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Ausgabe:

1985

Spalte:

799-800

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Reinitzer, Heimo

Titel/Untertitel:

Biblia deutsch 1985

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

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Seite 1

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799

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 11

800

durch Ableitungen vom Stamm „wahr" wiedergab, da er ,,wahr" als
einzig angemessene Wiedergabe des Sinngehaltes von sdq erkannt
hatte; oder es bedeutete, daß er an allen den Stellen, an denen im
hebräischen Text dieselben Worte standen, auch im Deutschen dieselben
Worte setzte etc. Damit das „Aufgraben des hebräischen Gehalts
" und das Finden einer Entsprechung am Ende gelingt, hat es
Rosenzweig nicht versäumt, und dies ist in seinen Arbeitspapieren
immer wieder zu erkennen, die exegetische Tradition zu befragen, um
festzustellen, welchen Sinngehalt andere vor ihm einer Stelle, einem
Wort entnommen haben. Dabei war ihm das Gespräch mit den zeitgenössischen
Exegeten ebenso wichtig wie das mit den klassischen,
mittelalterlichen jüdischen Bibelkommentatoren, auch wenn er sich
von ihnen zumeist deutlich absetzte. „Der Wissenschaft folgen wir
doch immer", schrieb er einmal an Buber, „nur eben unserer."

Am Ende sind Rosenzweigs Arbeitspapiere auch beredte Zeugnisse
dafür, daß jede Übersetzung, so kongenial sie auch erscheinen
mag, doch nie das Original zu ersetzen in der Lage ist, sondern immer
nur das Verständnis des Übersetzers wiederzugeben vermag. Von
daher ist es nur zu verständlich, daß ihm, im Suchen nach adäquaten
Formulierungen, im Ringen um die richtige Wortwahl, gelegentlich
der Seufzer in die Feder geflossen ist: „Lieber Leser, lerne Hebräisch!"
(S. 1 18)

Berlin Stefan Schreiner

' An einem denkwürdigen Tage, in: ders.. Judaica I, Frankl'urt/M.21968. S.
207-215. Zitats. 214C

2 Umfangreiche Auszüge aus den entsprechenden Berichten M. Bubers hat
die Herausgeberin in der Einleitung (S. IX-XXI) zitiert.

3 Gleichsam zur Einführung in Rosenzweigs Werk sei hier auf die gelungene
Auswahl verwiesen: Fr. Rosenzweig. Die Schrift - Aufsätze, Übertragungen
und Briefe, hrsg. von Karl Thieme. Königstein/Ts. 1984.

4 Die diesbezüglichen Abhandlungen finden sich in: M. Bubcr u. Fr. Rosenzweig
, Die Schrift und ihre Verdeutschung, Berlin 1936. Rosenzweigs Aufsätze
sind wiederabgedruckt in: ders.. Ges. Schriften III: Zweistromland. Kleinere
Schriften zu Glauben und Denken, hrsg. von R. u. A. Mayer. The Hague-
Boston-Lancaster 1983. zum Teil auch in dem A. 3 genannten Band.

Reinitzer, Heimo: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre
Tradition. Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek
Nr. 40. Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek; Hamburg: Wittig
1983. 333 S. m. 202 Abb. dav. 2 färb. 4". Kart. DM 40,-.

Die Ausstellung zum Lutherjubiläum in der Zeughaushalle der
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel konzentrierte sich auf
Luthers Bibelübersetzung, einschließlich deren Zusammenhang mit
der mittelalterlichen Übersetzungstradition und Wirkungsgeschichte
in den Bibeldrucken bis Ende des 17. Jahrhunderts. Ihr stand hierfür
die reichhaltige Bibelsammlung von ca. 3 000 Ausgaben zur Verfügung
, die von Herzog August d. J. im 17. Jahrhundert angelegt und
von Herzogin Elisabeth Sophie Marie im 18. Jahrhundert erweitert
worden war. Ergänzt wurde sie durch Exponate aus der Sammlung des
Hamburger Hauptpastors Johann MelchiorGoeze und weiteren Leihgaben
. Sie stand unter der Verantwortung Heimo Rcinitzers, Leiter
des Bibelarchivs in Hamburg. Ihm ist auch der vorzüglich ausgestattete
Katalog zu verdanken, der mit seinen 210 Abbildungen,
reichhaltigen Literaturangaben und -Verzeichnis sowie einem dreifach
gegliederten Register bereits mehr bietet, als von dieser Literaturgattung
für gewöhnlich zu erwarten ist. Der eigentliche Gewinn liegt
jedoch in den informativen Einleitungen zu den 5 Kapiteln und den
ausführlichen und stets die Zusammenhänge aufzeigenden beschreibenden
Texten zu den 202 Ausstellungsstücken. In einer Vielzahl von
Fällen werden ausführliche Zitate oder gar wichtige Passagen aus Vorreden
, Übersetzungsproben u. ä. im Wortlaut geboten, z. B. aus einer
handschriftlichen Historienbibel des 15. Jahrhunderts (790, Vergleich
der Leipziger und der Straßburger Ausgabe von Nikolaus
Krumpachs Übersetzung des Joh (92), Vergleich von Luthers und

Hätzers Prophetenübersetzung (163). Zu nennen sind weiter Auflistung
der Illustrationen zur Offb in Luthers Septembertestament
(133) und Dürers Apocalypse (1350, das vollständige Glossar zu
Luthers Neuem Testament in der Baseler Ausgabe von 1523
(211-213). Erwähnenswert sind auch die aus der Spezialliteratur
übernommenen tabellarischen Beigaben, eine Zeittafel zu Luthers
Bibelübersetzung (114-116), Verzeichnisse von Ausgaben
hochdeutscher Bibeln in Luthers Übersetzung (116-125) und von
Ausgaben niederdeutscher Bibeln in Luthers Übersetzung (216). Über
den Kreis derer hinaus, die speziell an der Geschichte der Lutherbibel
interessiert sind, wird dem Kirchenhistoriker kenntnisreich Zugang
zu diesen zu wenig beachteten Quellen für die Frömmigkeitsgeschichte
vom 16. bis zum 18. Jahrhundert verschallt.

Nicht durchweg befriedigend gelungen ist die Tabula Vitae am
Schluß des 1. Kap. So wird am Thesenanschlag problemlos festgehalten
(46, anders: 60). Durch die Bulle „Ex Urge Domine" sei „die Vollziehung
des Bannes (durch Johann Eck und den päpstlichen Nuntius
Hieronymus Aleander) angedroht" worden (48). Luther habe in „Eine
schreckliche Geschichte und Gericht Gottes über Thomas Müntzer"
um Gnade für die Unterlegenen im Bauernkrieg gebeten und seinen
„Sendbrief vom harten Büchlein wider die Bauern" aus Betroffenheit
über die grausame Rache der Obrigkeit geschrieben (50). So allgemein
wie Seite 51 kann man Sachsen und Mansfeld angesichts der verschiedenen
Linien nicht anfuhren. Weiter wäre anzumerken, daß von dem
Querfurter Pfarrer und Bibel Übersetzer Nikolaus Krumpach nicht
„nur bekannt ist, was der Titel sagt" (90), vgl. Schottenloher.'
Bibliogr. Nr. 10 139-10 145. Nach den Maßstäben des 16. Jahrhunderts
kann man Zwickau nicht als „Städtchen" bezeichnen (109).
Sekretär des Herzogs Georg war Emser nur von 1505-151 1, nicht
mehr, als er mit der Bekämpfung von Luthers Bibelübersetzung beauftragt
wurde (189).

Druckfehler: .. „keine Schmähschriften mehr zu drucken" statt zu „verfassen
" (19); 1530 statt 1630 (189); „Emser wirft Luther vor" statt „Lujher
wirft ..." (196); „Bertram" statt „Bertrand" (317); Kunze, Horst: Geschichte
der Buchillustration (322).

Berlin Siegfried Bräuer

Köster, Beate: Die Lutherbibel im frühen Pietismus. Bielefeld:
Luther-Verlag 1984. 283 S. gr. 8° = Texte und Arbeiten zur Bibel.
1. geb. DM 49,-.

Der Pietismus hat seine von Spener formulierte Absicht, „das Wort
Gottes reichlicher unter uns zu bringen", auf dreifache Weise zu verwirklichen
versucht: I. durch umfangreichere und intensivere Bibel-
Icktüre, 2. im Bemühen um einen möglichst korrekten Text und
3. durch massenhafte Verbreitung billiger Bibeln (S. 39). DerTitcl der
Arbeit von Beate Köster erweckt die Erwartung, über alle diese Anstrengungen
informiert zu werden. Aber die Autorin geht der Frage, in
welchem Umfang die Bibel im Pietismus denn nun wirklich gelesen
und nicht nur verkauft wurde, überhaupt nicht nach. Weder wird
untersucht, wo es nach den Rcformvorstellungen von Spener zu einer
lectio continua, einer fortgesetzten Lesung ganzer biblischer Bücher
im Gottesdienst statt der üblichen Perikopenauswahl und zu collegia
pietatis, Bibelbcsprechstunden, gekommen ist - Darmstadt und Hamburg
werden in dieser Hinsicht nur beiläufig innerhalb biographischer
Angaben zu Johann Winckler erwähnt -, noch kommen die zahlreichen
Quellen, die über private Bibellektüre Auskunft geben können,
auch nur in den Blick: Personalia in den Leichenpredigten, Tagebücher
, Briefe und Autobiographien. Die pietistischen Bemühungen
um den authentischen Bibcltext gehören in einen großen Zusammenhang
, innerhalb dessen H. J. Kraus in seiner „Geschichte der historisch
-kritischen Erforschung des Alten Testaments", Neukirchen
1956 Spener und Francke gewürdigt hat, während sie W. G. Kümmel
in „Das Neue Testament. Geschichte der Erforschung seiner Probleme
", Freiburg-München 1958 unerwähnt läßt. Man kann die wissenschaftliche
Bedeutung des Pietismus am Beispiel der Textkritik