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Ausgabe:

1985

Spalte:

900-902

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Delius, Hans-Ulrich

Titel/Untertitel:

Augustin als Quelle Luthers 1985

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 12

900

reste, aujourd'hui encore, difficile d'evaluer la force et la signification
exaetes de la supposee .rupture' d'Eckhart avec Thomas d'Aciuin.»
(159)

Maria Rita Pagnoni-Sturlese thematisiert die «Filosotia della
natura e filosofia dell'intelletto» bei Dietrich von Freiberg und Berthold
von Moosburg. - Die ersten Pariser Questionen Meister Eck-
harts untersucht Emilie /.um Brunn.

Eduard-Henri Weber analysiert (.las Verhältnis Eckharts zu den
Diskussionen an der Pariser Universität. Unter Respektierung der
Eckhartschcn Originalität untersucht Weberdie Eckhart begegnenden
und prägenden theologischen und philosophiseh-noetischen Parisei
Traditionen.

Die Kritik Johanes Ruysbroeeks und seines Schülers Johannes
von Löwen an Meister Eckhart behandelt Georgette Epiney-Burg-
hard. Scharte Kritik an Eckhart übt Johannes von Löwen. Er sieht
Eckhart in der Nähe der Sekte des „Freien Geistes", die nach Johannes
von Löwen durch Eckhart verführt dessen Schriften für wichtiger
hält als die Bibel und die dem Klerus ungehorsam ist. Ruysbroeck hat
nur eine partielle Kenntnis Eckhart. Er liest Eckhart mit der Brille der
päpstlichen Bulle, obwohl er viele Themen von Eckhart übernimmt
.

Man liest diesen von Kurt Flasch edierten Band mit Interesse und
Gewinn. Insbesondere gilt das für die Analyse des Dictrichschen
Opus. Weniger befriedigend sind die sich Eckhart zuwendenden Passagen
dieses Bandes. Hier v ermißt man das Gespräch mit der Fülle der
Sekundärliteratur, oft sogar den Hinweis auf sie. Wer sich mit maediä-
vistischen Fragen um 1300 beschäftigt, wird an diesem Band nicht
vorbeigehen; auch wenn der Leser nach der Lektüre dieses Buches mit
dem Herausgeber weiterhin ..die Urbekannthcit der Zeit um 1300"
(VII) konstatieren wird.

Jena Udo Kern

Hernändez, Julio A.: Studien zum religiös-ethischen Wortschatz der
deutschen Mystik. Die Bezeichnung und der Begriff des Eigentums
bei Meister Eckhart und Johannes Tauler. Berlin: Schmidt 1984.
148 S. 8° = Philologische Studien und Quellen. 105. Kart.
DM 38,60.

Die Arbeit von Julio A. Hernändez zielt in zwei Richtungen: Die
Lexik, die den Begriff des Eigentums bei Meister Eckhart und Johannes
Tauler abdeckt, soll bezüglich ihrer kommunikativen Funktion
sowie ihrer spezifischen Innovationskraft untersucht werden. Die
Bestimmung der Typusmerkmale der Wortverwendung auf der Textebene
kann so einen Beitrag zur Rekonstruktion der sozialen Funktion
des Textes leisten, die Hernändez aus dem Vergleich mit andern
Textsorten erschließt. Dieses kontrastive Verfahren vordem Hintergrund
der kirchlichen Eigentumsdiskussion. der rechtssprachlichen
wie der höfischen Eigentumsbegriffe ergänzt die an Eckhart und
Tau ler ausgerichtete Wort feldanalyse.

In einem ersten Kapitel wird die kirchliche Eigentumsfrage zur Zeit
der deutschen Mystik dargestellt. Eckharts Stellungnahmen zum
Gedanken der Armut müssen in ein Bezugsfeld gesetzt werden, das der
Problematisierung des irdischen Besitzes durch die Armutsbewegungen
des 12. und 13. Jahrhunderts und der Stellungnahmen der Franziskaner
und Dominikaner Rechnung trägt. Die deutsche Mystik entwickelt
sich nach Hernändez parallel zu diesen religiösen Spannungen
. Damit ist eine erste Orientierung gegeben, die uns Eckharts Beitrag
in seiner spezifischen Bedeutung erkennen läßt. Meister Eckhart
steht nicht in der radikalen Linie der Spiritualen, er polarisiert nicht
die Begriffe materiellen Besitzes und materieller Armut, sondern er
entwickelt eine eigene Perspektive, die den Armutsstreit insofern auszugleichen
sucht, als sie die Begriffe neu definiert und ihnen so eine
andere Richtung gibt. Dieser Neubestimmung auf eine innere Haltung
des Menschen hin wird im zweiten, analytischen Teil nachgegangen
.

Bei der Untersuchung des Gebrauchs der Lexeme hesitzunge, eigen,
eigenseha/t. erbe. guot. hohe auf der Textebene und im Kontrast zum
Gebrauch derselben in der Rechtssprache und der Sprache der höfischen
Dichtung zeigen sich die typischen Unterschiede, die in einer
Erweiterung und Veränderung des Bedeutungsspektrums bestehen:
Rechtsterminologie wird „metaphorische Bezeichnung für religiöse
Sachverhalte" (S. 57), das heißt, sie wird integriert in ein theologisches
Modell, in dem sich die Bedeutung ändert. Diese Metaphorisierung -
die Verschiebung des Denotats - zeugt von einem spezifischen Interesse
des Mystikers, den stbjektiven Faktor in der Frage des Besitzes
vorden objektiven zu stellen und so die I laltung des Einzelnen gegenüber
dem potentiellen Besitz in den Blick zu rücken. Der gängige
Eigentumsbegriff wird umgedeutet: Er meint nicht mehr die Beziehung
des Besitzenden /um Gegenstand, sondern die Entstehung dieser
Beziehung im Mensehen.

Wir befinden uns damit im Zentrum der Eckhartschcn Armutslehre
, die im Begriff der abegescheidenheil gipfelt, und die Hernändez
im dritten Teil seiner Untersuchung referiert, wobei er bewußt die
Tradition dieser Gedanken ausblendet. Eckharts Lehre stellt Hernändez
dar als Weg der Tugend, als fruchtbare Subjektivierung des Eigentumsbegriffs
, die „für die (ieistesgeschichte vorwiegend die Antwort
der deutschen Dominikanernnstik auf die umstrittenen Fragen hinsichtlich
der Armut Christi und des christlichen Verhaltens gegenüber
dem Besitz der irdischen Güter" (S. 133) bedeutet.

Im Schlußteil zeigen sich auch die Grenzen der vorliegenden Untersuchung
: Wederdas vorgebrachte Textmaterial noch die Argumenta-
tionsweise scheinen es mir zu erlauben, aus den diagnostizierten
Umwertungsprozessen, die Eckharts und Taulers Sprache vollzieht,
auf „Gruppensymbole" (S. 57) zu schließen und den neugewonnenen
Eigentumsbegriff einer „Gruppenethik" (S. 57) zuzuordnen, bzw.
ihnen eine hervorragende redekonstellative Signalfunktion zuzuschreiben
. Sowohl die Kommunikationssituation der beiden Dominikaner
wie ihr sprachlicher Gestus bleibt durch diese Arbeit in dieser
Hinsicht zu wenig erschlossen. Die Gefahr liegt zu nah, wegen der
kommunikativen Funktion die spezifische Leistung zu tief zu veranschlagen
, die gerade in Eckharts Neufassung des Eigentumsbegriffs
liegt. Es geht hier nämlich, über Hernändez Analyse hinaus, nicht
bloß um die Veränderung einer inneren Haltung im Sinne von
Tugendhaftigkeit. Der Autor weist darauf hin, daß Eckhart die
Rechtsterminologie insofern metaphorisch gebraucht, als ei sie einem
theologischen Denken unterordnet, das von einer strikten ontolo-
gischen Abhängigkeit ausgeht: Nur Gott ist etwas „zu eigen". Der
Mensch hat sich in dieser Hinsicht in Abhängigkeit zu konstituieren,
seine Subjektivität hat ohne „cigenschaft" zu bleiben, sie darf sich
nicht selbst zum Gegenstand machen, den sie in sich selbst begründet.
Eckhart zielt auf das Reflcxionsverhältnis im Subjekt, in dem es
erblindet gegenüber seiner Abhängigkeit. In dieser Hinsicht wäre
seine Position weiter zu überdenken, eine Position, die, wie Hernändez
treffend nachweist, zwischen den Fronten liegt, indem sie die
Frage nach der Bedeutung des Eigentums als Frage nach der Konstitution
des Menschen auf eine modern anmutende Art neu stellt.

Luzem Nikiaus Largier

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Deiius, Hans-Ulrich: Augustin als Quelle Luthers. Eine Materialsammlung
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1984. 236 S. 8°. Kart.

In diesem - leider nur hektographisch v ervielfältigten - Band geht
D. der bereits öfter aufgeworfenen Frage der Lutherschen Augustin-
Benutzung und damit einem wichtigen Einzelproblem der Augustin-
Rezeption in der Zeit von Renaissance und Humanismus nach. Die
Materialsammlung, von der D. mit ansprechender Bescheidenheit
spricht, dürfte in vieler Hinsicht mühsamer gewesen sein als an-