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Ausgabe:

1985

Spalte:

821-822

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Altaner, Berthold

Titel/Untertitel:

Patrologie 1985

Rezensent:

Haendler, Gert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. I 1

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Ich verweise noch auf einige Einzelheiten: Auch die lukanische
Feldrede ist an die Jünger und an das Volk gerichtet (S. 32). Auch Tür
den irdischen Jesus sei „eine Rede auf einem Berg" am Anfang seines
öffentlichen Lebens anzunehmen - jedenfalls sei dies eine seriöse
Hypothese (S. 37T). Die Weherufe nach den Seligpreisungen bei
Lukas stammen von Evangelisten, wie dies auch für die Gesamtkom-
Position der Makarismen bei Matthäus zutreffe. Der Text Mt 5,13—16
sei als Abschluß der Makarismen zu begreifen. Die Deutung von
Mt 5,18 bleibt letztlich offen, obgleich Lambrecht Tür die anderen drei
Verse in 5,17-20 einleuchtende Erklärungen vorlegt. Ebenfalls neigt
der Verfasser dazu, die antithetische Form durchweg auf Matthäus zurückzuführen
, sogar ohne des oft behaupteten Anhaltes in Lk 6,27 zu
bedürfen. Die Frage bleibt für mich mindestens Tür die erste Antithese
offen.

Insgesamt ein sympathisches Buch, in dem vor allem über Herkunft
und Quellen der Stoffe zuverlässig Auskunft gegeben wird, ohne die
Fragen des heutigen Menschen zu vernachlässigen.

Leipzig Wolfgang Trilling

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Altaner. Berthold, u. Alfred Stuiber: Patrologie. Leben, Schriften und
Lehre der Kirchenväter. Freiburg - Basel - Wien: Herder 1978.
XXIII.671 S. 8'.

Unglückliche Umstände haben bewirkt, daß das genannte Standardwerk
seit Jahrzehnten nicht mehr in der ThLZ besprochen worden
ist und auch jetzt leider erst mit beträchtlicher Verspätung zur
Anzeige gelangt. Für Interessenten an der Alten Kirchcngeschichte
Bedarfes freilich keines besonderen Hinweises: Altaners Patrologie ist
den Fachleuten ebenso bekannt wie unverzichtbar. Das Buch hat
seine Geschichte: 1903 ließ G. Rauschen einen Grundriß der Patrologie
erscheinen, den J. Wittig 1921 zu einer 2. Auflage Führte. 1931
erschien das Buch als „Altaner-Rauschen", ehe dann Berthold Altaner
1938 die Patrologie als ein völlig neues Werk herausbrachte, das
bald in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Heute gibt es eine englische
, französische, italienische und spanische Übersetzung. In deutscher
Sprache konnte Altaner 1958 noch eine völlig neu bearbeitete
5. Auflage herausbringen, die die Literatur bis 1957 mit erfaßte. Altaner
starb 1964. nachdem er vorher noch die Weiterarbeit an seiner
Patrologie dem Bochumer Kirchenhistoriker und christlichen
Archäologen A. Stuiber anvertraut hatte. Dieser legte 1966 als 7. Auflageeine
neu bearbeitete Fassung vor. die sie jedoch in vieler Hinsicht
an die Formen hielt, die Altaner seinem Werk gegeben hatte. Die jetzt
anzuzeigende 8. Auflage wiederholt jene 7. Auflage, der jedoch ein
wichtiger Anhang beigegeben ist: Die Seiten 535-662 enthalten neue
Literatur, die den Seiten des bisherigen Textes zugeordnet ist. Leider
ist das Register unverändert geblieben, so daß sich mitunter ein etwas
umständlicher Nachschlagevorgang entwickeln kann: Vom Register
aus findet man zunächst für den gesuchten Kirchenvater die Seitenzahlen
im Grundtext (von 1966); von dort aus muß man dann aber im
Nachtrag zusehen, was zwischen 1965 und 1976 noch neu erschienen
ist. Das ist manchmal wenig oder sogar gar nichts, meistens ist es aber
überraschend viel. So findet man auf S. 566-570 eine Liste aller
Texte in den Nag-Hammadi-Codices mit Inhaltsangabe und Bibliographie
. Zu den 12 Seiten Grundtext über Ambrosius (S. 378-389)
kommen in den Nachträgen auf fast vollen 3 Seiten Literaturhinweise
hinzu (S. 629-632). Selbst Für das Reisetagebuch der Egeria (Aethe-
ria). das im Grundtext auf 27 Zeilen vorgestellt wird (S. 245), finden
sich 13 Zeilen Nachträge (S. 597). Dankenswerterweise werden bei
jedem Kirchenvater auch die neuesten Ausgaben in den wachsenden
Editionen der Sources Chretiennes (Paris) und des Corpus Christiano-
rum (Turnholt) angegeben, so daß sich auch diejenigen Interessenten,
die diese Ausgaben nicht oder nur sporadisch zur Hand haben, doch
wenigstens informieren können. Man darf gespannt sein, ob eines

Tages eine ganz neue Fassung der Patrologie von A. Stuiber erscheinen
wird, wie es sich der Autor vermutlich und die Leser sicher
wünschen, oder ob weiterhin mit Nachträgen gearbeitet werden soll,
für die der Benutzer jedoch ebenfalls herzlichen Dank schuldet.

Rostock Gert Haendler

Schöllgen. Georg: Ecclcsia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung
frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit
Tertullians. Münster/Westfalen: Aschendorff 1985. 342 S. 4' =
Jahrbuch Für Antike und Christentum, Erg. Bd. 12. Kart. DM 88.-:
Lw. DM 98,-.

Die katholisch-theologische Dissertation (Bonn 1983) erinnert einleitend
an Tertullian-Worte: „Sordent ecclesiae" = Gering sind die
Kirchen. Tertullian fuhr fort: Schwer ist es, im Hause Gottes einen
Reichen zu finden (Ad uxorem 2,8). So ist die u. a. schon von Friedrich
Engels vertretene Ansicht verständlich und verbreitet, die älteste
Kirche habe sich hauptsächlich aus den niederen Volksschichten zusammengesetzt
. Schöllgen will dem Problem näher nachgehen. Teil I
„Wirtschaft und Gesellschaft des römischen Karthago bis ins frühe
3. Jahrhundert" (17-154) bringt viele aufschlußreiche Details: Die
Provinzialverwaltung (98-109), der ordo equester (116-129), der
ordo decurionum und die städtischen Priester (129-136). Darüber
hinaus gab es eine reich gewordene Oberschicht (137-142). Über die
unteren Schichten geben die Quellen weniger her, doch sind sie „in
sich stark differenziert und weit davon entfernt, ein homogenes
Gebilde darzustellen" (148). Teil I will einen „Schichtenraster" (16)
aufstellen für die sozialgeschichtlich interessanten Äußerungen von
Tertullian. Teil II A fragt nach Christen aus den oberen Schichten:
„Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte aus dem Kreise der in Karthago
ansässigen senatorischen Familien mindestens ein junger vir
clarissimus kurz vor dem Eintritt in den senatorischen cursus hono-
rum, also im Alter von ca. 18/20 Jahren, zur christlichen Gemeinde."
Möglicherweise gab es „daneben noch weitere, besonders weibliche
Christen aus dem Senatorenstand" (175). Die Frage, ob Tertullian
selbst dem Ritterstand (ordo equester) angehörte, wird vom Autor
bejaht: „Im Kontext der gesamten Schrill gesehen erweist die Bemerkung
von pall. 6,3 also Tertullians Zugehörigkeit zum ordo equester"
(184); dazu kommt der militärische Rang des Vaters „als weitere
Stütze" (189). Christliche Dekurionen oder Magistratsangehörige hat
es wohl nicht gegeben, doch lassen sich „mit einiger Sicherheit . . .
Mitglieder kurialer Familien nachweisen" (197). Der Abschnitt
„Christen aus den oberen Schichten im weiteren Sinne" Führt zu der
These, „daß es sich um einen wohl auch zahlenmäßig nicht unbedeutenden
Teil der karthagischen Gemeinde handelt" (223). Reiche Witwen
werden genannt. Trotz mancher Einzelheiten ist es aber nicht
möglich, „die Zahl der karthagischen Christen aus den oberen Schichten
und ihren prozentualen Anteil an der Gesamtgemeinde auch nur
annähernd präzise zu bestimmen. Für das ursprüngliche Ziel der
Arbeit, die Erhebung der Sozialstruktur der karthagischen Gemeinde,
bleibt das Ergebnis somit negativ" (224)

Teil II B „Christen aus den unteren Schichten" faßt den Begriff
weit: Hersteller von Götterbildern, Handwerker, Astrologen, Lehrer,
Händler und Soldaten kommen in den Blick, auch Christen mit Vermögen
, Sklavenbesitzer und Erben. Danach werden Sklaven und Freigelassene
sowie Christen aus den untersten Schichten thematisiert
(246-267). Trotz vieler interessanter Einzelheiten bleiben die Grundfragen
offen: „Welchen Anteil einzelne Berufsgruppen, die Sklaven
oder Freigelassenen am gesamten sozialen Spektrum der Gemeinde
haben, bleibt unklar. Lediglich Für die Empfänger der Armenfürsorge
darf man wohl mit Recht vermuten, daß sie nur einen eher kleinen
Teil der Gemeinde ausmachen" (267). Wohl konnten „Christen über
das gesamte Spektrum der sozialen Schichten der Stadt verteilt - von
Angehörigen des ordo senatorius bis hifiunter zu den Bewohnern der
Elendsquartierc in den Vorstädten - nachgewiesen oder doch wahrscheinlich
gemacht werden" (268). Aber eine „auch nur annähernde