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Ausgabe:

1985

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 10

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leisten. Dabei geht es ihm darum, „aus dem eigenen Traditionszusammenhang
" Tür ein aktuelles „Problemlösungsverhalten" Paradigmen
zu gewinnen. (S. 37) Der Ertrag in dieser Hinsicht erscheint freilich
relativ gering, was nicht bedeutet, daß die umfängliche (zu umfängliche
?) historische Partie als solche nicht instruktiv und lesenswert
wäre. Als vornehmlicher Erkenntnisgewinn darf die deutliche Korrespondenz
zwischen gesellschaftlicher Situation und den jeweiligen
Konzeptionen und Prägungen der kirchlichen Jugendarbeit angesehen
werden - diese erweist sich also im ganzen als bemerkenswert
entsprcchungsflexibcl -, woraus für die aktuelle Theorie die wache
Beachtung der gesellschaftlichen Problcmlage und der aus ihr erwachsenden
Bedürfnisstruktur der Jugend folgt. Zu wenig reflektiert erseheint
hier und überhaupt die Problematik solchen Entsprcchungs-
verhaltens kirchlicher Praxis, Jugendarbeit inklusiv, das zumindest
immer vom Evangelium her verantwortet, d. h. aber unter Umständen
auch relativiert und gebrochen werden muß.

•m 3. Kapitel „Elemente einer Theorie kirchlicher Jugendarbeit"
(S. 145-2 34) setzt sich Vf., der die kirchliche Jugendarbeit, wie bereits
der Untertitel seiner Arbeit ausweist, stark mit der Identitätsfrage verknüpft
, mit humanwissenschaftlichen Identitätskonzepten auseinander
, nämlich mit verschiedenen psychoanalytischen, sozialisations-
orientierten (struktur-funktionalistischen Sozialisationstheorien) und
kommunikativ-interaktionistischen, wobei er, ohne die ersteren generell
zu negieren, den letzteren wegen der größeren Komplexität deutlich
den Vorzug gibt. („Daß der kommunikativ-intcraktionistische
Ansatz über die rein personenbezogenen oder rein gesellschaftsbezo-
genen Ansätze hinausgehe, war die These der Untersuchung."
S-212) Besondere Beachtung schenkt er dem symbolischen Interaktionismus
.

Bekanntlich sind Symbole von wesentlicher Bedeutung für die
Sinnkonstitution und damit für den Identitätsprozeß. „Kirchliche
Jugendarbeit hat eine klärende Funktion in diesem Prozeß auszuüben
. Sie wird die Gewinnung einer balancierten Identität und einer
Postkonventionellen Moral zu fördern suchen. Und sie wird ein besonderes
Augenmerk haben auf die Bedeutung, die dabei dem Umgang
mit religiösen Symbolen zukommt." (S. 234) Es geht nicht um
die Übermittlung doktrinärer Fertigware (Indoktrination), sondern
um einen interaktionistisch-kreativen, darin auch durchaus subjekti-
ven Aneignungsprozeß der Symbolüberlieferung, dem ein unab-
schätzbar großes Konfliktlösungspotential innewohnt. Vf. beklagt zu
Recht den Mangel einer „einheitlichen Symbollehre" (S. 229, auch
267) seitens der Theologie. Hinsichtlich der Übcrlicferungsvermitt-
lung gibt er der „Einübung in den Umgang mit religiösen Symbolen"
(S. 254) den Vorrang vor einer an detaillierten Textuntersuchungen
(Struktur. Begriff. Skopus usw.) ausgerichteten Bibelarbeit (S. 261).
Auf diese Weise könnten bestimmte zerreißende Konflikte zwischen
historisch-kritischer, „aufklärerischer", mehr oder weniger an einem
Positivistischen Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff orientierter
Schriftforschung und der kerygmatischen Praxis nahezu gegenstands-
'os werden. M. E. hat D. damit eine Richtung gewiesen, wo tatsäch-
''ch - über die Jugendarbeit hinaus - „neue Ufer" Tür Theologie und
kirchliche Praxis liegen. Der Gefahr einer lediglich personalistischen
Symbolerschlicßungbzw. -deutung begegnet er mit der Forderung, die
Symbole „schwergewichtig" auch auf soziale Konflikte-hin zu assoziieren
, in Beziehung zu setzen (S. 267), was zweifellos ihrer eigenen
'ntention entspricht.

Aus einem zugestandenermaßen besonderem Interesse am Symbolaspekt
wurde um des Zusammenhangs willen teilweise bereits auf das
Schlußkapitel „Der Gegenstand kirchlicher Jugendarbeit - Resümee
und Ausblick" (S. 235-267) vorgegriffen. In drei Untcrglicderungcn
-Der personale Bereich". „Der Bereich tendenziell politischer Bildung
" und „Einübung in den Umgang mit religiösen Symbolen"
unternimmt der Vf. darin, von Fallbeispiclen her bzw. an Arbcits-
beispielen den Untersuchungsertrag des Kapitels 3 mit der historischen
Partie (Kapitel 2) zu verknüpfen und praktisch zu konkretisieren
. Im „Ausblick" beschäftigt ihn u. a. die Frage, „inwieweit die

gegebenen Institutionen und Strukturen der Kirche mit ihren unterschiedlichen
Traditionen . .. wohl in der Lage sind", die ins Auge
gefaßte Arbeitsaufgabe zu realisieren.

Die vorgelegte Arbeit ist außerordentlich informationsintensiv,
facettenreich und komplex, zudem geprägt von einem hochdifferenzierten
Problembewußtsein. Zuweilen wünscht man sich, auch zur
Vermeidung von Wiederholungen, eine etwas größere Gestrafftheit.
Aufjeden Fall bedeutet sie einen wertvollen theoriebewußten Beitrag
zur kirchlichen Jugendarbeit, die in ihrer weithin pluralistisch-prag-
matischen, zu einem Teil auch konservativ-fixierten Praxis solcher
Grundüberlegungen dringend bedarf.

Leipzig Manfred Haustein

Bode. Jörg, Weert Hcmmig. Hans Bernhard Kaufmann: Die lebensgeschicht-
liehe und gemeindepiidagogisehe Dimension der Konfirmandenzeit. Sechs
Thesen zur Reform des Konfirmandenunterrichts (PTh 74. 1985
S. 221-227).

Nipkow, Karl Ernst: Evangelisches Erziehungsverständnis und evangelische
Schulen. Mit einem Vorwort von K. H. Potthast. Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft
Evangelischer Schulbünde e. V. hrsg. vom Evangelischen Schulbund
in Nordwestdcutschland und Berlin: Bielefeld: Korrespondcnzblatt
Evang. Schulen und Heime 1985. 64 S. 8" = Korrespondenzblatt Evang. Schulen
und Heime. 26. Jg.

Schmidt. Ludwig [Hrsg.]: Hören und lernen. Ein Arbeits- und Lesebuch zum
Kleinen Katechismus Martin Luthers. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1984.272 S. m. zahlr. Abb. Kart. DM 24.80.

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

Neef, Heinz-Dieter: Die Heilstraditionen Israels in der Verkündigung
des Propheten Hosea. Diss. Tübingen 1984. 223 S.

Schon bei der ersten Lektüre des Hoseabuches lallt der im Vergleich
zu den übrigen Propheten des 8. Jahrhunderts v. Chr. extensive Rückgriff
auf die Traditionen Israels auf. Ihre Verwendung scheint geradezu
das Signum des Hoseabuches zu sein. Die vorliegende Untersuchung
macht es sich in ihrem Hauptteil (8-182) zur Aufgabe, die
Bezüge Hoseas zur Jakob-, Mose-, Wüstcnerwählungs-, Bundes- und
Dekalog-Tradition zu untersuchen, um das Profil dieses Nordreichspropheten
aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. genauer
zu umreißen und präziser erfassen zu können. Dabei wird vor allem
danach gefragt, in welcher Gestalt er die Traditionen aufnimmt, ob er
sie im Vergleich zu seinen Vorlagen verändert und wie er sie für seine
Anklage, daß das Volk seinen Gott vergessen hat. nutzbar macht.

(1) Hosea hat für seine Verkündigung in breiter Weise die Jakob-
Tradition aufgenommen, die in Hos 5.1-7: 12.1-15 fest mit den Aussagen
über die Verdorbenheit Israels verknüpft ist (§ 1. 8-36; §6,
168-182). In Hos 12.4a liegt ein Bezug zur Geburtsgeschichte Jakobs
in Gen 25.21-26a.27-34 vor. Hoseas Rückgriff auf diese Erzählung
rät dazu, das Verb agäb (Gen 25,26) in Hos 12,4a mit „an der Ferse
halten" und nicht mit „betrügen" zu übersetzen. Jakobs Kampf am
Jabbok (Gen 32,23-33) bildet den Hintergrund von Hos 12.4b-5a.
Eine Anspielung auf die Erzählung von Jakob in Bethel (Gen 35) liegt
in Hos 12,5b vor. Die Erzählung von Jakobs Dienen um Rahcl
(Gen 29,1-30) greift Hosea in 12,13 auf. Auf eine andere Erzählung
aus dem Kreis der Jakob-Laban-Geschichten greift Hosea in 5.1 f
zurück, wo die Nennung von Mizpa auf den Bericht über die Entstehung
des gleichnamigen Heiligtums in Gen3l.43ff verweist. Hosea
möchte mit dem Rückgriff auf die Jakob-Tradition Jakob als nachahmenswertes
Vorbild Israel gegenüberstellen und die unüberbrückbare
Kluft zwischen dem hoffnungsvollen Anfang und dem gegenwärtigen
hoffnungslosen Zustand Israels aufzeigen.