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Ausgabe:

1985

Spalte:

750-752

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Faust, Ulrich

Titel/Untertitel:

Christo servire libertas est 1985

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 10

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den Versuch handeln, dem Leser eine gewisse Vorstellung von dem
Reichtum des Inhalts der 80 Papers und vorkder darin erkennbaren
Arbeitsrichtung und Arbeitsweise zu vermitteln, wobei die Auswahl
der genannten Beiträge natürlich kein Urteil über den Wert der nicht
genannten bedeutet.

• n seinem Eröfihungsvortrag wies H. Chadwick einleitend darauf
hin, daß die patristischen Studien in eine kritische Situation geraten
seien; mancherlei Umstände erschwerten es mehr als früher, jene Geschichtsperiode
zu erforschen, die doch grundlegend war für die Bildung
der christlichen Tradition und auch Tür das Verständnis der
modernen Welt unentbehrlich ist. Ja, so führte er aus, bei geduldiger
historischer Kleinarbeit könne die Stimme der Väter noch heute
Plötzlich lebendig werden und uns mehr als bloß antiquarisches Wissen
schenken. Chadwick gibt dann in seinem Vortrag "Priscillian of
Avila. Occult and Charisma in the ancient Church" ein eindrucksvolles
Beispiel., wie die historische Kleinarbeit an einem engbegrenzten
Thema zu einer fruchtbaren Begegnung mit den Vätern werden
kann. Denn er zeigt überzeugend, daß Priszillian in seinem Suchen
nach dem Unerwarteten, freilich auch nach dem nicht ungefährlichen
dunklen noch immer jedem konventionellen Christentum wichtige
Fragen stellt.

Die folgenden 79 Beiträge sind - ähnlich wie in den früheren Bänden
- auf acht Sachgruppen verteilt, die das Titelblatt aufzählt. Auf
einen besonderen Abschnitt von „Philologica" hat man diesmal verzichtet
; doch deutet dies nicht etwa auf eine Verminderung der historisch
-kritischen Forschungsarbeit hin, die z. B. den Fragen der Echtheit
, der geschichtlichen Interpretation einzelner Schriften, Stellen
und Begriffe (z. B. der Perichoresis) oder Problemen der Methode
nachgeht. Zu letzteren sei erwähnt, daß Griffith für die Klassifizierung
kontaminierter Textüberlieferung statt eines Handschriftensterhmas
ein „dreidimensionales" Modell empfiehlt. Im Rahmen der „Biblica"
finden sich überwiegend Beiträge zur Auslcgungsgeschichte, wobei
Gasparro die des Gleichnisses Luk 10,30-37 über die Väterzeit hinaus
bis zu den Katharcrn verfolgt. Fragen der Hermeneutik behandeln
Ashby (bei Theodoret von Cyrus) und Messana, der herausstellt, daß
die Väter den Begriff der Tropologie zwar in weitem Sinne, also auch
mit Einschluß der'Allegorese gebraucht haben, daß aber stets der
ethische Sinn grundlegend war.

Die Wahl einiger Themen ist durch äußere Anlässe bestimmt worden
, sei es ein Jubiläum der Wissenschaftsgeschichte oder eine eigene
größere Veröffentlichung über dasselbe Thema. So hat Hamman
unter den „Critica" zu J. P. Mignes 100. Todestag dessen Leistungen
für das Aufblühen der patristischen Studien gewürdigt und lebhaft
verteidigt. Rordorf und Tuilier erörtern in zwei Beiträgen die Probleme
, die ihnen bei der Vorbereitung ihrer gemeinsamen (1978
erschienenen) Ausgabe der Didache entgegentraten. Sie geben damit
ein Beispiel, wie man innerhalb der freien Themenwahl doch zu kleinen
Gruppierungen gelangen könnte und vielleicht auch zu der Ausrichtung
auf einige große Linien, die schon Mandouze dem Kongreß
von 1959 (Stud. Patrist. 111,18) vorgeschlagen hat. Eine ganz andere
Art. Verbindungen herzustellen, ergibt sich, wenn ein Verfasser
eigene Beiträge zu früheren Kongressen weiterführt wie Richardson
solche aus Stud. Patrist. I, VI und IX. Nicht weniger ist die Wahl des
Themas von innen, also den Sachfragen her bestimmt, wenn große,
nicht leicht verstummende Probleme von Zeit zu Zeit zahlreiche Gelehrte
zu lebhafter, offener Diskussion veranlassen. Dies gilt z. B. von
der Frage, was der Piatonismus für die frühchristliche Theologie bedeutet
hat. Ihr gehen Andresen, Osborn und des Places unmittelbar
nach, aber auch May umkreist das große Problem, indem er den Her-
rnogenes „zwischen Piatonismus und Gnosis" einordnet. Ahnlich
bewirkt das Gewicht der Sache, daß unter den sehr zahlreichen
• •Theologica" die Christologie und die Soteriologie besonders beachtet
wurden. Hier deutet Gray einige Fragmente Theodorets auf einen
.antiochenischen Chalccdonismus", in dem der Begriff Hypostasis
die kollektive Einheit von Individuen meint. So wird das Bild der
Nachgeschichte von Chalcedon verfeinert.

Einige Beiträge verdienen auch deshalb Beachtung, weil sie nachdrücklich
auf unsere Gegenwart ausgerichtet sind. So möchte Wins-
low, indem er auf die Vielfalt in der „soteriologischen Orthodoxie"
der Väter hinweist, zugleich der heutigen Theologie zu mehr Freiheit
in ihrer Erlösungslehre verhelfen, und Richardsons Darstellung der
Christologie des Klemens von Alexandrien, der Christi Göttlichkeit
mehr auf seine lebendige Erfüllung des Gottesgesetzes gründet, nähert
sich geradezu einer systematischen Besinnung. In dieselbe Richtung
weisen auch Laeuchlis verhältnismäßig umfangreiche "Prolegomena
toa structural analysis of ancient Christian salvation". Darin arbeitet
er die inneren Spannungen in dieser Vorstellung von der Erlösung
heraus, die verkündigt und gefeiert, aber nicht erfüllt wurde (was
schon die von Laeuchli nicht erwähnte historisch-kritische Untersuchung
der Eschatologie ergeben hatte) und die trotzdem mittels der
komplexen Einheit der Erlösergestalt in der Kirche vitalisiercnd gewirkt
habe. „Modern" ist dieser Beitrag nicht allein durch die struktu-
ralistische Betrachtungsweise, sondern auch dadurch, daß den Verfasser
die unbewältigten sozialen und ethischen Probleme der Gegenwart
zu seiner radikalen Prüfung veranlaßt haben. - Auf gegenwärtige Aufgaben
und Voraussetzungen ist auch die anregende Untersuchung bezogen
, in der Bcntivegna den Begriff „die Zeiten der Väter" gemäß
geschichtlichen und systematischen Beobachtungen zu bestimmen
sucht, wobei doch vielleicht die Einheitlichkeit und Gewißheit des
historischen Befundes überschätzt ist.

Der hier vorgestellte Band zeigt wieder eindrücklich die große
Weite und Fruchtbarkeit der patristischen Studien und darin zugleich,
wenn der Berichterstatter sich nicht sehr täuscht, ein wachsendes Bemühen
, die geschichtlichen Erkenntnisse Tür das gegenwärtige Denken
fruchtbar zu machen. Darauf, daß bei der unvermeidlichen, fortschreitenden
Verzweigung dieser Arbeit das innere, theologische Verständnis
unentbehrlich bleibt, hat z. B. Hamman mit Recht hingewiesen
. Im ganzen darf man wohl annehmen, daß der noch ausstehende
zweite Band das hier umrissene Bild von der Patristischen Konferenz
des Jahres 1975 noch in wesentlichen Teilen ergänzen, aber nicht
grundlegend verändern wird.

St. Auguslin Heinrich Karpp

Faust, Ulrich: Christo Servire Liberias Est. Zum Freiheitsbegriff
des Ambrosius von Mailand. Salzburg-München: Pustet 1983.
175 S. 8' = Salzburger patristische Studien, III. Veröffentlichungen
des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften
Salzburg, N. F. 10. Kart. ö. S. 248,-.

Über 200mal hat Ambrosius das Wort libertas verwendet. Faust
betont, daß die antiken Wurzeln dieses Wortes bei Ambrosius von
christlichen Gedanken überdeckt würden: „Die von Jesus Christus
erworbene und dem Glaubenden geschenkte Freiheit als heilsgeschichtliche
Qualität hat den Menschen zu einer neuen, inneren Beziehung
zu Gott befähigt. Letzteres ist Tür den christlichen Bischof
sicher entscheidend" (24). F. geht den Bedeutungen des Begriffs libertas
nach bei Cicero und Seneca, bei Philo und Josephus. bei Paulus
und Johannes sowie bei Clemens und Origenes. Bei Ambrosius sieht
F. eine „kritische Synthese im Sinne der Schule von Alexandrien"
(138). Kapitel 2 untersucht „Ambrosius und das Sklavenproblem".
Sich selbst bezeichnete Ambrosius als servus Christi. Schlimmer als
Sklaverei ist die Torheit. Der Sklavenstand ist ungerecht, aber das Beispiel
Josefs in Ägypten zeigt, daß Sklaverei „zu einer Schule der
Demut werden" kann (60). Ambrosius ging es vor allem darum, „daß
der durch die Sünde versklavte Mensch zu einem Freigelassenen
Christi wird" (61). Kapitel 3 setzt den Gedankengang fort unter der
Überschrift „Libertas fidei". F. formuliert: „Libertas fidei. Glaubensfreiheit
, verbindet sich Tür den Menschen der Neuzeit mit dem Problem
der Toleranz oder Intoleranz gegenüber Andersglaubenden und
Andersdenkenden" (62). Er hat Bedenken, solche Vorstellungen auf
einen Autor des 4. Jh. anzuwenden. Das Konzil von Aquileja 381
zeigt Ambrosius als energischen Juristen, der „das Konzil bis zum