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Ausgabe:

1985

Spalte:

794-796

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Evangelisches Kirchenlexikon. Bd. I, Lfg. I. 3. Aufl. 1985

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 11

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gar aus dem Horizont der spezifisch johanneischen Gesandten-
Christologie interpretiert wird.

Insgesamt zeigt sich eine dreifache, jeweils zunehmende Tendenz
hinsichtlich der Verankerung des Gemeindebekenntnisses in der
Christus-Geschichte: es findet Anhalt an besonderen Widerfahrnissen
Jesu, es erscheint im Munde vorösterlicher Zeugen, es begegnet in
Jesu eigenem Wort. Interpretatorisch treten dabei unterschiedliche
theologische Aspekte in den Vordergrund. Was sie verbindet, ist ihr
Bezug auf konkrete Geschichte, auf Geschichte als Offenbarung.

7. Ergebnis

Wir hatten eingangs nach dem konkreten Umgang mit urchristlichen
Bekenntnissätzen gefragt. Was sich ergab, sind nicht weniger als
sechs unterschiedliche Funktionen, in denen solche Bekenntnissatze
bzw. -formein im neutestamentlichen Schrifttum erscheinen: als
kommentierende Kurzfassungen des Verkündigten und Geglaubten,
als Signale kerygmatisch-kirchlieher Einheit, als Grundlage theologischer
und paränetischer Argumentation, als kritische Instanz gegenüber
Glaubensirrtum, als Höhepunkte und Elemente der Christus-
Geschichte. Auf den Traditionscharakter dieser Sätze wird nur ein
einziges Mal verwiesen, nämlich dort, wo kerygmatisch-kirchliche
Einheit geltend gemacht wird (1 Kor 15,3a). Doch selbst da interessieren
Ursprung und Herkunft der Tradition nicht. Nirgends spielt
Apostelautorität eine Rolle. Das Gewicht der Aussagen spricht für
sich selbst und bedarf in der Regel keiner Begründung. Das ändert sich
erst dort, wo die Verankerung des Gemeindebekenntnisses in der
Christus-Geschichte wichtig wird. Davon abgesehen ist allein die
Aussage der Bekenntnissätzc für ihre Anführung entscheidend, allerdings
nicht im Blick aufeinc schon mitgebrachte feste Auslegung, sondern
im Blick auf ihre Offenheit für neue, spezifische Auslegung angesichts
aktueller Auslegungshorizonte. In sämtlichen Fallen zeigte sich,
daß mit der konkreten Funktion eines Bekenntnissatzes im jeweiligen
Kontext eine spezifische Interpretation seiner Aussage verbunden ist.
Ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht nur darin, ob sich die
neue Interpretation direkt aus dem Kontext ergibt, oder ob sie eine
eigene Ausführung findet. Etwas verallgemeinert kann man von folgenden
Auslegungshorizonten sprechen, die sichtbar geworden sind:
das eschatologische Heil des einzelnen, die Einheit der kirchlichen
Verkündigung, die christliche Lebensgestaltung, die aktuelle Mitte
christlichen Glaubens, die irdische Christus-Geschichte als Offenbai
ungsgeschichte. Für Auswahl und Auslegung der aufgegriffenen
Bekenntnissätze kommt offensichtlich der jeweiligen Situation eine
erhebliche Steuerungsfunktion zu. Das kann so weit gehen, daß die
Neuinterpretation eine völlig selbständige Sprachgestalt annimmt,die
nun ihrerseits formelhaften Charakter trägt (Hebr. 1 .loh). Von einem
einheitlichen hermeneutischen Prinzip kann dabei keine Rede sein.
Es reicht nicht einmal die These, daß der Vielfalt urchristlicher
Bekenntnissätze eine ebensolche Vielfalt des hermeneutischen Vorgehens
entspricht. Der gleiche Bekenntnissatz kann hermeneutisch
vielfältig verwendet werden. Die Offenheit der hermeneutischen
Situation ist nicht zu übersehen. Die bleibende sachliche Mitte ist
christologisch vorgegeben.

1 Thema der 24. Konferenz der Hochschultheologen der Ostseeländer vom
16.-20. 6. 1985 in Uppsala. auf der der folgende Beitrag als Referat gehalten
wurde.

' Vgl. zusammenlassend^. Haufe: Urchristliehe Bckenntnisformeln - Vielfalt
und Einheit, in: Als Holen des gekreuzigten Herrn. I estgahe für Bisehol
Dr. Dr. Werner Krusehc zum 65. Gehurtstag. Berlin 1982.215-229. Dort weitere
Literatur.

1 Weil allein dieses Interesse leitend ist. verzichte ich auf eine weitergehende
gattungsmäßige Differenzierung, die ohnehin striltig ist. Vgl z. B. K. Wcngst:
( histologische F ormeln und Lieder des Urchristentums. Gütersloh 1972. der
zwischen soteriologischen Formeln. I'crsoncnformcln und Akklamationen
unterscheidet.

4 ThL/99.1974.321 IT.

5 Charakteristisch für alle diese Sätze ist die durchgehende Abwesenheit des
Zukunftshorizontes. Positiv gliedern sie sich a) in Sätze mit Gegenwartshorizont
ohne Heilsaussage und Gemeindebezug, b) in Sätze mit Vergangenheitshori-
zont. Heilsaussage und Gemeindebezug (Wir-Stil). Ausnahme: die Auferwek-
kungsformel.

" Ob sie ursprünglich taufliturgisch verknüpft waren - so schon A. Seeberg:
Der Katechismus der Urchristenheit. Leipzig 1903 (Nachdruck München
1966). 162-182 -. muß wohl eine offene Frage bleiben.

7 V. 13 wird dieser Gesichtspunkt erneut zur Sprache gebracht.

* Mit R. Bultmann: Theologie des Neuen Testaments. 5. Aufl.. Tübingen
1965. 52; K. Wengst a. a. O. 112f und Ph. Vielhauer: Geschichte der urchristlichen
Literatur. Berlin New York 1975. 30 halte ich die Wendungen ..nach
dem Fleisch" und „nach dem Geist der Heiligkeit" für paulinische Interpreta-
mentc (gegen E.Schweizer: Neotestamentica. Zürich.Stuttgart 1963, 180IT;
W. Kramer: Christos Kyrios Gottessohn, AThANT 44. Zürich 1963, 105 und
F. Hahn: Christologische Hoheitstitel. FRLANT 83. 2. Aufl. Göttingen 1964,
252), ebenso mit E. Schweizer. K. Wengst und Ph. Viclhauer ebd. die Worte „in
Macht".

* U. Wilckens: Der Brief an die Römer. EKK V/1. Zürich-Einsiedeln-
Köln-Ncukirchen-Vluyn 1978. 279f hält gegen die Mehrheit der Ausleger die
Doppclaussage V. 25 trotz des Parallelismus membrorum für eine paulinische
Bildung, allerdings unter Aufnahme traditioneller Motive. Das überzeugt
nicht.

10 H. Conzelmann: Der erste Brief an die Korinther. KEK V. Göttingen
1969. 293. Man mag freilich mit Chr. Wolff: Der erste Brief des Paulus an die
Korinther. Zweiter Teil: Auslegung der Kapitel 8-16. ThHK VII/2. Berlin
1982. 152. fragen, ob die Korinther noch an eine leibliche Auferstehung Jesu
dachten.

K. Wengst a.a.O. 141 f, ähnlich R. Schnackenburg: Der Brief an
die Ephescr, EKK X. Zürich-Einsiedeln-Köln-Neukirchen-Vluyn 1982.
162 f.

12 Erst an zweiter Stelle (V. I 5) verweist Paulus auf ein „Wort des Herrn" und
bringt eine anschauliche Skizze des Parusiegeschehens (V. 16f). Theologisch
entscheidend ist das abschließend (V. 17b) betonte Mit-Christus-Sein aller.

" Daß schon V. 24 feste Tradition enthält (so R. Bultmann a. a. O. 49 und
E. Käsemann: An die Römer. HbNT 8a. 3. Aufl. Tübingen 1974, 89f). hat mit
K. Wengst a. a. O. 87 und U. Wilckens a. a. O. 183f als unwahrscheinlich zu
gelten.

14 Dazu neigen offenbardic „Schwachen" in Korinth. vgl. V. 7.

Beachte: Entsprechung ist nicht Nachahmung!
"' G. Born kämm: Das Bekenntnis im Hebräerbrief, in: Studien zu Antike
und Urchristentum. Gesammelte Aufsätze II. München 1959. 188-203.

11 Die Korinther hielten offenbar das Zungenreden dafür.

'* Die öfter vertretene Anschauung. Paulus mißverstehe die Korinther im
Sinne der Bestreitung jeglicher JenseitsholTnung. ist angesichts von 15.29 kaum
haltbar. Vgl. dazu Chr. WolfTa. a. O. 147 und 175.

" Angemerkt sei noch, daß Paulus auch dort, wo er nur knapp auf die kommende
Auferstehung der Christen verweist, zuvor gern im Bekenntnisstil an den
(iott erinnert, der Jesus von den Toten auferweckt hat (I Kor 6.14; 2Kor 4,14;
Rom 8,1 I).

14 Ausführliche Diskussion zu diesem Problem bei K. Wengst a.a.O. 148IV.

21 So L. Hartman: Taufe. Geist und Sohnschaft, in A. Fuchs: Jesus in der
Verkündigung der Kirche, SNTU I.Graz 1976,961'.

Fragen kann man. oh schon Matthäus Jesu Gottessohnschaft in seiner
Geistzeugung (1.200 begründet sieht. Betont wird das jedenfalls nicht.

Allgemeines, Festschriften

F.»annclisches kirchcnlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie
, hrsg. von E. Fahlbusch. J. M. Lochman. J. Mbiti u.
L. Vischer. Bd. I. Lfg. I. 3. Aufl. Göttingen: Vandenhocck &
Ruprecht 1985.480 Sp. gr. 8".

Die Neufassung des F.KL soll laut Vorwort „sowohl den neueren
theologischen und kirchlichen Entwicklungen als auch den veränderten
Bedingungen Rechnung tragen, unter denen sich christliches
Leben in der Gegenwart entfaltet". Daraus leiten die Herausgeber
besonders folgende Aufgaben ab: Erstens sind Lehre und Leben der
christlichen Kirchen in ökumenischer Perspektive vorzustellen, zv/ei-
tens die sozio-kulturellen Einflüsse auf das Christentum und dessen