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Ausgabe:

1985

Spalte:

887-889

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Strecker, Georg

Titel/Untertitel:

Einführung in die neutestamentliche Exegese 1985

Rezensent:

Roloff, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 12

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Christologie verwiesen (Melchisedek, Erwählter Gottes), auf die dank
Qumran neues Licht fiel.

Im Kapitel über das Rabbinat (S. 159-204) fällt auf, daß zwar an
der Kontinuität zwischen Pharisäismus und Rabbinat festgehalten,
aber deren Anteil am pseudepigraphischen Schrifttum betont wird:
PsSal, 4Esr und das pseudophilonische über antiquitatum werden
ihm zugerechnet. Die eschatologische Terminologie der Rabbinen
kommt ebenso zur Sprache wie die Bedeutung halachischer Fragen für
das Neue Testament.

Dem Schlußabschnitt über die aramäischen Targume (S. 205-252)
ist anzumerken, daß der Vf. sich hier auf dem Boden seines Spezialgebietes
bewegt. Aus souveräner Kenntnis heraus informiert er über
Bestand, Eigenart und Entstehung der Targume und ihre Abgrenzung
gegenüber den Midraschim. Zwischen der Position von P. Kahle, der
die palästinensischen Targume zum Pentateuch der vorchristlichen
Zeit zuwies und von J. Fitzmyer, der sie auf Grund des Vergleichs mit
Qumran erst nach 132 p. Chr. ansetzen wollte, geht der Vf. einen Mittelweg
, indem er sie dem 1. nachchristlichen Jahrhundert zuordnet.
Die Beziehungen zum Neuen Testament ergeben sich auf vielfältige
Weise: Erfüllungszitate, Schriftauslegung des Paulus, Schekina-
Memra-Logos bei Joh.

Bemerkenswert ist, daß ungeachtet des dialogischen Ansatzes das
Gespräch mit der aktuellen jüdischen Forschung eher zurücktritt.
Daß McNamara selbst bei McNamara der am häufigsten zitierte
Autor ist, mag noch hingehen. Wenn jedoch die Namen der der Tradition
des Päpstlichen Bibelinstituts verpflichteten Forscher Le Deaut
und Fitzmyer häufig begegnen, der von J. Neusner dagegen nur kärgliche
dreimal erscheint, so ist das ein Indiz dafür, daß auch die Fragestellungen
, für die er einsteht, weithin ausgegrenzt bleiben. Dennoch
ist es dem methodischen und didaktischen Geschick des Vf.s z^i
danken, daß das Werk sowohl dem allgemein Interessierten zur Orientierung
wie dem fachlich Informierten als auskunftsbereites Hilfsmittel
dienen kann. Beiden Ansprüchen gerecht zu werden, ist eine
hohe Kunst. Martin McNamara hat gezeigt, daß er sie beherrscht.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Neues Testament

Strecker, Georg, u. Udo Schnelle: Einführung in die neutestament-
liche Exegese. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983. 156 S.
8' = Uni-Taschenbücher, 1253. Kart. DM 17,80.

Dieses Buch ist in erster Linie als Begleitbuch für die Teilnehmer an
neutestamentlichen Proseminaren gedacht. In knapper, zuweilen in
geradezu lexikalisch verdichteter Form werden in ihm die exegetischen
Methoden vorgestellt, die heute in der neutestamentlichen
Wissenschaft anerkannt sind. Dies geschieht in zehn Abschnitten, die
jeweils nach dem gleichen Schema aufgebaut sind: Definition der
jeweiligen Methode - Lernziele - geschichtliche Entwicklung -
gegenwärtiger Problemstand - Veranschaulichung anhand ausgewählter
Beispiele („Übung") - Aufgabe zur selbständigen Weiterarbeit
und Lernkontrolle.

Die Einleitung (1.) informiert kurz, aber treffend über Entstehung
und Wesen der historisch-kritischen Methode. Mit Recht wird dabei
hervorgehoben, daß diese weder in sich einheitlich ist, noch ihr Recht
in sich selbst hat. Sie muß sich vielmehr immer wieder neu „als eine
sachgerechte und den Texten angemessene Auslegungsform" erweisen
und ist ständiger Veränderung unterworfen (15). Hilfreich weil auf
die Situation des Studierenden bezogen sind die Hinweise auf Hilfsmittel
(2.). Didaktische Erwägungen sind es auch, die hinter dem im
Abschnitt über Textkritik (3.) vorgetragenen Protest gegen die Preisgabe
der Gruppensigla für den hesychianischen Text und den Koine-
text in der 26. Auflage von Nestle-Aland stehen. „Hier ist... eine
Tendenz zur Spezialisierung und Perfektionierung spürbar, die wohl
dem Fachexegeten, nicht aber unbedingt dem Anfänger neutesta-

mentlicher Exegese hilfreich sein mag" (30). Ein kritisches Urteil, das
wohl begründet ist! Etwas überraschend ist die Bezeichnung „Textanalyse
" (4.) für einen Arbeitsschritt, der sonst vielfach als Literarkri-
tik bezeichnet wird, nämlich für die Untersuchung der literarischen
Struktur des Textes, seiner äußeren Abgrenzung, seines Kontextzusammenhangs
sowie seiner Einheitlichkeit. Zu einer grundsätzlicheren
kritischen Anfrage fordert jedoch der Umstand heraus, daß
die sprachliche Analyse in diesem Zusammenhang lediglich beiläufig
in einem Nebensatz erwähnt wird (40). Wird hier nicht gegenüber der
hypertrophen Überbewertung dieses Methodenschritts in anderen
methodischen Entwürfen allzu rasch ins entgegengesetzte Extrem verfallen
? Die Quellenkritik wird als eigener Arbeitsschritt (5.) abgehandelt
, wobei - den Gegebenheiten des Proseminars gemäß-die Erörterung
der Zweiquellentheorie und des synoptischen Problems im Vordergrund
steht. Es fehlen jedoch nicht Hinweise auf die literarkriti-
schen Probleme des Johannesevangeliums und der Paulusbriefe. Die
letzteren sind freilich etwas zu summarisch gehalten: Hier könnte der
Eindruck entstehen, als sei W. Schmithals der einzige Exeget, der im
Corpus Paulinum außerhalb des 2. Korintherbriefs Quellenscheidung
betreibt. Zumindest ein Hinweis auf den Philipperbrief wäre angebracht
gewesen. Der Abschnitt über Formgeschichte (6.) informiert
vorzüglich in einer eigenes Nachdenken provozierenden Weise über
den Diskussionsstand. Als besonders wichtige Formen der synoptischen
Überlieferung werden hier Gleichnisse und Wundererzählun-
gen ausführlicher besprochen. Auch die Formgeschichte außerhalb
der Synoptiker wird wenigstens kurz gestreift. Ein Versuch zur terminologischen
Flurbereinigung ist es zweifellos, wenn unter der Überschrift
„Begriffs- und Motivgeschichte" (7.) jener Methodenschritt
abgehandelt wird, der sonst meist mißverständlich als „Traditionsgeschichte
" bezeichnet wird. Es geht dabei um die Frage „nach Herkunft
, Geschichte und Anwendung der im Text vorkommenden Begriffe
und Motive". Die Abweisung des Begriffs „Traditionsgeschichte
" wird damit begründet, daß sich in der neutestamentlichen,
anders als in der alttestamentlichen Exegese „bestimmte Tradenten-
kreise innerhalb der Gemeinde nur hypothetisch ermitteln lassen"
(94). Dieser Vorschlag verdient zumindest ernsthafte weitere Diskussion
. Der Abschnitt über den religionsgeschichtlichen Vergleich (8.)
gibt brauchbare Kurzinformationen über hellenistische Mysterienreligionen
, Gnosis und Qumran. Daß der folgende Abschnitt über
Redaktionsgeschichte (9.) nicht unmittelbar dem über Formgeschichte
folgt, mag den verwundern, der - wie der Rezensent - die Redaktionsgeschichte
als Teilgebiet der formgeschichtlichen Betrachtungsweise
sehen möchte. Sicher trifft es zu, daß die Redaktionsgeschichte
nicht nach Vorformen der literarischen Überlieferung zurückfragt,
sondern deren Endstadium zum Gegenstand hat, aber Methodik und
Fragekriterien sind doch hier wie dort die gleichen. Obwohl die
Redaktionsgeschichte der synoptischen Evangelien im Zentrum steht,
werden Paulus (redaktionelle Eingliederung älterer traditioneller Elemente
in seine Briefe) sowie das nachpaulinische Schrifttum (Verarbeitung
des 1. Thess in 2. Thess) mit einbezogen.

Aus dem Rahmen fällt lediglich der Abschnitt über Hermeneutik
(10.). In ihm werden zunächst hermeneutische Methoden und Entwürfe
von den'sieben middöt des Rabbi Hillel über die altkirchliche
Lehre vom vierfachen Schriftsinn bis hin zu Bultmanns existentialer
Interpretation referiert. Es folgt eine kritische Besprechung neuerer
hermeneutischer Ansätze (Hans Georg Gadamer - Biblische Theologie
- Sozialgeschichtliche Auslegung - Linguistik - Psychologische
Auslegung). Das hier Gebotene geht nicht nur über den Rahmen eines
Proseminars weit hinaus, sondern es ist in seiner verdichteten, kürzelhaften
Darbietung kaum verständlich. So dürfte auch die am Schluß
gestellte Aufgabe (S. 151) für einen normalen Studenten kaum lösbar
sein. Vorbildlich in ihrer Präzision und ihrem informativen Gehalt
sind jedoch die abschließenden praktischen Hinweise für die Anfertigungeiner
Proseminararbeit (11.).

Trotz der hier geäußerten kritischen Anmerkungen und Rückfragen
bleibt der Gesamteindruck, daß es sich hier um eine notwendige