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Ausgabe:

1985

Spalte:

881-884

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Spieckermann, Hermann

Titel/Untertitel:

Juda unter Assur in der Sargonidenzeit 1985

Rezensent:

Timm, Stefan

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 12

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Ophel und aus der Altstadt). Kapitel 6 (S. 79-90) vermittelt Einblicke
in die religiösen und politischen Verhältnisse im ammonitischen Gebiet
. Dies geschieht ausgehend von den von Smelik am ehesten als
Aramäisch eingestuften Wandinschriften des Heiligtums von Teil Der

Ula (Kombination I) und aufgrund von Königsinschriften (aus der
Zitadelle und dem Theater von 'Amman und der Flascheninschrift
vom Teil Siran). Das Ostrakon aus Mcyul llasavyahu mit der
Petition eines Erntearbeiters bietet den AnlaJJ zur Behandlung sozialer
Fragen in Juda in Kapitel 7 (S. 91-98). Die auf dem Teil 'Arad
gefundenen Ostraka (Nr. 1-5.7.8.16-18.21.24.40.88.111) wertet
Kapitel 8(S. 99-1 11) für eine Rekonstruktion der militärischen Organisation
entlang der Südgrenze Judas aus. wobei die Zusammensetzung
und Versorgung der hier stationierten Truppen im Mittelpunkt
stehen. Gestützt auf die Ostraka vom Teil ed-DuwSr (Nr. 2-6.9)
bespricht Kapitel 9 (S. I 12-126) die militärische Situation Judas kurz
vor dem Jahr 586 v. Chr. Namengcbung. Berufe, soziale Ränge und
königliche Verwaltungsmaßnahmen auf wirtschaftlichem Sektor
behandelt Kapitel 10 (S. 127-141 (anhand ausgewählter Siegel Siegel-
abdrückc und Gewichtsaufschriften. Das abschließende Kapitel 11
(S. 142-155) bespricht Dokumente religiösen Inhalts (Grabinschriften
aus Ijirbet el-Qom und ffirhei Bei Ter, Inschriften aus KunttHet
'■ türtul und einer Höhle bei Engedi. Inschriften auf Gefäßen verschiedener
Herkunft und auf einem Räuchcraltar vom Teil ed-Duuer
sowie zwei Ostraka vom TellQasile).

Der Ertrag des Buches läßt sich mit einem Satz des Verfassers am
besten zusammenfassen: Israel war ursprünglich kein weißer Rabe
unter den Völkern, sondern ist ein solcher erst unter dem Einfluß der
großen Propheten wie Jesaja und Jeremia geworden (S. 90). Die
Sozialstrukturen, das Geschichtsbewußtsein und die religiösen Vorstellungen
Judas und Israels, die die außerbiblischen Texte bezeugen,
fügen sich in den Rahmen der altoricntalischen Kultur ein. Mit dieser
Erkenntnis wird die alttcstamcntliche Überlieferung nicht nivelliert.
Ganz im Gegenteil läßt sich ihre Eigenart erst von diesem Hintergrund
her definieren. Es lohnt sich, mit K. A. D. Smelik den Weg
durch das umfangreiche Inschriftenmaterial zurückzulegen, und man
muß ihm dafür dankbar sein, daß dies kein langweiliges, sondern ein
spannendes Unternehmen ist.

Ein Buch, das überquillt von Geschichtsintcrpretationcn und Texten
, deren Lesung oft alles andere als eindeutig ist. kann nicht zu
jedem Detail Zustimmung erwarten. Bis auf eine Ausnahme richtet
meine Kritik sich freilich auf periphere Bemerkungen (etwa auf S. 28
zu den Ausgrabungen Macalisters in Geser). Nicht teilen kann ich die
These des Verfassers, daß die Schrift erst ab ungefähr 800 v. Chr. in
breiteren Kreisen Israels bekannt geworden und für literarische
Zwecke verwendet worden sei (S. 11.26 und so Smelik auch schon in
seiner Dissertation über ..Saul". Amsterdam 1977). Zu so viel Skepsis
berechtigt das zugestandenermaßen schmale Textkorpus aus der
beginnenden Eisenzeit wohl doch nicht, und Smelik selbst hat damit
seiner These den Boden unter den Füßen weggezogen, daß er über
mögliche israelitische Einflüsse auf die moabitischen Bauinschriften
des9. Jh. v. Chr. spekuliert (S. 41).

Heidelberg Helga Weippert

Spieckermann. Hermann: Juda unter Assur in der Sargonidenzeit.

Göttingen: Vandcnhocck & Ruprecht 1982. 446 S. gr. 8* = Forschungen
zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments
. 129. Kart. DM 29.-.

Größere Studien über das letzte Drittel des 7. Jh., die die weltpolitischen
Ereignisse und deren Einflüsse auf Juda und die alttestamcnt-
lichen Texte in gleicher Weise behandeln, gibt es aus neuerer Zeit
kaum. Eine Arbeit, die sich diesem Thema widmet, nimmt man gern
zur Hand. Wie wird sie die Aussagen des AT zu Josia. dem bedeutendsten
König in Jerusalem vorder Katastrophe von 587/86, und zu den
religiösen Verhältnissen in Juda methodisch und inhaltlich deuten?

Das vorliegende Buch Sp.s, seine Dissertation, die im Wintersemester
1980/81 in Göttingen vom Fachbereich Ev. Theol. angenommen
wurde, steht unter der Devise, daß in dieser Zeit nur Assur wirklich
Einfluß auf die palästinische Welt, inklusive Juda. ausübte. Es ist -
nach einer Einleitung mit einem Forschungsüberblick (S. 17-30)- in
drei Teile gegliedert:

1. Die literarischen Uberlieferungen des AT zu Josia und den Früheren
Königen, von denen kultische Maßnahmen berichtet werden.
„I A Der Reformator Josia (2 Kön 22-23)" und .,1 B Die Rückwirkungen
der josianischen Reform auf die Darstellung der Geschichte
Israels" (S. 30-199).

2. „II Der Kampf um Sicherheit und Macht - Die assyrische Religion
zwischen Daseinsangst und politischer Propaganda, A Die Spätform
neuassyrischer Religion und ihre Auswirkungen auf Juda"
(S. 277-306).

3. „B Religionspolitische Maßnahmen der Assyrer gegenüber Juda
und anderen besiegten Völkern" (S. 307-372).

Eine Zusammenfassung bietet ..III Juda zwischen religionsgeschicht-
lichcm Kompromiß und intolerantem Jahwismus - Rückblick und
Schlußfolgerungen" (S. 373-381). Es folgen das Literaturverzeichnis
(S. 383-409). ein Anhang, in dem die verhandelten Texte aus den
Königsbüchern nach ihrer literarischen Schichtung aufgeschlüsselt
werden (S. 411-429). und verschiedene Register. - Sp. beginnt seine
Studie also mit den Texten der Königsbücher. Dieser Einsatz ist sachgemäß
, denn über Juda liegen - trotz weiterer Quellen aus dem meso-
potamischen und ägyptischen Bereich - im AT die meisten Aussagen
vor, auch wenn sie nicht alle als zeitgenössisch betrachtet werden
können. Es gilt hier die ältesten Aussagen von den jüngeren Überarbeitungen
zu scheiden. Das geschieht im literarkritischen Teil der
Studie I A und B.aberauch „II B Das Zeugnis des judäischen Vasallen
Anas (2 Kön 16.10-16)" (S. 362-369).

Sp. übernimmt die Auffassung, die R. Smend - ihm folgend W. Dietrich und
T. Vcijola - entwickelt haben, nach der das dir. (icschichtswerk auf eine (oder
mehrere) vordtr. Vorlage(n), eine dir. GrundschriM und mehrere sukzessiv hinzugewachsene
, in sich jedoch einheitlich akzentuierte dtr. Schichten aufgeteilt
wird. Besonders die Texte über Josia. die im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen,
unterzieht Sp. einer minutiösen - bisweilen vielleicht zu subtilen - Literarkritik.
Seine Analyse, die nicht selten zu anderen Ergebnissen als W. Dietrich und
T. Veijola gelangt, setzt sich intensiv mit der Studie H.-D. HolTmanns' auseinander
. Sie präjudiziell die historischen Aussagen Sp.s fürdic /eil Josias.

Zu Anfang fragt Sp. jedoch danach, inwieweit im chronistischen
Geschichtswerk bestimmte Tendenzen der dtr. Geschichtsdarstcllung
etwa zu Manassc (2Chr33), zu Josia (2Chr 34-35) aber auch zu
Pharao Necho(2Chr 35,21) zur Vollendung gebracht werden."' Dieser
interessante Einsatz zeigt das Gefälle der dtr. Texte auf. Die historischen
Aussagen des chronistischen Geschichtswerkes verweist Sp. in
den Bereich der Legende (S. 41).

Neben dem Endpunkt dcralttcstamcntlichcn Geschichtsschreibung im chronistischen
Geschichtswerk wird den Texten aus dem Dtn. die - nach Meinung
des Rez. - vielfach als positives Ideal hinter den berichteten Kultmaßnahmcn
stehen, nicht in gleicher Weise nachgegangen. Sp.s These ist vielmehr, daß die
Kultmaßnahmen, die für die Könige vor Josia berichtet werden, nicht von der
literarischen Vorlage des Dtn beeinflußt sind, sondern daß die historische Reform
des Josia literarische Texte aus sich heraussetzte, die in frühere Zeiten
zurücktransponiert wurden. So stehe hinter 2Kön (16.3: 21.6) 23.10 nicht
schon Dtn 18.10 als literarische Vorgabe, sondern die historische Reform Josias
habe den Text Dtn 18.10 erst hervorgebracht (S. 104). Die Aussagen des Dtn
werden wohl bisweilen unterschätzt.

Nachdem Sp. die ältesten alttestamentliehen Quellen zu Josia literarisch
herausgeschält hat - die Intentionen und Tendenzen der Überarbeitungsstufen
werden daneben gewürdigt -, geht er den Aussagen
dieser ältesten Quellen nach. Ein Überblick über die außenpolitische
Stellung Josias führt zu Erwägungen über die judäischen Verteidi-
gungsmaßnahmen', die Interpretation der Königsstempel und über
den Tod Josias an der Schlacht bei Megiddo (S. 138-153).

2 Kön 23.2*) steht aber nichts von einer Schlacht Josias. sondern nur daß Josia
dem Pharao entgegenging - was nicht feindlich gemeint sein muß - und er