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1985

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 12

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Sinnbilder sich aufhalten und in welchem Verhältnis wir uns zu ihnen
befinden......was uns nicht greifbar umtreibt", muß ..Gestalt gewinnen
, nicht nur im Begriff, sondern im Bild faßbar werden, damit wir
darüber verhandeln und damit umgehen können". (11,151)

Bilder vom neuerstandenen Leben gestatten Teilhabe: „Sich-Öff-
nen, Entgegengehen, Umfangen, das kann nur au f einem gemeiii-
samen Boden stattfinden. Die drei Engel zu Besuch bei Abraham, die
zwei Gestalten, die bei Jesus auf dem Berg der Verklärung stehen.
Jesus selbst bei seinen Ostererscheinungen, der Vater, der dem verloren
geglaubten Sohn entgegeneilt, das sind alles Formen des Sich-
Öffnens und des Offenbarens, bei dem das Bild des Glaubens nicht
höher steht als der Glaubende selber. Die schönste Verkündigungsszene
ist die, in der der Engel der erwartungsvollen Maria auf der gleichen
Ebene entgegentritt. Das Höhere bringt den falschen Ton hinein
.

Uns tritt heute nirgendwo mehr ein Herrscher entgegen, wohl aber
gibt es Menschen, von denen wir geliebt und anerkannt werden wollen
, v erehrungswürdige Menschen, die ihr Leben und ihre Geschichte
durchgestanden haben, so wie Jesus, durch die verschlossene Tür tretend
, bei seinen Jüngern ist und dem wir olfen und freudig entgegengehen
, weil uns hier unser tiefstes Selbst entgegenkommt." (111,131)
Spiegel beschreibt Positionen, die das Leben von immer mehr Christenmenschen
prägen. Indem dadurch auch theologische Vorgaben
und Setzungen angefragt werden, kann es für die Dogmatik insbesondere
und auch für die Kirche nur sinnvoll sein, sich auf ein offenes
Gespräch einzulassen.

Rostock Jens Langer

Bedrohte Befreiung. Beiträge von L. u. C. Boff, H.Denis. H. Goldstein.
R. J. Guiton, J. J. Limon u. a. Nachdruck des Textes von Kardinal Joseph
Ratzinger über die Theologie der Befreiung. Rheinfelden: Schäuble Verlag
1985. V, 136 S. 8* = Themen unserer Zeit, 7.

Corcth, Enterich: Vom Sinn der Freiheit. Innsbruck-Wien: Tyrolia Verlag
1985. I26S.8V Kart. DM 26.-.

Praktische Theologie: Allgemeines

Panjikaran. Sebastian: Ansätze zu einer ganzheitliehen Spiritualität

aufgrund des Yoga: Sclbstdisziplinicrung. Selbstfindung, Solidarität
. St. Ottilien: EOS Verlag 1983. X, 355 S. 8' = Dissertationen:
Theologische Reihe, I. Kart. DM .34,-.

Vorliegende Dissertation wurde im Sommer 1983 in München angenommen
. Sie ist eine sichtbare Frucht eines Studienaufenthalts des
indischen Vf. in Europa. Die Arbeit gehört in das Gebiet der Praktischen
Theologie, ist aber zum größeren Teil Darstellung hinduisti-
scher Spiritualität. So, wie heute Praktische Theologie auf Humanwissenschaften
angewiesen sei. müsse sie auch Religionswissenschaft
für ihre Arbeit heranziehen. Yogapraxis müsse die Frömmigkeit
christlicher Gemeinde befruchten, ja, korrigieren. Ein so weit gefaßtes
Programm gebe es noch nicht für die Praktische Theologie, „in vager,
auswählender Anlehnung" an J. M. Sailer will Vf. vorgehen, Sailers
engerer Horizont sei zeitbedingt gewesen, heute lebe man auch in
Westeuropa im Pluralismus der Religionen.

Die flüssig geschriebene Arbeit ist klar gegliedert. Der I. Teil stellt
historisch den Yoga und die Samkhya-Philosophic dar; Teil 2 erörtert
die drei im Titel genannten Stufen der Spiritualität; der dritte Teil
zieht die pastoraltheologischen Konsequenzen.

Der Aspekt der Ganzheit ist für die Arbeit wichtig, schon in der
ersten Anm. wird auf die Ganzheit des Menschen in Geist-Seele und
Leib abgehoben, darum äußere sich Religion „in Wort, Gebärde, /eichen
, Symbol. Opfer. Kult, Lied. Tan/ und Musik". S. 240 wird der
Rahmen der Ganzheit abgesteckt: Die Schöpfung einschl. Tier- und
Pflanzenwelt müsse einbezogen werden (ökolog. Sichtweise), alle
Kräfte des Menschen, auch leibliche, müssen spirituell geübt werden.

die Praxis der (Yoga-)Tugenden erfülle erst den Schöpfungsauftrag,
alle Religionen seien in die Dialogbereitschaft einzubeziehen. die
Wohlfahrt aller Menschen müsse berücksichtigt werden (solidarische
Weltverantwortung), schließlich dürfe nicht diesseitiges und jenseitiges
Heil getrennt werden. Der Rahmen ist also denkbar weit, in Abwandlung
einer bekannten Formel heißt es (18): „Aktion ohne Kontemplation
und Meditation ist blind und trägt keine Früchte:
Kontemplation und Meditation ohne Aktion sind leer und degradieren
die Schöpfung Gottes".

Die beiden ersten Teile des Buchs (22-223) sind Interpretation
klassischer Texte zu Yoga und Samkhya. Dem deutschen Indologen
begegnen dabei vertraute Namen: Deussen, Hauer, Eliade. Die Darstellung
ist von großer Ehrfurcht vor Indiens hl. Überlieferung
geprägt, das berührt wohltuend, birgt aber dieses Problem in sich: Sie
ist gewissermaßen innerhinduistisch, nimmt keine Rücksicht darauf,
daß sie in christlich-theologischem Zusammenhang steht. Sie folgt
Hauer in der Darstellung des magischen Ursprungs der Yoga-Praxis:
Die Gottheit wird „angejocht" an den Übenden: War Vf. nicht lange
genug in Europa, um zu wissen, daß solche Herkunft des Yoga Abendländer
seinem gesamten Konzept gegenüber skeptisch machen kann?
Es dürfte fraglich sein, daß das atheistische Samkhya zu christlicher
Yogapraxis ermuntern kann, nicht nur Patanjali. sondern auch Vf.
muß wesentliche Thesen des Symkhya korrigieren. Sicher, er kann die
Aristoteles-Rezeption der Scholastik anführen, die s. Z. auch nicht
ohne Probleme vor sich ging, doch dürften psychologische, medizinische
und philosophische Überlegungen (diese in Anlehnung an
Pieper, Scheler, oder - wie bei Dechanet - an die Viktoriner) eher im
Abendland zur Integration des Yoga führen als ausgerechnet das
Samkhya mit seinem (S. 101 geschilderten) „Mythos" vom männlichen
Geist und weiblicher Materie. Oder: (105) der von Patanjali
eingeführte „Gottesbegriff, wenn er korrigiert ist, kann uns im Yoga
lehren, wie wir durch Selbstrealisicrung Gott realisieren können",
„weil Gott unser tiefstes und innerstes Wesen ausmacht". Meint
„uns" hier uns Christen? Ist es im Gespräch in der Fakultät vor der
Drucklegung nicht möglich gewesen, dem Autor zu verdeutlichen,
daß solche unvermittelte hinduistische Sprache den innerkirchlichen
Dialog nicht fördert? Die Zitate S. 119f sprechen deutlich von
Zurückhaltung des Samens: Wieso hat das nichts mit Ehelosigkeit zu
tun? Daß Ehe kein Hindernis lürsittliche und soziale Verpflichtungen
darstellt, ist kein Argument (übrigens muß es 120 viryalabha heißen).
Ob (131) aus der ersten Silbe von svadhaya auf Selbsterkenntnis
geschlossen werden darf, ist mindestens fraglich. Mit Erfolg zeigt Vf.,
daß Yoga den Menschen nicht isoliert, sondern ihn zur Verantwortung
befreit, er'redet, wie Heidegger vom Mit-Sein, von samyoga (was
aber nicht die bekannte spirituelle Übung meint). Zu der auffallenden
Beschränkung aufs Innerindische gehört, daß Vf. 2U5f beifällig Deus-
scn-Radhakrishnan zitiert, die Bibel kenne keine Begründung für das
Gebot der Nächstenliebe, nur Indien habe sie. und zwar im großen
Wort: das bist du. Der Nächste und ich sind im tiefsten identisch. Ist
das wirklich zu flach, im meditativ gebeteten Vater Unser, ja, schon in
diesen beiden Anfangsworten eine biblische Begründung für Nächstenliebe
zu sehen? Darin ist ja dem Vf. zuzustimmen, daß Konzentration
. Meditation wesentliche Übungen sind, er zitiert Happich.
I laendler, Dedo Müller, Kl. Tilmann. Just in Tilmanns großem Werk
steht (1,261) ein Kapitel, das dem Yoga für das Abendland nur eingeschränkte
Bedeutung zumißt, da Yoga in die Bewußtheit führe, was
für Indien wichtig, fürs Abendland aber mindestens überflüssig sei.
Darauf geht Vf. nicht ein. obschon er dafür prädestiniert wäre. Er
zitiert (178) H. Kracmer. nach dem für Radhakrishnan Mystik die
höchste Religionsart sei. aber die Kritik an indischem Denken, die
Kraemer in eben diesem zitierten Kapitel ausspricht, bleibt unerwähnt
, geschweige daß sie beantwortet wird. Dabei ist sich Vf. des
Problems voll bewußt. Indien denke „synthetisch", der Westen analytisch
. Ob ausgerechnet Hegel für den abgrenzenden Begriff in Anspruch
genommen werden darf(19), bleibe dahingestellt. Die Problematik
von Denkstrukturen darf nicht bloß erwähnt werden, sie muß