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Ausgabe:

1985

Spalte:

838-839

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Vallée, Gérard

Titel/Untertitel:

A study in anti-Gnostic polemics 1985

Rezensent:

Kraft, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 1 1

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den griechischen und orientalischen Fragmenten (Erörterung
SCh 293, 83-115) ist vor allem das Stück in Cod. Vatop. 236 und der
armenische Euagrios als ertragreich hervorzuheben.5 Im Apparat des
Textes werden nur die griechischen Fragmente abgedruckt, von den
orientalischen aber leider nur einige Lesarten aufgenommen. Die
Zählung der armenischen Fragmente im Textband weicht von der in
SCh 293, 101-107 gebotenen ab. Das arabische Fragment (SCh 293.
III ohne Stellenangabe) bezieht sich aufll 13,1 (SCh 294, 108). Eine
den griechischen Fragmenten entsprechende Liste (SCh 293, 84) wäre
auch für die orientalischen Texte eine große Erleichterung gewesen.

Der Fortschritt im Vergleich mit der Edition Harveys ist beträchtlich
. SCh 293, 18-32 werden etwa 600 Verbesserungen besprochen,
wozu die Korrekturen der Kapiteleinteilung treten (51-80). Korrekturen
erfahren auch moderne Untersuchungen, wie z. B. SCh 293, 109
Anm. 1 Reynders. Der Wert der neuen Edition liegt darüber hinaus in
der philologischen Akribie, mit der die Bezeugung dargelegt wird
(negativer Apparat).

Das Bemühen der Editoren ist aber nicht nur auf eine zuverlässige
Textkonstituierung gerichtet, sondern darüber hinaus auf eine Aufdeckung
der eigentlichen Gedankenführung des Eirenaios und der
nicht erhaltenen griechischen Textgrundlage. So kommt der französischen
Übersetzung und den Notes justificatives (SCh 293, 199-356)
eine ganz besondere Bedeutung zu. Die zuletzt genannten sind kein
Kommentar. Sie bemühen sich vielmehr darum, die altlateinische
Übersetzung richtig zu interpretieren und die Meinung des Eirenaios
zu eruieren. Gründlich werden die nichtlateinischen Fragmente unter
solchem Aspekt geprüft und bei sehr vielen Stellen Rückübersetzungen
ins Griechische gewagt. So fragwürdig dieses Verfahren auch sein
mag. nötigt es den Benutzer doch zu intensivem Mitdenken. Eine sehr
kritische Haltung wird er bei der Benutzung des Index der griechischen
Worte (SCh 293, 381 -433) brauchen, da hier nur ein Bruchteil
durch Fragmente belegt, das übrige aber hypothetisch ist. Weitere
Indices würden natürlich helfen, den Text und die Notes besser ausschöpfen
zu können.

Nicht werden in dieser Edition die Aussagen des Eirenaios über die
Systeme der Gnostiker mit dem verglichen, was uns sonst darüber zu
Gebote steht. Schon ganz knappe Hinweise wären eine Hilfe gewesen;
denn die Methode des Eirenaios ist durchaus fragwürdig, wenn er z. B.
sagt: „Destructis itaque his qui a Valentino sunt, omnis haereticorum
euersaestmultitudo"(" 31,1, SCh 294.324,10."

Kurzum: Es handelt sich um eine Ausgabe, die nicht so sehr für
jemanden gedacht ist, der sich schnell über eine Stelle im Text informieren
will, sondern für einen Benutzer, der nicht die Mühe scheut, in
das Gedankensystem des Eirenaios einzudringen. Wegen der sorgsamen
Bemühung um dieses Ziel wird diese Edition ihre Berechtigung
und ihren Wert als specimen eruditionis auch neben einer - noch zu
erarbeitenden - Editio maxima behalten. So ist der Dank an Adelin
Rousseau und Louis Doutreleau, die die gesamte Edition getragen
haben, vollauf berechtigt.

Berlin Friedhelm Winkclmann

' Libled. A. Rousseau et L. Doutreleau (SCh 263/264) Paris 1979; lib. II ed.
A. Rousseau et L. Doutreleau (vorliegende Besprechung); lib. III ed. A. Rousseau
et L. Doutreleau (SCh 210/211) Paris 1974; lib. IV cd. A. Rousseau - B.
Hemmerdinger - L. Doutreleau - Ch. Mercier (SCh 100/100*) Paris 1965;
lib. V cd. A. Rousseau - L. Doutreleau - Ch. Mercier (SCh 152/153) Paris
1969.

1 W. Harvey. Sancli Ircnaei libros quinque aduersus Hacreses edidit, l/II,
Cambridge 1857.

1 Es ist aus der langen Entstehungszeit dieser Edition zu erklären, daß sich die
Ausfuhrungen zur Textüberlieferung in den Bänden 100. 152. 210. 263. soweit
sie das Allgemeine bctrcfTcn, überschneiden.

4 Zur altlatcinischen Übersetzung vergleiche man jetzt auch neben den Einleitungen
zu den einzelnen SCh-Bänden L. Doutreleau. Le Salmanticensis 202
et le texte latin d'Irenec, in: Orpheus N. S. 2 (1981) 131 -156.

' Nicht übersehen werden sollten auch die beiden Appendices, die in einem

Werk des G. Peyraud und von Maximos Homologetes und Johannes von Da-
maskos überlieferte Zitate aufihren Wert prüfen (SCh 293,359-370).

6 Daß der Hinweis auf F. Sagnard. Le gnose valentinienne et le temoignage de
St. Irenee. Paris 1947, heute nicht mehr ausreicht, darauf hatte ich schon
ThLZ 107,1982,839 hingewiesen.

Vallee, Gerard: A Study in Anti-Gnostic Polemics. Irenaeus, Hippoly-
tus, and Epiphanius. Waterloo, Ont.: Wilfried Laurier University
Press 1981. XI, 114S. 8" = Studies in Christianity and Judaism, 1.
$4.-.

Mit diesem Buch erscheint der erste Band einer-Reihe, deren Titel
„Arbeiten über das Christentum und das Judentum" einen weiten
Horizont eröffnet. Ihr Ziel ist nicht allein die Erhellung der Beziehungen
zwischen den beiden Religionen, sondern darüber hinaus der „originale
Einblick in bestimmte zentrale Gesichtspunkte beider Religionen
oder einer von ihnen". Die Abhandlungen sollen Lehre, Geschichte
und Texte behandeln, und sie sollen das von einem vorurteilsfreien
religionsgeschichtlichen Standpunkt aus tun ohne traditionelle
Gegensätze und Beschränkungen. So die kanadischen Herausgeber
; man muß nicht befürchten, daß ein solcher Rahmen durch
irgendein Thema gesprengt werden könnte.

Der Verfasser unseres Buches stellt einen Vergleich zwischen den
großen antihäretischen Handbüchern des Irenaeus, Hippolytus und
Epiphanius an. Er versucht, die „Substanz der Argumente" zu bestimmen
, die die genannten antihäretischen Väter zur Bekämpfung der
Gnosis entwickelt haben. Die Beschränkung auf die drei genannten
Werke rechtfertigt er damit, daß es sie überhaupt gibt, daß sie typische
Vertreter ihrer Gattung seien und daß sie sich gegen alle ihren Verfassern
bekannten Häresien wendeten. Der Verfasser könnte entschlossener
sein. Wenn es ihm wirklich darum geht, die kirchliche Bestreitung
der Gnosis in ihrem Wesen zu erfassen, dann muß er seine
Mühe auf die Autoren richten, die in der Gnosis eine gegenwärtige
Gefahr für die Kirche gesehen und darum gegen sie geschrieben
haben. Will er aber untersuchen, wie sich der Häresiebegriff von Irenaeus
bis Epiphanius gewandelt hat, so sollte er alle Häresien betrachten
, deren Bekämpfung zu dieser Zeit die Kirche in Anspruch genommen
hat.

Für Irenaeus unterscheidet der Verfasser philosophische, theologische
und sozio-politische Argumente. Philosophische Argumente gibt
es bei Irenaeus so reichlich wie Eisbären in der Sahara - dementsprechend
ist auch die Ausbeute. Die theologischen Argumente laufen
darauf hinaus, daß Irenaeus sich auf die Regula fidei stützt, um den
gnostischen Dualismus zu bekämpfen. Für die sozio-politische Argumentation
wiederholt der Verfasser die Behauptung, die Gnosis sei
eine sozial-revolutionäre Bewegung gewesen. Mit den geistigen Ansprüchen
und dem elitären Selbstbewußtsein der Gnostiker ist diese
Behauptung freilich schwer zu vereinbaren, auch wenn sie immer wieder
einmal auftaucht. Er leitet daraus die Konsequenz ab, Irenaeus
habe zur Unterwerfung unter die Autorität und Majorität aufgefordert
. Wenn er damit nur sagen wollte, daß Irenaeus als erster kirchlicher
Schriftsteller ungeachtet seines Enthusiasmus die Normen der
Katholizität beschrieben habe, so brauchte man nur festzustellen, daß
ein zutreffender Sachverhalt mißverständlich ausgedrückt wurde. Der
Verfasser will aber mehr sagen, nämlich daß Irenaeus mit seiner Verwerfung
der Gnosis zugunsten der Pistis zur Entscheidung ,für eine
autoritäre Struktur im Christentum beigetragen habe'. Irenaeus tritt
sonst nicht gerade als Verfechter autoritärer Struktur in Erscheinung.
Hier hat er sich diesen Vorwurf offensichtlich dadurch zugezogen, daß
eres unterlassen hat,die Regula veritatis kritisch zu hinterfragen.

Unter Anlehnung an Koschorkes Buch „Ketzerbekämpfung und
Polemik gegen die Gnostiker" findet der Verfasser in Hippolyts Philo-
sophumena drei Vorgehensweisen: den Nachweis, daß die Häretiker
von den Griechen abgeschrieben haben, die Vernichtung der Häresie
durch Enthüllung ihrer Geheimnisse und schließlich die Eingliederung
der Häretiker in die Kette derer, die von der Wahrheit abgewichen
sind. Den grundlegenden Gegensatz habe Hippolyt in der Ver-