Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

839-841

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Knoch, Wendelin

Titel/Untertitel:

Die Einsetzung der Sakramente durch Christus 1985

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

839

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 1 1

840

gottung des Kosmos durch die Gnostiker gesehen und in ihrer sich dadurch
ergebenden Gottlosigkeit. Der Verfasser schließt das Kapitel
mit der zutreffenden Feststellung, daß Hippolyts Streit gegen die Gno-
sis den lebendigen Eifer eingebüßt habe, der zuvor für Irenaeus kennzeichnend
war. „Die Gnostiker selbst stellten keine konkrete und
unmittelbare Herausforderung mehr dar."

Epiphanius war von der Absicht geleitet, Ketzergeschichte zu
schreiben und der Heilsgeschichte das Wirken des Teufels in der Geschichte
gegenüberzustellen. Vor diesem satanischen Wirken will er
warnen, indem er es in seinen abschreckendsten Zügen schildert.
Dazu benutzt er die Gelegenheit, seinen Gegnern ihren Platz in dieser
Riege des Teufels zuzuweisen. Daß er den gnostischen Sekten derart
viel Raum gewährt, hat darin seinen Grund, daß er hier den Zusammenhang
zwischen perversen Meinungen und perversen Sitten besonders
deutlich und abschreckend schildern kann. Für die Methode des
Epiphanius ist es charakteristisch, daß er auf die Widersprüchlichkeit
gnostischer Lehren und auf ihre Unvereinbarkeit mit der offenbarten
Wahrheit verweist, das ist, mit dem buchstäblichen Schriftsinn. Was
Epi phani us aber am anstößigsten an der Gnosis empfand, sei i hre Geringschätzung
der Glaubensformeln gewesen. So der Verfasser; er
schließt mit allgemeinen Ausführungen unterschiedlichen Wertes.
Einerseits macht er interessante Bemerkungen über die Ausweitung
des Häresiebegriffs von Irenaeus bis Epiphanius; andererseits trägt er
hier auch eine Reihe von Redensarten vor, etwa daß im Leben jeder
Gruppe der Gesellschaft drei Krisenmomente zu unterscheiden seien;
Existenzkrise, Bedeutungskrise und Identitätskrise. Daß solche Feststellungen
recht willkürlich sind, gibt er anerkennenswerterweise zu.
Insgesamt gehört die Studie in die Kategorie der „Durchblicke"; das
Recht des Verfassers, einen solchen zu schreiben, ist vor allem in seiner
lobenswerten Literaturkenntnis begründet.

Kiel Heinrieh Kraft

Knoch, Wendclin; Die Einsetzung der Sakramente durch Christus.

Eine Untersuchung zur Sakramententheologie der Frühscholastik
von Anselm von Laon bis zu Wilhelm von Auxerre. Münster/W.:
Aschendorff 1983. IX, 434 S. gr. 8' = Beiträge zur Geschichte der
Philosophie und Theologie des Mittelalters. N. F. 24. Kart.
DM 128,-.

Während die hochscholastische Theologie immer wieder im Mittelpunkt
des Interesses-auch „gebildeter Laien" - steht, so beschäftigen
sich mit der Frühscholastik nur einige Spezialisten. Das liegt vor
allem daran, daß sie ein sehr wenig einheitliches Bild bietet. Aber in
ihr liegen die Wurzeln der großen scholastischen Systeme, durch sie
wurden spätere Entscheidungen vorentschieden. Die Hochscholastik
ist ohne die Frühscholastik nicht wirklich zu verstehen. Dabei darf
man nicht einen ihrer Vertreter isoliert betrachten, nur gebündelt hat
sie ihren Einfluß auf die spätere Entwicklung ausgeübt. Die Beschäftigung
mit ihr wird bis heute dadurch erschwert, daß die Werke dieser
Zeit zumeist nur handschriftlich vorliegen.

Das gilt alles ganz besonders für die Sakramentenlchre. In der frühscholastischen
Epoche ist - vor allem bedingt durch den 1. und
2. Abendmahlsstreit - die Sakramentenlehre voll ausgebildet worden,
die Hochscholastik hat nur noch die Früchte eingebracht; lehramtliche
Entscheidungen waren nicht vorgegeben. Vf. sieht richtig, wenn
er behauptet: „Tridentinum theologia (scholastica) primae aetatis
mediae interpretandum est" (5). Vor allem ist während der Früjischo-
lastik die Eucharistielehre entwickelt und abgeklärt worden und von
ihr aus eine allgemeine Sakramentenlehre1, die sich vor allem mit der
Siebenzahl und der Einsetzung durch Christus befaßt hat. Obwohl Vf.
mit Recht die Entwicklung in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts einsetzen
läßt, hebt er überhaupt nicht die Bedeutung des Berengarschen
Abendmahlsstreites hervor, der diese Entwicklung initiiert hat (die
wenigen Sätze [14,378] reichen da nicht aus). Hier fehlt auch die Berücksichtigungwesentlicher
Primär- und Sekundärliteratur.

Richtig aber ist die Behauptung am Anfang: „Das Sakramentenverständnis
bleibt eingebettet in eine Sicht der Kirche, die diese -.;.-»
,als Hüterin der göttlichen Sakramente' betrachtet"; „Überlegungen
zum ,sacramentum"' sind „zunächst mit der Taufe bzw. Eucharistie-
lehre verbunden". „Aussagen ,de sacramentis in genere' sind zunächst
nichts anderes als von diesen Sakramenten abgeleitete und dann an
diesen wiederum zu verifizierende Abstraktionen" (11).

Im [. Teil untersucht Vf. „Die Theologenschulen am Beginn der
Frühscholastik" (19-176), konkret die Schule des Anselm von Laon
und die des Wilhelm von Champeaux, Hugo von St. Viktor und die
Viktorinerschule bzw. Petrus Abaelard und seine Schule. Hugo hat
einen Beitrag dazu geleistet, daß eine allgemeine Sakramentenlehre
die Reflexionen über die Einzelsakramente notwendig ergänzen muß.
aber das Ziel hat er noch lange nicht erreicht (139). Christozentrik
prägt (wie zunächst in der Frühscholastik überhaupt) die Sakramen-
tenlehrc, die institutio Christi wird zum Schlüssel im Verständnis von
Taufe (Abaelard: „Ipse est qui baptizat", ähnlich Robert von Melun)
und Abendmahl. Es wird aber vermieden, diesen Begriff auf den Ordo
oder die Buße anzuwenden, bei der Ehe spricht man von einer „institutio
a Deo"; Christus hat aber auf der Hochzeit von Kana diese bestätigt
. Die Confirmatio (und später die Unctio infirmorum) gilt als von
den Aposteln eingesetzt; man beginnt, christologische und apostolische
Tradition in die traditio ecclesiastica' zu integrieren. Zunächst
aber werden Taufe und Abendmahl direkt auf Christus, Confirmatio
und Krankensalbung auf die Apostel, Ordo, Buße und Ehe auf allgemein
göttliches Handeln zurückgeführt.

Im II. Teil „Die Weiterentwicklung der ,theologia scholastica'"
(177-223) werden Mag. Simon und sein Einflußbereich, Robert Pul-
lus und Zacharias Chrysopolitanus, das ,Decretum Gratiani' und die
Pariser Schule von St. Genevieve nach Abaelard (Robert v. Melun)
behandelt, z. T. also recht unbekannte Theologen.

Im III. Teil wird „Die Blüte der .theologia scholastica'" (224-331).
d. h. „Petrus Lombardus und die Theologen in seinem Strahlkreis"
bzw. Gilbert von Poitiers und seine Schule, untersucht. In bewußter
Übernahme und Einarbeitung der ihm zugänglichen Quellenschriften
hat Petrus Lombardus sein eigenes Profil herausgearbeitet (241). Einsetzung
wird nicht so sehr als ,Setzung' eines Zeichens verstanden, es
wird vielmehr auf Bestehendes zurückgegriffen (z. B. Johannestaufe).
„Das ,Deus/Christus agens' ist das Entscheidende; der Mensch ist
ministeriell' diesem göttlichen Tun zugeordnet" (289f).

Im IV. Teil „Der Ausklang der Frühscholastik" (332-376) behandelt
Vf. die Summe ,Totus Homo', Praepositinus, Petrus Cantor,
Guido von Orchelles und Wilhelm von Auxerre.

Mit einem ausführlichen „Summarium" (377-416) beschließt Vf.
seine Untersuchung. Die Vielfalt der frühscholastischen Sakramentstheologie
verbietet es fast, ein abstrahierendes Ergebnis zu formulieren
. Als Problemfelder aber seien u. a. genannt: der Sakramentsbcgnll
und die Unterscheidung von sacramenta maiora und sacramenta
minora; die Lehre vom sakramentalen Charakter; die Verbindung
von Gnaden- und Sakramentenlehre (die Ehe ist stets .Sonderfall'): die
Untergliederung der (sieben) Sakramente; die Bedeutung der vorchristlichen
, besonders der alttestamentlichen Sakramente.

Während am Beginn der Epoche die Sakramente „noch nicht unter
dem Vorzeichen gemeinsamer Grundlegung als Einheit gesehen" w erden
(384), so doch stark christozentrisch. Später rückt die traditio
ecclesiastica in den Vordergrund, die Sakramente werden aus dem
Verhältnis Christi zu seiner Kirche heraus gedeutet; die Einsetzungsfrage
wird nicht so sehr historisch verstanden. Im Umkreis des Lombarden
wird von den „sacramenta ecclesiastica" (398, 259) gesprochen
. Am Schluß der Epoche steht die Siebenzahl fest, die institutio
sacramentorum wird teilweise gar nicht mehr thematisiert. Guido von
Orchelles hat bereits eine „klassische" Sakramentenlehre; ein Traktat
„De sacramentis in genere" geht den Einzelsakramcnten voraus (356.
404). Bei Wilhelm von Auxerre sind die Sakramente zur Rechtfertigung
eingesetzt; in der Eucharistie „bringt nicht die Opfcrhandlung.
sondern das Geopferte selbst Rechtfertigung und Heil": die Erlösung