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Ausgabe:

1985

Spalte:

810-812

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Gradwohl, Roland

Titel/Untertitel:

Grundgesetze des Judentums 1985

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung I 10. Jahrgang 1985 Nr. 11

810

des AT auf eine geistliche, wenn auch plurale Kategorie gebracht
wird, indem von den atl. Frommen (1300 und Unfrommen (139) als
..Weggenossen" gesprochen wird. Müßten dann nicht auch die heutigen
Juden so bezeichnet werden (vgl. 1520? Die eigentliche Frage
aber ist. ob nicht die von Dickerhoff aufgenommene und mit (!) versehene
Verhältnisbestimmung von Israel und Kirche als Weggefährten
(136) die angemessene Terminologie und Sache abgibt. Damit wäre
die oben angesprochene Frage nach der Einheit des Gottesvolkes wiedererreicht
. Wenn der Ausdruck „wesenhafte Gleichzeitigkeit" (1 3 11.
135 und 161!) ernstgenommen werden darf, dann weist auch er auf das
Miteinander von Juden und Christen, Israel und Kirche. Man wird zu
diesem Zusammenhang abschließend folgern dürfen: Die Christenheit
hat das ganze AT, das an das überwiegend geschichtlich-politisch
verfaßte Gottesvolk gerichtet ist und deswegen auch die Probleme der
Macht- und Gewaltanwendung mitunter positiver sehen kann, als es
christlichem Denken lieb ist - Vf. lastet das dem AT als Defizit an,
obgleich es ein .Mehr" ist. 30 -. aufgrund des Handelns Gottes in Christus
vermittelt bekommen, und in Christus gilt es in seiner Komplcx-
heit und Zeitbedingtheit für uns mit.

Der der Homiletik gewidmete Schlußteil geht von der Bezogcnheit
von Gottes vergangenem und gegenwärtigem Handeln sowie von Text
und Situationen aus. Im Zusammenhang der Predigt und ihrer Vorbereitung
findet der Prediger/Pfarrer/Pastor erfreulich viel Beachtung
(soviel ich sehe, keine Predigerin/Pfarrerin/Pastorin! Vgl. aber 223
Anm. 1). Seine Person, sein Zeithaushalt, sein Verhältnis zum AT,
seine sachlichen und methodischen Probleme wollen berücksichtigt
sein. So dürften „Grundlinien predigtbezogener Exegese" (181-183)-
trotz eigener Bedenken des Vf. - am Platze sein. Wenn freilich dem
Prediger dann die Wirkungsgeschichtc eines Textes nahegelegt wird
(183), sind alle guten Vorsätze, auf seinen Zeit- und Kräftehaushalt zu
achten, dahin.

So sehr man es sich gewünscht hätte, auch Predigten zunächst sperriger
wirkender Texte lesen zu können, die Entscheidung, Perikopen-
predigten abzudrucken, hat den Vorteil, daß Prediger (Predigerinnen)
die vorgeführten Textpredigten leichter und gründlicher verfolgen
werden. Die Texte können tatsächlich weitgehend ihr Wort sagen
(122). Das geht mitunter sogar soweit, daß der Tat-Ergehens-Zusam-
menhang ernstgenommen wird (208), was der Vf. zum Defizit des AT
gerechnet hatte (30). Daß die existentiale Interpretation eines atl.
Textes dessen Textwillcn verkürzen kann, tritt bei der Predigt von
Gen 22,1-13 (19) (193-195) in Erscheinung. Das Handeln Gottes an
Abraham in Gen 22, der Ahnherr des Gottes w/fav sein soll und es mit
der Opferung seines Sohnes nicht bleiben könnte, es dann aber gerade
sein darf, kann nicht mit unserem individuellen Geschick angemessen
in Einklang gebracht werden. Ein gesamtbiblischer Bezug müßte auf
Christus als dem Herrn seiner Gemeinde gehen. Jesus ist tatsächlich
nicht der Antitypos des Isaak (vgl. 195), sondern derjenige, an dem
sich das Handeln Gottes vollzog, vergleichbar Abraham.

Nach der Lektüre des Buches hat sich die Lust verstärkt, atl. Texte
zu predigen - und nicht nur die vom Vf. akzeptierten beinahe 25 Prozent
der Texte der neuen Perikopenreihen (178). Im Interesse der Gemeinden
ist zu fragen, ob es bei dieser bescheidenen Prozentzahl bleiben
darf. Gewinn wird man dem Vf. auch dann danken, wenn man
ihm verschiedentlich nicht folgen kann.

Naumburg (Saale) Arndt Meinhold

nderson. Robert A.: Signs and VVonders. A Commentary on the
Book of Daniel. Grand Rapids: Eerdmans: Edinburgh: Handsei
Press 1984. XVII. 158 S. 8" = International Theological Commentary
. Kart. £4.25.

Nach dem Vorwort der Herausgeber bewegt sich die neue Kommentarserie
"beyond the usual critical-historical approach to the
Bible and offers a theological Interpretation of the Hebrew text" (VII).
Im Danielbändchcn ist von solchem Programm nicht viel zu merken.
Gegeben wird ein Querschnitt durch das. was man als common

opinion unter den historisch-kritischen englischsprachigen Alttesta-
mentlern bezeichnen könnte. Demnach ist das Danielbuch während
der Verfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes entstanden. Nach dieser
Auffassung wird bei dem zentralen Problem des Buches, bei der
Deutung des „wie ein Menschensohn" Herankommenden in 7,13f,
mit einer Personifikation des Volkes Israel gerechnet, dem nach der
eschatologischen Wende ewige Herrschaft zukommt, wofür 7,27 die
"conclusive evidence" liefert (88). Viele gegenwärtig strittige Fragen
bleiben unentschieden, wie denn auch das nur 19 Nummern umfassende
Literaturverzeichnis keinen Anspruch auf eigenständige Beschäftigung
mit der Forschung erhebt. Offen bleibt, ob die 10 Hörner
des 4. Tieres 7.7 wörtlich oder bildlich gemeint sind (81), ob c. 12
iranischer oder griechischer Einfluß auf die entstehende Auferstehungserwartung
anzusetzen ist ("not easy to identify". 149) und an
welches Ausmaß der Auferstehung gedacht ist (149). Auch theologisch
hält sich der Vf. mit eindeutigen Stellungnahmen zurück. Die
theologische Weitsicht der Apokalyptik mit der Erwartung eines endgültigen
Sieges der guten Sache in dieser Welt ist für ihn "not w ithout
Problems" (152). Einen eigenen Akzent setzt der Vf., indem er den
"Torah-bascd character of Daniels" betont (XV), was sich in der
Überschrift zum l. Kapitel "Torah and Obcdience" besonders ausdrückt
. Die Weigerung des Helden. Speise und Wein der königlichen
Tafel zu sich zu nehmen, wird danach als "obcdience to the divine
command" interpretiert (6). Leider versäumt A. wie andere, die
solche Erklärung lieben, irgendeine Tora-Vorschrift anzuführen, welche
den Genuß von solchem Wein verbietet. Es wird schwer halten,
eine solche zu finden.

Hamburg Klaus Koch

Judaica

Bat/.. Kurt: Judentum. Wege und Stationen seiner Geschichte. Stuttgart
: Calwer 1984. 173 S. 8". Kart. DM 18,-.

Gradwohl. Roland: Grundgesetze des Judentums. Mit einem Geleitwort
von H.Metzger. Stuttgart: Calwer 1984. I55S. 8 Kart
DM 16,80.

Die beiden hier anzuzeigenden Bücher haben manches gemeinsam.
Sie sind etwa gleichzeitig im gleichen Verlag erschienen, die Autoren
standen miteinander in Verbindung (vgl. Bätz. S. 8). sie wollen Information
auf wissenschaftlicher Basis, jedoch ohne fachgelehrtcn Anspruch
bieten; sie wenden sich an einen christlichen Leserkreis, der
nach den Jahren der Katastrophe kaum mehr eigene Anschauung
vom Glauben und Leben der Juden gewinnen konnte; sie haben den
Dialogpartner im Auge, ohne die eigene religiöse Position der Verfasser
zu verwischen. Bei diesen handelt es sich im Fall der historischen
Darstellung um den Vertreter eines bibelorientierten Christentums,
bei der systematischen Darbietung um einen in Israel wirkenden, als
theologischer Publizist hervorgetretenen Rabbiner.

K. Bäl: setzt mit seinem Durchgang durch die Geschichte des
Judentums in der alttestamentlichen Zeit an. schließt also Aspekte der
Geschichte Israels ein. Die Schilderung wird durch die Wiedergabe
biblischer Passagen in moderner Übersetzung geschmückt. Man mag
bezweifeln, ob dies sinnvoll ist. obwohl es dem Vf. gewiß darum geht,
Anknüpfungspunkte für das Selbstverständnis des nachbiblischen
Judentums aufzuweisen. Immerhin nützt er die historische Skizze, um
unter dem Stichwort ..Vergegenwärtigung der frühen biblischen Zeit"
den noch heute aktuellen Jahreskreis der jüdischen Feste vorzustellen,
ohne allerdings zwischen frühen (Passa) und späteren (etwa Simchat
Tora) Feiern und ihrem jeweiligen Brauchtum deutlich zu unterscheiden
. Dagegen fällt der Überblick über das Judentum in neutestament-
licher Zeit, in das er auch die „Jesusbewegung" und die beiden Urge-
meinden in Jerusalem und Galiläa einordnet, allzu knapp aus. An der
Kanonbildung und der Traditionsliteratur (Mischna. Talmud.
Midrasch illustriert durch charakteristische Beispiele) wird die bleibende
Bedeutung des Rabbinentums aufgezeigt. Eigenheit und geisti-