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Ausgabe:

1985

Spalte:

95-98

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schäfer-Lichtenberger, Christa

Titel/Untertitel:

Stadt und Eidgenossenschaft im Alten Testament 1985

Rezensent:

Niemann, Hermann Michael

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 2

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von ca. "450 words and uses unattested outsidc Biblical and related
literature"). Derart allgemeine Formulierungen sind nicht geeignet,
die durch die Themastellung und das anvisierte Ziel - die These eines
jüdischen Sondergriechisch zu widerlegen - geweckte Neugier zu befriedigen
. - Um nur noch eine Kleinigkeit herauszugreifen, sei angemerkt
, daß im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Komposita
(280 auch die Möglichkeit eines Bezuges auf den syntaktischen Kontext
im Hebr diskutiert werden könnte.

Wird das Programm nicht überzogen, wenn Vf. meint, durch seine
Wortschatzstudie auch gleich noch die - dank dem Göttinger LXX-
Unternehmen ohnehin als gelöst zu betrachtende - Kahlc-Katz-Kon-
troverse (Targumhypothese contra Einheitlichkeit eines Grundtextes)
lösen und die Datierung der Pcntateuch-LXX für das 3. Jh. nachweisen
zu können (Kap. Villi 29 ff)? Das zur Gewinnung eines termi-
nui ante quem herangezogene Material wird manipuliert, obwohl L.
selbst weiß (131), "that linguistic ehanges of this kind (Wechsel
horäö hlcpo und önos I hypozygion, I. W.-P.) arc by their nature
incapable of being aecurately dated". Obwohl er für Polybios zu
hör. blep. keine Zahlenverhältnisse kennt, sondern bloß vermutet
(136), daß hör. öfter als blep. benutzt sei. wird gerade Polybios dafür
herangezogen, daß (139) der Pentateuch "earlier than 150 B. C." sei
und deshalb das 3. Jh. ganz "consistent with the evidence" wäre.
Noch schwächer und geradezu (142 zu Num 22,28 / 2Pctr2,16) e
contrario ist die Argumentation zu önos I hypozygion. Was man schon
weiß, kann man immer beweisen, und auch Rcz. hat nichts gegen des
Autors "conclusion" der Gesamtuntersuchung (146) einzuwenden,
"that the bulk of the Pentateuch vocabulary is the same as that of
contemporary Greek". Ganz allgemein ist in den letzten zwei bis drei
Jahrzehnten das Sondersprachenproblcm redimensioniert worden.
Man könnte es aber nicht mit so allgemeinen Aussagen abtun, daß
"the Pentateuch translators frequently avoid reproducing the Hebrew
idiom of their original" (146). Hier sind allerdings wohl Untersuchungen
zur Syntax nötig, wie sie von I. Soisalon-Soinincn und seinen
Schülern (zuletzt A. Aejmelaeus. Parataxis in the LXX. Helsinki
1982, vgl. ThLZ 109 1984 Sp. 7261) gemacht worden sind und überwiegend
vom Vf. noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Unklar bleibt die Frage nach der Einheitlichkeit des Pent im Sinne
verschiedener oder gleicher Übersetzer der einzelnen Bücher. So
hätte zumindest beim Lev und Num absondernder Befund (143)
angedeutet werden sollen. Allerdings gilt hier wie in allem, daß sich
allein vom Vokabular her, unabhängig vom Kontext und Charakter
der Grundschrift, aber auch ohne Einbeziehung syntaktischer Überlegungen
, die Probleme nicht lösen lassen. Ein Wort wie höti (32) bildet
nicht einfach als "everyday word" einen Teil des auszählbaren
Vokabulars.

Damit soll die reine Lexikographie nicht abgewertet werden. Im
Gegenteil mutet es fast als Griff nach den Sternen an. wenn
Vf. sagt (147). daß seine Untersuchung "is also offered as a contri-
bution to LXX lexieography ", als "part of the preliminary study for
the much-needed LXX lexicon". Dieses ist und bleibt in der Tat ein
Desiderat - Hut ab vordem Mut derer, die es anzugehen beginnen!

Basel Ina Willi-Plein

Schäfer-Lichtenberger, Christa: Stadt und Eidgenossenschaft im
Alten Testament. Eine Auseinandersetzung mit Max Webers Studie
„Das antike Judentum". Berlin-New York: de Gruyter 1983.
485 S. gr. 8° = Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche
Wissenschaft, 156. Lw. DM 108-

Dcr Titel des Buches, dem eine Heidelberger Diss. zugrunde liegt,
erweckt berechtigterweise Interesse, liegt der Untersuchungsgegenstand
doch genau in der Linie sozialgeschichtlicher Untersuchungen
des Alten Testaments, die seit einer Reihe von Jahren (und hoffentlich
noch weiter) wachsende Aufmerksamkeit auf sich zieht. Der Untertitel
läßt eine Eingrenzung des Ziels der Studie in forschungsgeschichtlicher
Richtung vermuten. Nun wäre eine gründliche Beschäftigung

mit Max Weber von alttestamentlicher Seite allein schon ein begrüßenswertes
Unternehmen, sind doch nicht wenige seiner Auffassungen
von Alttestamentlcrn entweder kritiklos übernommen oder aber
lediglich im Detail kritisiert worden, ohne daß dabei eine Auseinandersetzung
mit seinen theoretischen und geschichtsphilosophi-
schen Voraussetzungen und methodologischen Grundlagen stattgefunden
hat. So baute, um nur ein besonders einflußreiches Beispiel zu
nennen. A. Alt einige seiner epochemachenden Thesen auf Vorstellungen
Webers auf. Der Vfn. kommt nun das Verdienst zu, nicht nur
im I.Teil ihrer Studie einige für den Alttestamentier mindestens
heuristisch wichtige Thesen und Begriffe Webers kritisch durchleuchtet
, sondern sie im 2. Teil mit Energie sowie in weiser Beschränkung
auf den im Titel angedeuteten Bereich bei eigener Exegese konstruktiv
angewendet zu haben.

Nach „Überlegungen zur Geschichtsphilosophie und Methodologie
bei Max Weber" und zur „idealtypische(n) Begriffsbildung im
.Antiken Judentum'" Webers (Kap. 1-2) widmet sich das 3. Kap. ausführlich
und gründlich dem aus der Analyse der griechisch-römischen
Polis gewonnenen „Idealtypus .Antike Stadtherrschaft'" mit der
wesentlichen sozialen Dialektik von stadtsässigem Patriziat und land-
sässigen Bauern neben Hirten und Handwerkern, überhaupt den
historischen, sozialen, ökonomischen, militärischen und rechtlichen
Grundlagen bzw. Elementen dieses Typs, schon mit gelegentlichem
Blick auf israelitische Verhältnisse. Das 4. Kap. wendet sich Webers
Idealtypus „Eidgenossenschaft" als Herrschaftstyp in Palästina zu.
den er im Unterschied zur „Antiken Stadtherrschaft" zumeist aus alt-
testamentlichem Material gewonnen hat. Dabei werden wichtige Elemente
der Vorstellungen Webers zur „traditionalen und charismatischen
Herrschaft" und zur „Institutionalisierung" der letzteren,
das Verhältnis von Tradition und Charisma sowie die materialen Bestandteile
des Typus „Eidgenossenschaft" in den Blick genommen.
Die kritische Darstellung beider genannten „Idealtypen" schließt
jeweils mit der Formulierung von Folgerungen für die Anwendung der
Idealtypen als heuristische Mittel bei der sich anschließenden Untersuchung
alttestamentlicher Überlieferungen. Zuvor findet sich noch
ein 5. Kap. eingeschoben, das abrundend die beiden Idealtypen in der
Form, wie sie Webers „Antikes Judentum" bestimmen, hinsichtlich
der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Organisation, der
Rechtsordnung und der sozialen Schichtung miteinander vergleicht
sowie das Verhältnis der Typen in vorstaatlicher Zeit einerseits und
staatlicher Zeit andererseits nach Webers Sicht zeichnet.

Leser, die das Buch vornehmlich um des Haupttitels willen zur Hand nehmen
und sogleich historisch-exegetische Darstellung erwarten, ohne die spezielle
Aufgabenstellung der Vfh. nach dem Untertitel zu beachten, mögen nach den
skizzierten 150 Seiten allmählich ungeduldig werden, zumal das 6. Kap.. die
sozialgeschichtliche Untersuchung vorbereitend, erst einmal „soziologische
Hintergründe der Entstehung von Siedlungen", nämlich ..mögliche Organisationsformen
nomadisierender Gruppen im Übergang zur Seßhaftigkeit"1
(Familie, Schar, Stamm 'Stämmeverband) darstellt und l'orschungsgeschicht-
lich fortfährt. „Modelle zur Landnahme der israelitischen Stämme" nachzuzeichnen
, die - so der nicht unberechtigte Vorwurfder Vfh,- zumeist der gesellschaftlichen
Verfassung der sieh Niederlassenden zu wenig Beachtung schenken
. Der Rez. hat zunächst jedenfalls so empfunden, möchte aber nach
abgeschlossener Lektüre doch jedem empfehlen. Geduld zu üben. Die bisherigen
200 Seiten enthalten zugegebenermaßen langatmige Passagen bzw. Wiederholungen
, die sieh hätten straffen bzw. vermeiden lassen. Jedoch ist das methodisch
sorgfältige und schrittweise Vorgehen der Vfn. sachlich gerechtfertigt:
auch sorgen zusammenlässende und vorausblickende Bemerkungen an
Kapitelanlängen und -Schlüssen dafür, daß der gedankliehe ..rote Faden" nicht
verlorengeht. Zudem linden sich nicht wenige, über die Längen hinweghelfende
pointierte Formulierungen, Charakteristiken von feinem Humor bis hin zu Sar-
kasmen und auch Selbstironie, wie sie zu /eilen z. B. von E. Reuss, K. Budde
und R. Kittel noch häufiger waren, heute aber in der Fachliteratur leider weithin
einer eher steifen Ernsthaftigkeit gewichen sind. Schließlich deutet sieh,
etwa an der kritischen Darstellung vor allem des Alt'schen Landnahmemodells,
auch schon an, daß die Vfn. nicht nur originell zu argumentieren versteht, sondern
im folgenden bei der eigenen exegetischen Anwendung der bisherigen
theoretisch-kritischen Grundlegung zu interessanten neuen Einsichten zu kom-