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Ausgabe:

1985

Spalte:

776-778

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Deresch, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Kirchliche Jugendarbeit 1985

Rezensent:

Haustein, Manfred

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 10

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wird mehr und mehr zu einem Anliegen zumindest einer Gruppe in
der Gemeinde.

Hier setzt nun P. Hennig mit der Thematik seines mit weitem Horizont
erarbeiteten Bandes ein, der zunächst einmal einen historischen
Überblick über bisherige Ansätze zur Konfirmandenelternarbeit gibt.
Die positiven Erfahrungen mit neuen Formen der Elternarbeit haben
im letzten Jahrzehnt immer deutlicher die Bedeutung dieser Arbeit
herausgestellt. Der Vf. geht davon aus, daß ein moderner Konfirman-
denuntcrricht eine begleitende Elternarbeit benötigt, um die angestrebten
Lernprozesse einzuleiten und möglichst vielseitig zu vertiefen
. Hinzu kommt, daß neuerdings die Konfirmandcneltern eine
interessierte Gruppe für ein Angebot kirchlicher Glaubens- und
Lebenshilfe in der Ortsgemeinde darstellen.

Der Vf. zieht ältere Arbeitsansätze und Praxismodelle heran und
liefert so eine eindrückliche gemeindepädagogische Ortsbestimmung
der Konfirmandenelternarbeit.

Dadurch, daß das Buch theoretische und praxisbezogene Abschnitte
enthält, werden dem Leser verschiedene Zugangsmöglichkeiten
zur Thematik geboten. Kap. I beschreibt Konfirmandenunterricht
mit begleitender Elternarbeit. Die Erfahrungen werden auf dem
Hintergrund eines konzeptionellen Rahmens für die Konfirmandenelternarbeit
dargestellt und die Aspekte eines Unterrichts aufgezeigt,
der das Evangelium in die Situation der Jugendlichen vermittelt und
einzeichnet, Lehre in ihrem Leben verankert und sich dabei kreativer
und gruppenbezogener Methoden bedient.

Kap. 2 betrachtet die kirchlich-religiösen Aspekte der Elternarbcit
für Familie und Gemeindeautbau. Kirchlich-religiöse Themen in das
familiäre Gespräch einzubringen und Versuche zu veranlassen, neue
Erfahrungen mit gelebter Frömmigkeit zu machen, ist ein ebenso
wichtiges Ziel wie der Aufbau lebendiger Gruppen in der Gemeinde.
Zum zweiten Aspekt gab es schon in der Vergangenheit wichtige
Überlegungen. Hier werden nun neue Möglichkeiten bedenkenswerter
Einsichten-durchaus auch kritisch - aufgezeigt.

Wichtig ist der Hinweis, daß gute Konfirmandenelternarbeit vermehrtes
methodisches Geschick verlangt. Der Pfarrer muß in der Lage
sein, Materialien richtig aufzuarbeiten und kommunikativ in die
Gruppen einzubringen, Gespräche zu leiten und Medien richtig einzusetzen
. Das verlangt auch gewisse Kenntnisse - besser noch entsprechende
Ausbildung - gruppenpädagogischer Verfahren und Gesprächsformen
.

Kap. 3 ist zentralen Einsichten und Erfahrungen gruppenbezogener
Arbeits- und Gesprächsmethoden gewidmet. Sie werden unter pädagogischen
und theologischen Gesichtspunkten reflektiert und nach
ihrer Bedeutung und Brauchbarkeit befragt.

Kap. 4 beschreibt familiensoziologischc und entwicklungspsychologische
Erkenntnisse, da sich die Konfirmandenelternarbeit vor
allem an die „mittlere Generation" wendet. Es wird aufgezeigt, daß
sich gerade in dieser Altersstufe vermehrt Krisen bemerkbar machen,
aber auch neue Bewältigungs- und Reifungsmöglichkeiten auftun.

Die Kap. 5 und 6 geben Ausschnitte aus der Praxis, wobei Kap. 5
über bisherige Modelle berichtet, verschiedene Arbeitsformen vorstellt
und vor allem die Bedeutung des Familiengottesdienstes für die
Gemeinsamkeit von Eltern, Kindern und Gemeinde betont.

Kap. 6 berichtet von erprobten Modellen für Gemeindeveranstaltungen
. Die Themen der Modelle wurden aus Schwerpunkten der
evangelischen Unterweisung gebildet. Um die Chancen und Grenzen
dieser Arbeit auszuloten, wertete der Vf. die Durchführung der Veranstaltungen
empirisch aus. Die Ergebnisse der Auswertung finden sich
am Schluß des Buches, wobei allerdings nicht alle Kriterien einsichtig
werden.

Kritisch müssen auch einige Praxismodclle und die Abschnitte 6.3.
..Abendmahl: Zeichen der Versöhnung und Gemeinschaft"
(109-114) und 6.4. ,,Schöpfung: Verantwortung für die Umwelt"
(114-119) hinterfragt werden. Die Ausführungen sind nicht ausgewogen
und trotz theologischer Richtigkeiten so allgemein, daß sie
zumindest in dieser Form mißverständlich sind. Die eigentliche

didaktische Fragestellung, die man hier erwarten würde, wird gar
nicht gestellt. Darüber kann auch ein interessantes Medienangebot
nicht hinwegtäuschen.

Aber das Buch ist als Arbeitsbuch gedacht. 359 vertiefende Anmerkungen
und mehr als 175 sinnvoll angebotene Literaturhinweise wollen
Arbeit und Gespräch weiterführen.

Greifswald Günther Kehnscherper

Deresch, Wolfgang: Kirchliche Jugendarbeit. Wege zur personalen,
sozialen und religiösen Identität. München: Kaiser 1984. VIII.
323 S. gr. 8 Kart. DM 48.-.

Die vorgelegte Untersuchung stellt die vom Fachbereich Evangelische
Theologie der Universität Hamburg für das Fach Praktische
Theologie angenommene Habilitationsschrift des Vf. dar. Im Vorwort
(S. 1-5) benennt D. die Zielstellung seiner Arbeit. Er möchte angesichts
einer ausgeprägten Jugendkrisc, der eine ebenso signifikante
Krise der kirchlichen Jugendarbeit korrespondiere, wobei die letztere
wesentlich auf einem Theoriedefizit mit der Folge „einer diffusen
Vielfalt unterschiedlicher Praktiken, Ziele und Konzepte" (S. 4) beruhe
, einen Beitrag zur dringlichen Theorie kirchlicher Jugendarbeit
leisten.

Bereits in dieser Ausgangsposition wird ein bestimmter Situationsunterschied
zwischen der Jugendarbeit in den Kirchen der BRD und
den Kirchen in der DDR deutlich. Von einer Krise kirchlicher
Jugendarbeit kann man jedenfalls hierzulande (DDR) nicht sprechen,
obwohl das zu Recht beklagte Theoricdelizit ebenfalls voll zutrifft und
ein hohes Maß von Praxisdiffusion nicht zu leugnen ist. Die konstatierte
Krisenursache der kirchlichen Jugendarbeit dürfte insofern also
doch nicht nur im Theoriemanko liegen, das darum keineswegs leicht
genommen werden darf, sondern auch mit bestimmten prinzipiellen
Positionsunterschieden der Kirchen dort und hier im Zusammenhang
stehen.

Im 1. Kapitel „Einleitung" (S. 6-37) stellt Vf. zuerst einmal die
gegenwärtige Jugend vor („Aspekte des Jugendalters"). Dies geschieht
auffälligcrweise ausschließlich an Hand negativer Phänomene (Jugendarbeitslosigkeit
, Vandalismus. Jugendkriminalität. Ausreißen.
Alkohol. Drogen. Selbstmord, Rilualismus des bloßen Mitmachens.
Unwilligkeit erwachsen zu werden, Sinnlosigkeit). Ohne diese Merkmale
und Fakten anzuzweifeln, erscheint es fraglich, ob irgendeine
Jugendsituation jemals derart ausschließlich Negativaspekte darbietet
und nicht auch positive Gegentendenzen zeigt. Hier wäre etwa auf das
Erscheinungsbild von Teilen der BRD-Jugend in der Friedensbewegung
und auf den Kirchentagen zu verweisen, das sich in den verwendeten
Negativraster nicht einfügt. Es muß verwundern, daß Vf. diese
..Aspekte" und nicht unerheblichen Aufbruchskräftc so völlig außer
acht läßt und auch in seinen theoretischen Überlegungen daran in keiner
Weise anknüpft.

Im weiteren gibt D.. in Anlehnung an Bäumler. einen kurzgefaßten
Überblick über die Stadien kirchlicher Jugendarbeit seit 1933 und
gliedert dabei folgendermaßen: Kirchliche Jugendarbeit als Verkün-
digungs-, Gebets- und Glaubensgemeinschaft (Nähe zur Bekennenden
Kirche): kirchliche Jugendarbeit als Lebenshilfe (1945-1964); kirchliche
Jugendarbeit als „Morgengabe der neuen Gesellschaft", womit
die gesellschaftskritische, emanzipatotische Ausrichtung bezeichnet
sein soll; kirchliche Jugendarbeit als Ort der Sinnkonstruktion (seit
1974). Diese Gliederung erfaßt zwar zutreffend bestimmte Akzentuierungen
, darf aber aufgrund der vom Vf. vorher zu Recht konstatierten
Praxisdiffusion nicht überbewertet werden, unterliegt also der Problematik
schematischer Abstraktion.

Im 2. Kapitel „Die Ursprünge kirchlicher Jugendarbeit"
(S. 38-138) unternimmt der Vf. sodann den anspruchsvollen Versuch
, eine „historisch-kritische Analyse der Problemgcschichte kirchlicher
Jugendarbeit", einsetzend beim Pietismus und durchgeführt bis
zur Jugendbewegung der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts, zu