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Ausgabe:

1985

Spalte:

756-759

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Bremer Gesangbücher 1985

Rezensent:

Blaufuß, Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 10

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nicht einsehen, ist aber bei der Aufdeckung der theologiegeschichtlich
bedeutsamen Zusammenhänge, in denen Friedrichs Werk steht, zu
ähnlichen Ergebnissen gelangt. Eimer engt den theologischen Gehalt
der Bilder nicht dogmatisch ein, sondern macht vielmehr, philologisch
abgesichert, die Breite der Interpretationsmöglichkeiten einsichtig
.

Der Einleitung folgen XII Kapitel, in denen Friedrichs Werk prägende
Sachverhalte in loser, biographisch und sachlich motivierter
Folge behandelt werden. Eine Schlußbetrachtung faßt die Ergebnisse
zusammen. 40 Abbildungen sind teilweise im Text untergebracht und
teilweise als Bildfolge an den Schluß des Bandes gestellt.

In der Einleitung (S. 11-21) wird das Neuartige der naturbezogenen
christlichen Ikonographie bei Friedrich im Unterschied zu den Naza-
renern herausgestellt, die ihre Malerei allein auf die biblische Offenbarung
und die kirchliche Lehre gründeten.

Kap. I („Schleiermacher und die pommerschen Pastoren",
S. 22-29) skizziert die religiöse Situation in Pommern seit Mitte des
18. Jh.s. Friedrichs religiöse Entwicklung steht unter dem Einfluß
jener von Schleiermacher inspirierten supranaturalistischen Richtung
unter den pommerschen Pastoren, deren Vertreter stark zur Romantik
neigen. Auch der Ursprung der eschatologischen und eucharisti-
schen Motive in Friedrichs Kunst ist hier zu suchen.

Kap. II („Zwischen Grundtvig und Kierkegaard", S. 30-35) ist
Friedrichs Akademiejahren in Kopenhagen gewidmet. Eimer entwirft
ein Bild von der von Klopstock und dem Pietismus geprägten Kirchlichkeit
der Stadt und geht ein auf die Bestrebungen von Oehlen-
schläger, Elias Martin und Carl August Ehrensvärd, Evangelium und
Landschaftssymbolik zu verbinden.

Mit Kap. III („Probe auf den Tod", S. 37-51) tritt Dresden als „ein
religiöses Umfeld", das sich seit Spener „im Geiste des Pietismus
mehrfach erneuert hatte", ins Blickfeld. Vf. geht dem Todesproblem
in der Sicht der Romantik nach, wie es auch bei Friedrich seit 1800
vielfältig in Erscheinung tritt.

Kap. IV („Gottesdienst bei Gaslicht oder in freier Natur",
S. 52-81) würdigt Friedrichs spezifischen Beitrag zur Ausgestaltung
des gottesdienstlichen Orts. Kennzeichnend für Friedrich ist die
„Entmythisierung und Verlandschaftlichung der Altarkunst", die Erweiterung
des umbauten Raums durch einen Hain für Freiluftgottesdienste
, schließlich nicht ausgeführte neugotische Altarentwürfe für
St. Marien in Stralsund.

Kap. V („Der Weg nach Herrnhut", S. 82-93) macht auf die Bezüge
aufmerksam, die sich in Ikonographie und Naturbezogenheit der
Kunst Friedrichs zu Herrnhut ergeben. Auch die „streng christolo-
gische Thematik" seiner Landschaften gehört in diesen Zusammenhang
. Das Sepiablatt „Wallfahrt bei Sonnenaufgang" von 1805 wird
von der Herrnhuter Osterprozession her interpretiert.

Kap. VI („Denkmäler zum Trost im Glauben", S. 94-105) befaßt
sich, ausgehend von der Passionssymbolik Zinzendorfs, mit der
Kreuzikonographie des Malers. Das „Wort vom Kreuz" wird bei
Friedrich in eine neuartige Ikonographie verfremdet. Das Glaubenszeugnis
wird in seiner geschichtlichen Manifestation aufgegriffen.
Bildzeugnisse unbekannter vergangener Glaubensgenossen spenden
Trost. Im Wandel und Vergehen der Geschichte, in der dem Erdendasein
Jesu jedoch eine unvergleichliche Rolle zukommt, bleibt allein
der Glaube, der sich an einzelne „Merkzeichen" als „Stärkung und
Hilfe" hält.

Kap. VII (S. 106-128) setzt unter der Überschrift „Gustav Adolf
Redivivus. Glaube und Patriotismus" im Anschluß an die Forschungen
von Eva Reitharova den „Tctschener Altar" in Beziehung zu
Gustav IV. Adolf von Schweden als Napoleongegner und als „frühesten
Vertreter des romantischen Historismus auf Europas Thronen"
(S. 112). Der Vf. geht in diesem Zusammenhang auf das Wiederaufleben
der Verehrung Gustavs II. Adolf als Symbolfigur für das Freiheitsstreben
im frühen 19. Jh. ein. Er weist das Einwirken der Gustav-
Adolf-Ikonographie des Dreißigjährigen Krieges auf Friedrich nach.
Am Vorabend der Befreiungskriege mündet Friedrichs Patriotismus

in die allgemeine Begeisterung seiner Zeitgenossen ein und wie schon
zuvor fließen religiöse und patriotische Motivkreise ineinander.

Kap. VIII („Gott enteilt", S. 129-168) ist ausschließlich der ikono-
graphischen, d. h. theologischen Problematik des „Tetschener Altars"
von 1808 gewidmet. Die Entstehungsgeschichte, der „Ramdohr-
Streit", die voneinander abweichenden Beschreibungen Friedrichs (in
ihrem Wortlaut synoptisch wiedergegeben) werden untersucht, um
den Gehalt des Bildes, aber auch seine Deutungsoffenheit zu erfassen.
Offensichtlich hat Friedrich selbst sein Bild vom Sonnenaufgang
(1808) zum Sonnenuntergang (1809) umgedeutet. Die durch den
„Ramdohr-Streit" mitbedingte „Überspannung der Erlebnisbreite in
beiden Richtungen" macht den „Tetschener Altar" jedoch zum „Sonderfall
" (S. 161).

Kap. IX. („Kommet her zu mir alle", S. 169-176) untersucht die
Beziehungen von Friedrichs Christusvorstellungen zu Thorvaldsens
Christusstatue in der Frauenkirche zu Kopenhagen (1819).

Im Mittelpunkt des X. Kapitels („Fides ohne Kopf oder Das Bodenlose
", S. 177-185) steht das Ruinenbild „Huttens Grab" von 1823,
insbesondere die Rolle der ihres Kopfes verlustig gegangenen, vom Vf.
als Fides gedeuteten Symbolgestalt mit Kreuz. „Diese Art von allego-
risierender Gesinnungskunst, oft mit gewisser politischer Zielsetzung,
hatte es bis dahin nicht gegeben. In demselben Maße ist es ein Novum,
wie damit zentrale Aspekte des christlichen Glaubens in enge Verbindunggebracht
werden" (S. 177).

Im XL Kapitel („Die Kirche der Zukunft", S. 186-198) wendet
sich der Vf. dem Thema „Kirche" zu, das von Friedrich auf verschiedene
Weise ins Bild gesetzt wird, so im verschollenen Ruinenbild des
Meißner Doms, bekannt durch eine ausführliche Beschreibung des
Künstlers, im Jahre 1945 verbrannten „Klosterfriedhof im Schnee"
oder in „Die Kathedrale" von 1818 als einer ins Immaterielle transponierten
Scheinarchitektur. In Auseinandersetzung mit der gotischen
Sakralarchitektur nimmt der Künstler eine durchaus eigenständige
, protestantisch geprägte Standortbestimmung in der zeittypischen
Suche nach der Zukunft der Kirche und ihrer eschatologischen
Vollendung vor.

Von den eschatologischen Motiven im Werk Friedrichs handelt das
abschließende XII. Kapitel unter dem Titel „Empyreum und Urlicht"
(S. 199.-207). Das Spektrum der Jenseitshoffnung des Künstlers wird
am unvollendeten Gemälde „Friedhofseingang" und am „christliche
Systembau" der „Kathedrale" erörtert.

Die „Schlußbetrachtung" (S. 208-221) der weitgefächerten, tiefgründigen
Darstellung faßt die Ergebnisse, zugleich rückblickend auf
die vorangegangene Forschung, noch einmal unter der durchgehenden
Fragestellung nach der Dialektik des Glaubens bei Caspar David
Friedrich zusammen. „Immer wieder gelangt eine ernsthafte Interpretation
seiner Gemälde und Sepien zu inkongruenten Feststellungen,
die sich meist nur durch das Zugeständnis einer ambivalenten Sinngebung
hinnehmen lassen" (S. 217). Die hinterlassenen Selbstzeugnisse
des Künstlers spiegeln seinen „höchst individuellen Werdegang im
Glaubensleben" wider. Sie sind „Manifeste mit allgemeingültigem
Anspruch, indem sie die ganze Spannweite christlicher Meditationserlebnisse
vom abgrundtiefen Zweifel bis zur glanzvollen Erfüllung
umgreifen" (S. 218).

Leipzig Hartmut Mai

Bremer Gesangbücher. Bibliographie. Archivalien. Untersuchungen.
Hrsg. in Verb. m. G. Schmölze von O. Rudioff. Bremen: Hauschild
1982. 287 S. m. Abb. 8° = Hospitum Ecclesiae. 13. Kart.
DM 89,-.

Die Vereinigung für Bremische Kirchengeschichte hat mit „Hospi-
tium Ecclesiae" für ihre Publikationsaufgaben ein Organ geschaffen,
das Monographien, Aufsatzsammlungen samt Literaturauswahl und
schließlich thematische Sammelbände umschließt. Vorzustellen ist
hier ein Beispiel des letztgenannten Typs, freilich mit einem thema-