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Ausgabe:

1985

Spalte:

739-740

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Maddox, Robert

Titel/Untertitel:

The purpose of Luke-Acts 1985

Rezensent:

Jervell, Jacob

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739

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 10

740

sowie die Hinweise auf den Besitzverzicht der ersten Jünger im LkEv
stehen. Die programmatische Bedeutung des Magnificat für die Darstellung
des Lebens und Wirkens Jesu im LkEv kann dann nicht mehr
so einfach wie von H. ausgeklammert werden. Vom Magnificat her
geraten die übrigen „ebionitischen" Aussagen in ein Licht, das mit der
von H. herausgestellten Besitzparänese nur schwer zusammenzubringen
ist. Aber auch die Hinweise auf den Besitzverzicht der ersten Jünger
Jesu lassen sich unter diesem Aspekt kaum nur als Veranschaulichung
des Bruchs mit dem früheren Leben deuten.

Trotz dieser kritischen Fragen besteht kein Zweifel daran, daß sich
die Lektüre von H.s Buch für jeden lohnt, der sich mit Lukas oder mit
der Ethik des Neuen Testaments beschäftigt.

Münster Martin Resc

Maddox, Robert: The Purpose of Luke-Acts. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1982. VII, 218 S. gr. 8'= Forschungen zu Religion
und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 126. Lw.
DM 60,-.

Eine neue Theorie über den Abfassungszweck des lukanischen
Werkes will der Vf. bieten. Das ist ihm nicht gelungen. Er tut es aber
mit Hilfe einer Kritik der jetzigen Theorien, und die ist ihm durchaus
gelungen. Weder neu noch erregend ist es, daß ". . . he (Lukas) writes
to assure the Christians of his day that their faith in Jesus is no aber-
ration, but the authentic goal towards which God's ancient dealings
with Israel were driving." Die Kritik der Lukasexegese von heute ist in
dem Sinne neu, als der Vf. auch die neuesten Versuche zu Lukas
penetrant durchmustert. So gibt es nicht nur das Problem der Parusie-
verzögerung, sondern auch das Verhältnis zwischen Kirche und Israel.
Nachdem lange fast alle Lukastheologic meistens als Eschatologic verstanden
wurde, hat der Vf. nun das jüdische Material und damit auch
die Ekklesiologie in den Blickpunkt gerückt, ohne die Eschatologie zu
vernachlässigen. Für die Information der Lage in der Lukasexegese ist
das Buch hervorragend und unentbehrlich.

Einleitend, S. 1-30, bearbeitet der Vf. einige Einleitungsfragcn zu
Ursprung und Charakter der Lukasschriften; er betont die Einheit des
Werkes und datiert um 85-90. Er findet die Leser innerhalb der Kirche
und definiert das Doppelwerk als "theological history".

Kap. 2, S. 31 -65, "Jews, Gentiles and Christians", ist eine Auseinandersetzung
vor allem mit J. Jervells "Luke and the People ofGod".
Nach der verständnisvollen und tiefbohrenden Kritik ist das Ergebnis:
Die Juden haben das Evangelium verworfen und sind so selbst vom
Reiche Gottes ausgeschlossen. Die Christen stehen den hebräischen
Traditionen loyal gegenüber, und die Heiden haben das Heil
"promptly and joyfully" akzeptiert.

Kap. 3, S. 66-90, wendet sich dem Paulusporträt der Apg zu, wo
der Vf. verdienstvoll vor allem die Bedeutung der Prozeßkapitel als
das Entscheidende für das lukanische Paulusverständnis hervorhebt.
Diese Kapitel besagen mehr über Paulus in der Apg als die Darstellung
der paulinischen Mission. Paulus repräsentiert und symbolisiert
das Christentum in den Gemeinden unmittelbar vor Lukas und ist die
Brücke zwischen den Aposteln und der lukanischen Gemeinde. Dazu
ist er durch seine Verfolgung und Gefangenschaft ein Paradigma und
ein Muster für die Christen.

Kap. 4, S. 91-99, behandelt kurz die sogenannte ,religio licita' und
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, also die politische Perspektive
der Apg. Rein generell wird die .religio licita' nochmals abgewiesen
; die politische Unschuld und das optimistische Verstehen des
römischen Staates dienen dazu, um vor "revolutionary defiancc" oder
"selfassertiveness" zu warnen.

Kap. 5, S. 100-157, ist eine ausführliche Durchmusterung der
Eschatologie, vor allem eine Auseinandersetzung mit H. Conzel-
mann, wo aber das Verständnis von der lukanischen Eschatologie der
zehn letzten Jahre durchgegangen wird. Hier finden wir auch die
besten exegetischen Ausführungen des Vf. Abgebaut wird das Problem
der Parusicverzögerung als für Lukas nicht entscheidend, und
somit auch die Verschiebung der Naherwartung auf eine ferne Zukunft
. So findet der Vf. auch keine rein futurische Eschatologie in
den Lukasschriften, bemüht sich aber, das Phänomen einer ..realisierten
Eschatologie" aufzuzeigen. Für Lukas ist wesentlich "the rea-
lity of the present fulfilment of eschatological hopes". Damit hängt
auch folgendes zusammen:

Kap. 6, S. 158-179, "The special affinities of Luke and John". Hier
wird nicht so sehr die Forschungslage aufgearbeitet als eine selbständige
Darstellung geboten. Es gibt nicht nur eine gemeinsame geographische
Perspektive zwischen Lukas und Johannes, sondern auch
Übereinstimmung in der Theologie. Dies ist alles dadurch erklärlich,
daß viele von den gemeinsamen Traditionen von einem Christentum
in dem südlichen Palästina herkommen.

Kap. 7, S. 180-187, gibt eine Zusammenfassung und eine Beschreibung
der Entstehungssituation von Lukas-Acta: Die von der Synagoge
angegriffene christliche Kirche und so die Frage: "Who after all are
the 'people ofGod"?"

Die wertvolle und gelungene Übersicht über die Actaforschung ist
von einer klugen Wahl der Themen und Perspektiven bestimmt. Der
Vf. sieht scharf die Schwächen der gängigen und heutigen Konzeptionen
ohne die wertvollen Einsichten beiseite zu schieben. Vor allem
gilt das in bezug auf die Eschatologie. Die eigene Methode des Vf.
geht darauf aus, die "partial insights" in der Forschung durch eine
neue Perspektive aufzuarbeiten. Das ist kaum gelungen, und die
eigene Konzeption wirkt im Verhältnis zu der scharfsinnigen, z. T.
glänzenden Kritik, matt und generell. Es zeigt sich auch wieder, daß
das sogenannte jüdische Material, das Judentum der Apg, das Entscheidende
wird. Um die Kirche als eine heidenchristliche und die
Juden als den Feind darzustellen, muß der Vf. die Notizen von Massenbekehrungen
ignorieren; weiter muß er eine künstliche und merkwürdige
und nicht definierte Unterscheidung zwischen "Jews" und
"the Jewish Community" einführen. Die Verheißungen Gottes an
Israel in der Schrift seien "not after all to be fulfilled" (106), und der
Vf. oszilliert zwischen „Juden", „die Einzelnen", „das Volk", „die
Leiter" etc. Ein Rätsel ist, warum die Synagoge sich überhaupt für
eine durch und durch hcidenchristliche Kirche interessiert. Und was
ist für Lukas eigentlich „Israel" und „das Judentum"? Wie steht es
eigentlich mit den Aposteln und der Gemeinde in Jerusalem? Endlich
ein Rätsel: Warum vermissen wir so viele von den Lukasforsehern in
der aufgearbeiteten Literatur, um nur einige zu nennen: Baer, Bauei nfeind
, Bovon, Dahl. Lampe, Laurentin, Moule, Schlatter? Und
warum sind die Arbeiten von Dupont und Haenchen so mangelvoll
aufgeführt? Trotzdem ist das Buch für jeden, der sieh mit Lukas-Acta
beschäftigen will, nicht zu entbehren.

Oslo Jacob Jervell

Berger, P. R.: Menschen ohne „Gottes Wohlgefallen" Lk 2.14? (ZNW 76,
1985 S. 119-122).

Branick. Vincent P.: The Sinful Flcsh of the Son ofGod (Rom 8:3): A Key
Image of Pauline Theology (CBQ 47.1985 S. 246-262).

Dupont. Jacques: La strueture oratoire du discours d'Eticnne (Actes 7)
(Bibl 66. 1985 S. 153-167).

Günther. Hartmut: Bas Zeugnis vom Abendmahl im Neuen Testament
(LuThK 1985 S. 41-64).

Klein. Günter: Aspekte ewigen Lebens im Neuen Testament. Ein theologischer
Annäherungsversuch (ZThK 82, 1985 S. 48-70).

Marxsen, Willi: Orientierung am Neuen Testament? (PTh 74. 1985
S. 2-16).

Mayer, Anton: Der zensierte Jesus. Soziologie des Neuen Testaments. Mit
einem Geleitwort von N. Greinacher. Gütersloh: Gütersloher Vcrlagshaus
Gerd Mohn (Lizenzausgabe des Walter Verlages. Ollen) 1985. 8' = Gütersloher
Taschenbücher/Siebenstern 1412. Kart. DM 14.80.

Pesch. Rudolf: Paulus und seine Lieblingsgcmeinde. Paulus - neu gesehen.
Drei Briefe an die Heiligen von Philippi Freiburg-Basel-Wien: Herder 1985.
127 S. kl. 8' = Herdcrbüchcrei. 1208. Kart. DM 7,90.