sed messianic figure of David, represented not only by the history of
David but also by the Psalms and the Ebed- Yahweh passages of
Deutero-lsaiah. All the Son of Man sayings in the gospels arc then
interpreted in relation to Davidic passages, and these show how Jesus
consciously fulfilled Davidic expectations. Gerleman also adduces
many other parallcls between the history of David and events and
sayings of Jesus in the gospels to show that these ideas are not confined
to the Son of Man sayings. For instance, Jesus' entry into Jerusalem on
Palm Sunday corresponds with the return of David alter the death of
Absalom. The cursing of the fig-tree corresponds with David's treal-
ment of the coneubincs, rendering them harren for the rest of their
lives. Judas Iscariot is compared with Doeg the Edomitc (I Samuel 22,
cf. Psalm 52). Such a vast array of correspondences of this kind is
produeed that the reader's credulity is strained to the limit. Moreover
little distinetion is made between the intention of Jesus and the inten-
tion of the evangelists. It is, perhaps, possible (though unlikely) that
Jesus constantly referred to himself in words aimed at showing himsclf
to be the true King David. It is much less likely that the evangelists
shaped the gospel narratives around the same Davidic passages and
recognized the Son of Man as a Davidic title. If they did so, they have
made very little effort to help the reader to grasp what they wert
doing.

Gerleman acknowledges that his theory depends on Iiis new translation
of bar enasha. This, too, is unconvincing. It requires the
hypothesis that the Clement bar denotes Separation, and therefore is
not the same word as the common word bar = 'son' (even if this is
ultimately derived from the same root). He tries to prove this from the
Aramaic names Bar-Jesus (Acts 13.6) and Bar-Jona (Matthew 16.17).
He claims that these are not patronymics as they appear to be, but
descriptive names ('the one who is separated from salvation' and
'the one who is different from a silly dove', i.e. 'shrewd'). In the
lattcr e-ase he adduces Aramaic (barjona = 'reber. which he takes to
be a Compound word ('one who is different from the peaceful dove',
i. e. 'violent'). Even if this theory is correct in some Compound words
with bar, it creates an impossiblc homonym with the normal and
frequent bar cnash - 'a man'. Moreover it was not recognized in
antiquity in any of the places wherc it is supposed to have occurred:
Daniel 7.13; 4 Ezra 13; I Enoch 46-71; the sayings of Jesus in the
gospels. Somehow the four evangelists must have elaborated Jesus'
presentation of himsclf as David without troubling to correct the
Greek translation ho biliös loa anthropou, which they not only Ibund
in their sources but also extended by the ercation of new Son of Man
sayings. This is incredible.

We must, then, regretfully conclude that Gerleman has allowed his