Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

886-887

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

McNamara, Martin

Titel/Untertitel:

Palestinian Judaism and the New Testament 1985

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

885

Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 12

886

Entsprechendes gilt auch für den Kommentar zum ersten Königsbuch
. M. Rehm hatte für die erste Ausgabe nur rund 70 Seiten zur
Verfugung. die größtenteils von der Übersetzung beansprucht wurden.
G. Hentschel kann demgegenüber nicht nur weitaus gründlichere Erläuterungen
bieten, sondern auch die Einleitung im erforderlichen
Umfange erweitern und Literaturhinweisc hinzufügen. Seine Forschungen
zu den Elia- und Elisa-Überlieferungen kommen den kommentierenden
Bemerkungen sichtlich zugute. Besonders erwähnt sei die weitgehende
Übernahme der rcdaktionsgeschichtlichen Analyse und auch
der Chronologie von A. Jepsen. Ihre Ergebnisse läßt H. dergestalt in die
Erklärung einfließen, daß die im einzelnen diffizilen redaktionellen
Vorgänge dem Leser einsichtig werden und überschaubar bleiben.

Insgesamt bestätigen beide Lieferungen der neuen Echter-Bibel den
schon bei den vorausgegangenen Teilen entstandenen Eindruck eines
qualitätvollen Kurz-Kommentars, der sich insbesondere dem Pfarrer
und Katecheten, aber auch dem Bibcllcser als zuverlässige Hilfe
empfiehlt.

K.-H. B.

Judaica

Kümmel, Werner Georg [Hrsg.]: Jüdische Schriften aus hellenistischrömischer
Zeit. hrsg. in Zusammenarbeit mit Chr. Habicht. O. Kaiser
. O. Plögeru. J. Schneider. V. 6: Siegbert Uhlig: Das Äthiopische
Henochbuch. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
1984. S. 461 -780. gr. 8'. Kart. DM 198,-.

I (äth) Hen gehörte in der äthiopischen Kirche zu den kanonischen
Schriften (S. 470); dadurch ist uns das Buch als solches vollständig
erhalten. In ihm sind „vermutlich nach der Zeitenwende von einem
jüdischen Redaktor" (494) fünf Henochschriften aus dem 3. Jh. v.
Uhr. bis I.Jh. n. Chr. zusammengestellt worden. Ins Äthiopische
wurde es „nach einer griechischen Vorlage übertragen" (485). Von
den verschiedenen Versionen des 1 Hen bietet keine den „uneingeschränkt
zuverlässigen Archetypus", so daß dieser „in jedem Fall
durch die textkritische Arbeit hypothetisch erschlossen werden" muß
(486). So beanspruchen angesichts der mannigfachen Überlieferung
textkritische Fragen im Apparat nicht unerheblichen Raum
(JSHRZ V. 6 ist die bisher umfangreichste Lieferung des Ganzen). Sie
werden bis in Einzelheiten der Ausdrucksweise hinein referiert.

Die Einleitung zum Ganzen (S. 466-497) äußert sich insbesondere
zu „Quellenlage" (S. 470-483) und „Textgeschichte" (S. 483-491),
ersteres auf Grund der vielfältigen (weithin fragmentarischen) Überlieferung
in verschiedenen Sprachen, ferner zur Gestalt des Patriarchen
im jüdischen Schrifttum, zu den Trägerkreisen des lHen, zu
Abfassungszeit und -gegend usw. Griechisch erhalten sind jedenfalls
1,1-32,6; 97,6-107,3. Die sog. Bilderreden (Kap. 37-71). in denen
die Bezeichnung der „Menschensohn" (neben anderen messianischen
Titeln, „sein [Gottes] Gesalbter", „der Erwählte" usw., s. S. 576) eine
Rolle spielt, sind nach U. - entgegen anderen - jüdischen Ursprungs
(nicht christlichen [S. 575]). Für die fünfTeile werden jeweils am Beginn
ihrer Bearbeitung die sog. Einleitungsfragen gesondert erörtert.

Im Apparat werden in bestimmtem Umläng an Hand von mannigfachem
Material ferner Erläuterungen zur Sache gegeben, etwa durch
Hinweise auf Stichwörter in entsprechenden Aussagen anderer jüdischer
Schriften', biblischer oder frühchristlicher Texte (die sämtlich
am Schluß in Registern vorgeführt werden) usw. Erörterungen zur
Wortbedeutung und zur Übersetzung klären verschiedene Möglichkeiten
des Verständnisses. Auch die Analyse von Namen ist ggf. hilfreich
. Die Bildersprache, in die die Aussagen von 1 Hen weithin gefaßt
sind, wird zum Teil in offene Redeweise aufgelöst, so durch Angabe
historischer Namen in den sog. Traumvisionen (Kap. 83-91), der
..Tierapokalypse", einem Überblick über die Geschichte von der Sintflut
bis zum messianischen Reich, in dem weithin in frühapokalyptischer
Geschichtsdeutung (673) vaticinia ex eventu vorliegen (wie in
der Wochenapokalypse).

U. kann von einer weiträumigen Kenntnis antiker, zumal frühjüdischer
Texte ausgehen, ist in der sekundären Literatur nicht erst der
jüngsten Zeit.zu Hause und vermag beides für das Verständnis des
lHen fruchtbar zu machen. Auf Grund abgewogenen Urteils Vernum
U. den Leser selbst einem solchen näherzubringen.

H;illc (Saale) Gerhard Delling

1 Das „Astronomische Buch" (Kap. 72-82) etwa hat besondere Beziehungen
zum Juhiläcnbuch (u. a. Kalendertagen).

McNamara, Martin: Palestinian Judaism and the New Testament.

Wilmington: Glazier 1983. 279 S. 8' = Good News Studies, 4 Kart
$ 12.95.

Zu den zahlreichen Publikationsreihen, die in den USA erscheinen
und sich darum bemühen, auf anspruchsvollem Niveau, jedoch in
einer über den Kreis der Fachleute hinaus zugänglichen Präsenta-
tionsform Ergebnisse theologischer Arbeit zu vermitteln, ist eine neue
getreten: die Good News Studies. Die günstige Ausgangssituation
ermöglichte es, bereits im Gründungsjahr 1983 sechs Bände vorzulegen
. Ihre Besonderheiten: sie alle beziehen sich im engeren oder weiteren
Sinn auf das Neue Testament: es handelt sich um eine durch die
Auswahl der Autoren klar profilierte Reihe, ob Amerikaner oder
Europäer, gehören sie sämtlich dem sich wieder kräftig artikulierenden
katholisch-konservativen Lager an.

Die Grundlage des Bandes bildet eine Folge von Vorlesungen, die
an der John Carroll University in Cleveland (Ohio) gehalten wurden,
und zwar auf der Basis eines Lehrstuhls für Interreligiöse Studien, dessen
Aufgabe es ist. den Dialog zwischen Katholiken. Protestanten und
Juden zu fordern. Der als Targumforscher von Rang bekannte Dubliner
Theologe Martin McNamara trägt diesem Auftrag insofern Rechnung
, daß er schon zu Beginn daraufhinweist, wie sehreine fundierte
Kenntnis des Judentums für die sachgerechte Auslegung des Neuen
Testaments erforderlich ist. Er belegt es in einem kurzen Durchblick
durch die Geschichte neulcstamentlicher Arbeit auf diesem Sektor
von Lightfoot bis Charlesworth (S. 17-44). Dabei geht es nicht ohne
(z. T. berechtigte) Kritik an der deutschsprachigen Forschung ab. die
F. Weber und P. Billerbeck (samt deren Benutzer), die Religionsgeschichtliche
Schule und Autoren des ThWb trifft: ihnen sei die
Überbewertung der späteren bei Unterschätzung der frühen Quellen
gemeinsam.

Demgegenüber versucht der Vf. das Neue Testament in eine Geschichte
kontinuierlicher Schriftauslegung einzuordnen, die von der
Redaktion des Pentateuch bis zu den frühen Midraschim reicht und
als "growth of a tradition" begriffen wird (S. 45-64). Der Charakter
des Judentums als "book-centred religion" erlaubt es. Religionsgeschichte
als Geschichte der Schriltauslegung darzustellen. Als deren
entscheidende Aspekte gelten: Apokalyptik. Qumran. Rabbinismus
und die Targumc. Damit sind die vier Hauptabschnitte des Werkes
bezeichnet.

Das Kapitel über die Apokalyptik und ihre Literatur (S. 65-121)
entwickelt den BegrifTder Apokalyptik an der Offb. verdeutlicht das
Bild durch die Präsentation von Hen und Ass Mos und ergänzt es mit
einem (nach Jahrhunderten gestaffelten) Durchgang durch das apokalyptische
Schrifttum samt der Testamentenliteratur. Der mit Recht
konstatierte wachsende Einfluß apokalyptischen Denkens im I. nachchristlichen
Jahrhundert ist Anlaß zur vergleichenden Heranziehung
wichtiger neutestamentücher Texte.

Im Abschnitt über Qumran (S. 125-158) wird das dominierende
Geschichtsbild einschließlich der Identifizierung mit den Essenern
übernommen. Einzelpunkte wie Gütergemeinschaft, das Aufsichls-
amt, die kultische Spritualität, Zölibat. Endkampfvorstellung. Ange-
lologie und Messianismus werden angesprochen und zum Neuen
Testament in Beziehung gesetzt. Dabei wird auf Züge frühchristlicher