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Ausgabe:

1985

Spalte:

91-92

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Brunner, Hellmut

Titel/Untertitel:

Grundzuege der altaegyptischen Religion 1985

Rezensent:

Kákosy, Lászlo

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 2

92

tik bietet auf evangelischer Seite Paul Althaus: Die christliche Wahrheit, I/II,
1947/48, zuletzt: 8. A„ Gütersloh 1969. Dagegen will das „Lehrbuch" von
Otto Weber eine auf die wichtigsten Punkte beschränkte kritische Nachzeichnung
des Stoff- und Problembestandes sein (Grundlagen der Dogmatik, l/II,
1955, zuletzt: 6. A., Neukirchen-Vluyn 1983). „Zunächst als Lehrbuch für Studenten
gedacht" ist das kürzlich erschienene Werk von Wilfried Joest: Dogmatik
. Bd. 1: Die Wirklichkeit Gottes (=UTB 1336), Göttingen 1984, Zitat: S. 5,
vgl. auch S. 193.

17 Sie gehören so zusammen wie „die drei Glaubensartikel", nämlich
„erstens, der Satz, daß Gott existiert, zweitens, daß Christi Botschalt eine Kundgebung
. . . dieses einen Gottes ist, und drillen*, daß die Kirche von Gott gewollt
. .. und in ihren media salutis so lange der Menschheit .verordnet* ist, wie
diese besteht" (S. 43, Hervorhebungen im Original).

'* Das Bekenntnis ist theologischer Reflex der Kirchengeschichte in ihrer aus
Lehre und Leben gebildeten Gesamtheit, während sich die Dogmen nur auf
strittige Einzelfragen beziehen (S. 212). „Wo Dogmen wirklich entscheidend

geworden sind, sind sie überdies in die Bekenntnisse aufgenommen worden und
gelten alsdann mit diesen" (S. 213).

" Vgl. Wolfhart Pannenberg: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt
am Main 1973.

■ Theologie als Wissenschaft. Aufsätze und Thesen, herausgegeben und eingeleitet
von Gerhard Sauter, TB, Bd. 43, München 1971.

21 Hans-Georg Fritzsche: Hauptstücke des christlichen Glaubens. Grundriß
der christlichen Glaubenslehre, Berlin 1977,268 S.

22 Ders., Lciltexte der Bibel. Systematische Theologie auf der Grundlage
biblischer Texte. Berlin 1981, 502 S.

21 Die natürliche Theologie gibt es ebensowenig wie die auf einen theologischen
KunslbegrilVgebrachte natürliche Religion. „Natürliche Theologie ist...
ein des Plurals fähiger Begriff' (S. 359 n. 1, Hervorhebungen im Original).

24 „Sag Gustav Adolf oder Napoleon, sag Cromwell oder Friedrich der
Große, sag Windthorst oder Bebel... Es lohnt sich nicht zu unterscheiden"
(Karl Barth: Der Römerbrief. I.A., 1919. S. 377).

Religionswissenschaft

Brunncr, Hellmut: Grundzüge der altägyptischen Religion. Darmstadt
: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983. VII, 159 S. 8' =
Grundzüge, 50. Kart. DM 28,-.

Das vorliegende Buch ist eine Frucht der mehrere Jahrzehnte umfassenden
Forschungen von Prof. H. Brunner auf dem Gebiet der
ägyptischen Religion. Der Zielsetzung der Reihe entsprechend mußte
ein Grundriß des Themas geboten werden, doch gibt der Band viel
mehr als eine Sammlung der wichtigsten Tatsachen: der Vf. baut weitgehend
seine älteren schon anderswo publizierten Ergebnisse und
seine neuen Ideen in den Text ein, der dadurch ein eigenes Gepräge
erhält.

Das Buch ist folgendermaßen gegliedert: Einleitung (S. 1-8); 1. Götterglaube
(S. 9^16); II. Mythen (S. 47-63); III. Das göttliche Königtum
(S. 64-76); IV. Tempel und Tempelkult (S. 77-102); V. Persönliche
Frömmigkeit (S. 103-121); VI. Totcnglaube (S. 122-148);
Schluß: Nachleben und Bedeutung (S. 149-152); Literatur; Register
.

Als Ausgangspunkt deliniert der Vf., was für ihn der Begriff Religion
bedeutet: „.. . der Glaube daran, daß die Welt mit all ihren
Äußerungen und ihrer Bewegung von Gott nicht nur geschaffen ist,
sondern ständig von ihm erhalten, ja gelenkt wird, daß der Mensch,
und zwar jeder einzelne wie das Volk (heute sagt man dafür .Gesellschaft
') von ihm abhängig ist. daß dies Verhältnis gepflegt (.cultus')
werden muß .. ." (S. 4) Das Buch will durch eine wohlerwogene Trennung
von Wichtigem und Belanglosem ein Verständnis des Wesens
eines höchst komplizierten Produktes des ägyptischen Geistes vermitteln
. Unseres Erachtens hat der Vf. dazu eine glückliche Themcnaus-
wahl aus einem nahezu unbegrenzten Stoff getroffen.

Trotz der stark begrenzten Zahl der Hauptthemen werden viele
Einzelfragen erörtert. In einer knappen Rezension kann man über den
Reichtum des Buches keinen Überblick geben, statt dessen sollen im
folgenden einige Probleme herausgegriffen werden.

Auf S. 13f wird mit vollem Recht die Kulttopographie als For-
schungs- bzw. Erklärungsmethode der ägyptischen Religion kritisiert.
Das Wesen der Religion kann durch die Lokalbereiche der Götter, die
Wanderungen-der Kulte sowie durch die Rivalität der Priesterschaften
in verschiedenen Tempeln nicht erklärt werden. Die Kulttopographie
hat in der Systematisierung der Götterwelt in einzelnen Gauen oder
größeren Gebieten eine gewisse Berechtigung, um so mehr als sie auch
von den Ägyptern als Ordnungsprinzip verwendet wurde (vgl. das
Stichwort Götter, Lokal- LÄ II. 6531TE. Otto).

Die Trinitäten (S. 280 haben die Religionsforschung in der letzten
Zeit auch im Hinblick auf das Christentum intensiv beschäftigt
(S. Morenz, E. Hornung, J. G. Griffiths, J. Assmann). Die theologischen
Unterschiede innerhalb dieses Sammelbegriffes wurden

besonders fein von J. G. Griffiths herausgearbeitet (modalistic con-
ception,tritheisticstructure;vgI.ZÄS 100, 1973,2811).

Der Mythos von der Vernichtung des Menschengeschlechts wird
mit der Vertreibung aus dem Paradies in der Bibel in Parallele gestellt
(S. 54). Der ganze Fragenkomplex gehört zum Thema des „Goldenen
Zeitalters", eine Vorstellung, die unter verschiedenen Bezeichnungen
auch in Ägypten vorhanden war. Die Ursündc spielte eine größere
Rolle in der ägyptischen Weltdcutung, als es allgemein angenommen
wird. Der Weltuntergang ist nach ägyptischer Auffassung eine Folge
der in der Urzeit begangenen Sünde (vgl. Totenbuch, Kap. 175;
Käkosy, Studia Aegyptiaca 7, 1981, 55ff, 88fl).

Mit der Aussage, daß die Ägypter den Begriff „Dämonen" nicht
hatten (S. 137). will der Vf. offenbar den Glauben an zwischen den
Menschen und den höheren Göttern stehende Wesen nicht bestreiten.
Wenn auch der Sammelbegriff in der ägyptischen Sprache dafür nicht
vorhanden war, gab es eine Reihe von Bezeichnungen für die einzelnen
Gruppen dieser Wesen (liw, wrjt, ämjw, h jtjw, usw. vgl. H. te
Velde, LÄ I. 980ff). Die Grenzen sind immer fließend geblieben und
auch die Dämonen können als ntrw bezeichnet werden. Bei Homer ist
Daimon jedenfalls noch eine Gottesbezeichnung. Auch die äußere
Beschaffenheit ist von Bedeutung. Betrachtet man die Ikonographie,
so springen merkliche Unterschiede ins Auge. Bei den Dämonen werden
die grotesken, furchterregenden Züge betont (Messer, Schlangen.
Feuer. Tierköple). Einige sind mehrmals belegt, andere könnte man
mit dem Terminus von H. Usencr als situationsbedingte „Augenblickswesen
" bezeichnen. Trotz der wichtigen Vorarbeiten
(D. Mecks, in: Sources Orientales 8, 1971, 18ff) wäre eine Zusammenfassung
über die Zwischenwesen dringend nötig.

Auch der Rezensent ist der Meinung, daß Piatons Aufenthalt in
Ägypten als eine historische Tatsache aufgenommen werden kann
(S. 149), doch stehen schlüssige Beweise noch aus. Da man von griechischen
Texten keine wesentlichen Fortschritte bei der Lösung
erwarten kann, wäre das Problem einer eingehenden Untersuchung
aufgrund der ägyptischen Quellen wert.

Zusammenfassend sei betont, daß das Buch einen wichtigen Beitrag
zum tieferen Verstehen der ägyptischen Religion darstellt. Obwohl
auch hier - wie in der ägyptischen Religionsforschung im allgemeinen
- die phänomenologische Betrachtungsweise vorherrschend ist,
findet man auch Ansätze zu einer historischen Untersuchung einiger
Probleme. Die knappe Darstellung der Wandlung des Gottesbildes im
Lauf der ägyptischen Geschichte gehört zu den besten Teilen des
Buches (S. 440. Allen Spezialisten, die sich mit der ägyptischen Religion
befassen, sind die Schwierigkeiten einer solchen Darstellung
bekannt, z. B. daß Originalqucllcn aus älteren Perioden fehlen und
bestimmte Sachverhalte nur aus späterer Überlieferung erschlossen
werden können. Daß der Autor sich dennoch der Aufgabe gestellt hat,
ist zu begrüßen.

Budapest Laszlo Käkosy