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Ausgabe:

1985

Spalte:

100-102

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Black, Matthew

Titel/Untertitel:

Die Muttersprache Jesu 1985

Rezensent:

Wilcox, Max

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Seite 1, Seite 2

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99

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 2

100

Neues Testament

Farmer, William R.: Jesus and the Gospel. Tradition, Scripture, and
Canon. Philadelphia, PA: Fortress Press 1982. XIII, 300 S. gr. 8°.
Lw.$ 21.95.

Der Verfasser dieser Studie ist seit vielen Jahren als Verfechter der
altkirchlichen Tradition aufgetreten, nach der das Matthäuscvange-
lium das älteste der uns überkommenen Evangelien sei. Lukas folge
ihm, und dem Markusevangelium komme erst die dritte Stelle zu.
Diese These, die er bereits in mehreren Veröffentlichungen vertreten
hat, sucht der Verfasser nun erneut zu stützen, indem er in großen
Zügen aus seiner Sicht eine Geschichte der urchristlichen Überlieferung
von der Verkündigung Jesu über deren mündliche Weitergabe
bis zur schriftlichen Fixierung durch die Evangelisten und die Sammlung
des neutestamentlichen Kanons entwirft. Dabei ist er von dem
Grundsatz geleitet, je stärker ein Überlieferungsstück jüdischem Hintergrund
verhaftet sei. um so höheres Alter müsse ihm eignen. Läßt
sich dieser Beurteilung ein gewisses Recht nicht absprechen, so mutet
sie doch viel zu einfach und geradlinig an, als daß sie der weitaus
komplizierteren Geschichte der Überlieferung wirklich gerecht werden
könnte.

Zunächst wird dieses Prinzip auf die Jesustradition angewendet,
indem authentische Überlieferung am ehesten dort zu vermuten sein
soll, wo direkter Zusammenhang mit Topographie, Geographie und
Klima Palästinas aufweisbar ist (S. 24). Die Gleichnisse Jesu gelten
daher als bester Schlüssel zum Verständnis der Predigt Jesu (S. 25). Sie
seien durch eine Theologie der Gnade bestimmt (S. 27). Hinsichtlich
der Phase mündlicher Überlieferung wird angenommen, es sei zwischen
Petrus und Paulus bei dessen Jerusalemer Besuch zu einer fundamentalen
Übereinstimmung in der Beurteilung der Bedeutung des
Glaubens gekommen (S. 57), so daß diese beiden Apostel gleichsam
als die hervorragenden Garanten urchristlicher Lehre gelten dürfen.
Doch ob aus dem Bericht in Gal 1 sich wirklich so weitreichende
Schlußfolgerungen ziehen lassen, bleibe dahingestellt. Bei der Beurteilung
der Abfassungsverhältnisse der synoptischen Evangelien wird das
methodische Grundprinzip konsequent verfolgt: Matthäus ist das am
stärksten jüdisch geprägte Evangelium, daher das älteste. Bei Lukas
sind gleichfalls mancherlei jüdische Elemente vorhanden, doch in
geringerem Umfang als bei Matthäus. Daher heißt es, dieses Evangelium
sei "better adapted for use by gcntiles outside of Palestine" (S. 7).
Markus schließlich "is the best adapted of the three for gentile readers
outside of Palestine" (S. 7, vgl. auch S. 133f).

Die mancherlei Einzelargumente, die der Verfasser zur Stützung
seiner Quellentheorie beibringt, können nicht ausführlich erörtert
werden. Hier kommt es vielmehr darauf an, die Grundthese auf ihre
Tragfähigkeit hin zu prüfen. Da aber muß gelten, daß man Seite für
Seite mit erheblichen Bedenken den Darlegungen des Verfassers folgt.
Denn zum vermeintlichen Beweis seiner Beurteilung der synoptischen
Evangelien muß alles dienen, was irgendwie auch nur von fern
als beweiskräftig erscheinen könnte. Dazu gehört u. a. die Behauptung
, Markus habe nicht nur seine evangelistischen Vorgänger, sondern
auch die Apostelgeschichte gekannt. Denn die altkirchlichc
Überlieferung, nach der Markus mit Petrus in Verbindung gebracht
werde, sei dahin zu deuten, daß der Evangelist aus den Petrusreden der
Acta gelernt habe (S. 172). Und das Fehlen der Geburts- und Kindheilsgeschichten
Jesu bei Mk sei darauf zurückzuführen, daß er
Übereinstimmung mit dem paulinischen Kerygma habe herstellen
wollen. So soll sich der Evangelist Markus an den beiden großen
Aposteln der frühen Christenheit orientiert haben (S. 175). Und am
Ende soll gelten: "Mark was one of the great deutero-Pauline archi-
tects of the New Testament canon. Both he and the author of
Ephesians understood well that by his death Christ had made all
thingsclean .. ."(S. 176).

Von dieser Sicht her wendet sich der Verfasser in einem letzten Teil

seiner Abhandlung der Entstehung des neutestamentlichen Kanons
zu. Zu dessen Ausbildung sollen drei Faktoren insbesondere beigetragen
haben: Reaktion auf Verfolgungen und daher Betonung des
Kerygmas von Leiden und Passion - Auseinandersetzung mit entstehender
Häresie - und Anpassung an die konstantinische Wende, die
die endgültige Festlegung des Kanons herbeigeführt habe (S. 178
u. ö.): "Persecution and martyrdom, along with the threat of hcresy
and the catholic response to that threat, were significant Factors contri-
buting to the formation of the New Testament canon." (S. 25) Finden
sich in diesen Ausführungen mancherlei bedenkenswerte Erwägungen
, so bleibt das leitende Interesse des Verfassers doch auch hier
daraufgerichtet, seine Theorie von der Entstehung der synoptischen
Evangelien bis in die endgültige Festlegung der kanonischen Schriften
hinein zu verfolgen.

Nun läßt sich gewiß nicht bestreiten, daß die sog. Zwei-Quellen-
Theorie eben eine Theorie ist, die nicht mit solcher Sicherheit zu
beweisen ist, daß sich keinerlei Anfragen - im Blick auf einen sog.
Ur-Markus oder die Abgrenzung von Q - mehr ergeben könnten.
Gleichwohl bleibt diese Theorie nach wie vor am ehesten geeignet,
das eigentümliche Verhältnis der synoptischen Evangelien zueinander
in Parallelität wie Untcrschiedenhcit zu erklären. Wer durch die
Schule dieser Theorie und einer gründlichen formgeschichtlichcn
Analyse der synoptischen Tradition gegangen ist, wird daher bei allem
Respekt vor Fleiß und Mühe, die der Verfasser aufgewandt hat,
schwerlich imstande sein, seiner Beurteilung der synoptischen Frage
und der mit ihr verbundenen Geschichte des Urchristentums zuzustimmen
.

Hannover Eduard Lohse

Black. Matthew: Die Muttersprache Jesu. Das Aramäisch der Evangelien
und der Apostelgeschichte. Ausd. Engl. v. G. Schwarz. Stuttgart
-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer 1982. 358 S. gr. 8" = Beiträge
zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament.
115. Kart. DM 69,-.

This fine translation of the third edition of Matthew Black's classi-
cal study. An Aramaie Approach to the Gospels and Acts, has been
made ,ohne Änderung und Zusätze': no attempt is made to update it.
Although some may regret this, the intention is clearly to let the work
take its proper place in the continuing discussion. It is a landmark in
the lield and its value often lies as much in the questions which it pro-
vokes as in the Solutions which it gives. For more recent work on the
subject Black refers us cspecially to the eontributions of Joseph
A. Fitzmyer.

The work divides into four parts: (I),Der Zugang' (1 —49), (II) .Syntax
, Cirammatik und Vokabular' (50-142), (III) .Semitische poetische
Form' (143-185), and (IV) .Übersetzung des Aramäischen'
(186-280). There follow four Anhänge (A-D, 281-309), a fifth (E) by
Geza Vermes (310-328) with a short reply by Black (328-330). and
the Indexes.

A survey of work done on the subject before 1967 leads Black to
identify three key problems: (a) the dialect of Aramaie to bc used in
the investigation, (b) the explanation of the Aramaisms peculiar to
Codex Bezae, and (c) criteria for idcntifying Aramaisms. These
questions then largely shape his 'approach' to the matter and deter-
mine the strueture of the rest of the book.

Black looks to Aramaie (and at times, Syriac) for the language of
Jesusand the basic Gospel-tradition. He does diseuss the possibility of
Hebrew as a factor in the language of Jesus, but does not seem to take it
very seriously. Part of the problem here is that although the takes
some aecount of Biblical. and cspecially, Qumran. Hebrew, he does
not seem to pay a great deal of attention to early Mishnaic Hebrew.
This is perhaps unfortunate in the light of the texts now available from
Murabba 'al and the Bar Kokhba caves.

As sources for the Aramaie of the Gospels Black follows Paul Kahle